Nachruf

Beiträge zum Thema Nachruf

Kultur

Zum Tod des Schriftstellers Milan Kundera
Weder Historiker noch Prophet

„Man muss sie lieben, die Bedeutungslosigkeit, man muss lernen, sie zu lieben“, verkündete Ramon, eine der Hauptfiguren in Milan Kunderas letztem Roman „Das Fest der Bedeutungslosigkeit“ (2015). Es war ein spielerisches Buch der großen Gegensätze – von Liebe und Hass, von Tragik und Komik, von Wahrheit und Lüge, von Aufrichtigkeit und Selbsttäuschungen. Trotz der philosophischen Gedankenschwere kam dieser Roman seltsam leicht und bisweilen sogar humorvoll daher. Vermutlich liegt es einzig...

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  • 12.07.23
Kultur

Zum Tod von Hans Magnus Enzensberger
Scharfsinniger Sprachvirtuose

„Was dir durch den Kopf rauscht, ist formlos und nicht zu fassen. Du spinnst wie Arachne, mein Lieber, und von Glück kannst du sagen, wenn es dir wenigstens gelingt, eine Stubenfliege zu fangen“, heißt es im zum 90. Geburtstag des Autors erschienenen Band „Fallobst“. Hans Magnus Enzensbergers Produktivität war bis ins hohe Alter beeindruckend. Im Band „Fallobst“ (2019) hat der scharfsinnige Analytiker und begnadete Sprachvirtuose zeitkritische Reflexionen aneinander gereiht. Das Büchlein hatte...

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  • 25.11.22
Kultur

Zum Tod des Schriftstellers Gerhard Roth
Literarischer Etappenfahrer

"Ich leb' jetzt viel lieber als früher, mir gefällt auf einmal der Alltag, der mich früher überhaupt nicht interessiert hat. Jetzt gefällt mir alles ununterbrochen", hatte der österreichische Schriftsteller Gerhard Roth mit leicht altersversöhnlichem Tenor vor einigen Jahren erklärt. Bis zum Schluss schrieb und fotografierte er mit ungebrochenem Elan. "Seit seiner Kindheit war ihm klar, dass ihn ein Universum der Gleichgültigkeit umgab", erfahren wir zu Beginn von Gerhard Roths Roman "Der Berg"...

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  • 09.02.22
  • 1
Kultur

Zum Tod des Multitalents Herbert Achternbusch
Er wollte noch fliegen lernen

"Mein Vater war sehr leger und trank gern, er war ein Spaßvogel. Kaum auf der Welt, suchten mich Schulen, Krankenhäuser und alles Mögliche heim. Ich leistete meine Zeit ab und bestand auf meiner Freizeit. Ich schrieb Bücher, bis mich das Sitzen schmerzte. Dann machte ich Filme, weil ich mich bewegen wollte. Die Kinder, die ich habe, fangen wieder von vorne an. Grüß Gott!" Mit diesen typischen, schelmisch-provokanten Sätzen hat Herbert Achternbusch vor einigen Jahren sein eigenes Leben...

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  • 13.01.22
Kultur

Zum Tod der bedeutenden Wiener Dichterin Friederike Mayröcker
Tagtäglich neu überraschen lassen

Ihre Kreativität war imponierend. Bis zuletzt hat die grande dame der österreichischen Literatur, Friederike Mayröcker, geschrieben und fast Jahr für Jahr „ihr letztes Buch“ veröffentlicht. Im letzten Herbst war noch der Band „da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete“ erschienen, in dem sie sich selbst als „Debütantin des Todes“ bezeichnetet. "Wer Friederike Mayröcker liest, fühlt sich entführt in eine Wunderwelt, in einen unübersehbaren und letztlich unerklärlichen Zaubergarten", hatte...

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  • 04.06.21
  • 2
  • 2
Kultur

zum Tod des Schriftstellers John le Carré
Der Spion aus der Kälte

"Dank meinem Vater, einem Hochstapler und Betrüger, war ich schon in meiner Kindheit mit dem verführerischen Charme der kriminellen Welt vertraut und genötigt, mir für mein Leben ein moralisches Konzept zurecht zu schnitzen", bekannte David John Moore Cornwell 2011 in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung". Nur absolute Insider wissen etwas mit diesem Namen anzufangen. Aus jener Person war nach dem Germanistikstudium, einer kurzen Etappe als Lehrer an der Nobelschule in Eton und...

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  • 14.12.20
Kultur
Manfred Görke, wie er stets unterwegs war: entweder mit Fotoapparat oder mit Videokamera "bewaffnet". Foto: Archiv

Wattenscheider Filmemacher Manfred Görke im Alter von 84 Jahren gestorben
Weltenbummler über und unter Wasser

Er hat die ganze Welt bereist und hat dies in unzähligen Filmen festgehalten. Die Rede ist vom Wattenscheider Manfred Görke, der nun mit 84 Jahren gestorben ist. Der ehemalige Versicherungskaufmann hat im letzten Vierteljahrhundert seines Lebens – gemeinsam mit seiner vor einigen Jahren verstorbenen Frau Gitti – fast den gesamten Globus bereist. Wissensdurst und eine beinahe kindliche Neugier auf alles Unbekannte trieb „Manni“ Görke an. Faszinierende Bilder aus Neuseeland und aus Borneo sind...

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  • 20.10.20
  • 1
Kultur

Zum Tod des Dramatikers Rolf Hochhuth
Mehr Moralist als Ästhet

„Ich habe immer ziemlich hart ausgeteilt und fand es immer völlig selbstverständlich, dass ich deshalb auch einstecken muss. Und dass Franz Josef Strauß mich Ratte und Schmeißfliege nannte, das nahm man natürlich nicht ernst. Man wusste, er ist ein sehr schlauer, bayerischer Prolet“, hatte der Dramatiker Rolf Hochhuth 2016 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk bekundet. Rolf Hochhuth, der am 1. April 1931 im nordhessischen Eschwege als Sohn eines Schuhfabrikanten geboren wurde, sorgte mit...

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  • 14.05.20
Kultur

Zum Tod des Schriftstellers Günter Kunert
Die Worte verführten mich

„Eines Tages, nach dem Krieg, lieh ich mir eine Schreibmaschine, um einen Brief zu schreiben. Da fiel mein Blick auf die große Kastanie im Hof, und ich stellte mir vor, dass die Äste bedrohlich wachsen und in die Zimmer ringsum eindringen. Plötzlich fing ich an, Zeile für Zeile untereinander zu schreiben, wie in Trance. Die Worte verführten mich! Von da an schrieb ich fast täglich“, erinnerte sich Günter Kunert an seine schriftstellerischen Anfänge zurück. Es war vor allem die Lyrik, die ihn...

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  • 22.09.19
Kultur

Zum Tod des bedeutenden ungarischen Schriftstellers György Konrád
Moralische Instanz

„Für viele ist er eine moralische Instanz geworden, ein außergewöhnlicher Mensch, dessen warmherziges, mitfühlendes Wesen und dessen Menschlichkeit sich spontan mitteilen. Die Literatur ist für ihn ein Medium, um Völker und Zivilisationen einander näherzubringen“, hieß es 2001 über den ungarischen Schriftsteller György Konrád in der Laudatio zur Verleihung des Karlspreises der Stadt Aachen. In seinem letzten bedeutenden Werk „Das Buch Kalligaro“ (2007) präsentierte Konrád überdies eine bis...

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  • 14.09.19
Kultur

Chronist des alltäglichen Wahnsinns

Zum Tod des Georg-Büchner-Preisträgers Wilhelm Genazino Er war ein stilistisch hochbegabter Außenseiter, der erst spät den Durchbruch geschafft hat. Wilhelm Genazino hat die melancholischen, zum Selbstmitleid neigenden Flaneure in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur salonfähig gemacht. Immer etwas neurotisch, dem Wahnsinn nahe, aber höchst empfindsam, so schickte er seine zumeist ziemlich biederen Alltags-Protagonisten durch seine leicht elegischen Romane. „Viele verborgen lebende...

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  • 14.12.18
Kultur

Meister des psychologischen Realismus

Zum Tod des Schriftstellers Dieter Wellershoff „Ohne Lebenserfahrung könnte man gewiss nicht so schreiben, wie ich das tue. Das heißt aber nicht, dass ich in meinen Texten ständig eigene Lebensprobleme ausagiere. Wenn der Autor wissen will, was an den Menschen dran ist, muss er sie in Schwierigkeiten bringen“, beschrieb Dieter Wellershoff einst sein dichterisches Credo. Und so lässt sich ohne waghalsige Interpretationsartistik eine verbindende Motivklammer vom Frühwerk „Ein schöner Tag“ (1966)...

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  • 15.06.18
Kultur

Kampf mit dem Schreiben ist vorbei

Zum Tod des großen amerikanischen Schriftstellers Philip Roth Er war ein Monument der Weltliteratur, gewaltig und mit reichlich Ecken und Kanten, ein Provokateur und Einmischer mit substanzieller Stimme – ein unübersehbarer Monolith. Alljährlich wurde der amerikanische Schriftsteller Philip Roth im Vorfeld der Nobelpreisbekanntgabe als heißer Kandidat gehandelt - zweimal hatte er den National Book Award (u.a. 1959 für seinen Erstling „Goodbye Columbus“), dreimal den PEN-Faulkner-Preis und 1998...

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  • 23.05.18
Kultur

Vom Traum ein Rebell zu sein

Zum Tod des oscar-gekrönten Regisseurs Milos Forman „Ich finde es schrecklich, wenn Regisseure denken, sie würden etwas wahnsinnig Wichtiges kreieren. Hey, Leute, es ist nur ein Film! Macht euch locker!“, hatte Milos Forman vor zehn Jahren in einem FAZ-Interview erklärt.“  Seine bewegte Vita war prägend für sein künstlerisches Schaffen. Der oscar-gekrönte Regisseur machte keinen Hehl daraus, dass sein Lebenslauf und sein künstlerischer Erfolg in ursächlichem Zusammenhang stehen. "Ich habe immer...

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  • 14.04.18
  • 1
Kultur

Erfolgreicher Spätzünder

zum Tod des Schriftstellers Hans Werner Kettenbach Für einen überaus erfolgreichen Schriftsteller fand Hans Werner Kettenbach erst ungewöhnlich spät den Weg zur Literatur, aber eigentlich ist er immer ein Spätzünder gewesen. Erst im Alter von 28 Jahren fand er einen Beruf, mit dreißig heiratete er, sein Studium schloss er mit 36 Jahren ab, und seinen ersten Roman veröffentlichte er kurz vor seinem 50. Geburtstag. Zwischendurch hatte er sich als Bauhilfsarbeiter, als Stenograf und auch als...

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  • 05.01.18
Politik
Karneval war die große Leidenschaft des Sozialdemokraten Wolfgang Schick. FOTO: PETER MOHR

SPD trauert um Urgestein Wolfgang Schick

Die Wattenscheider SPD wird in diesen Tagen vom Schicksal arg getroffen. Nicht einmal eine Woche nach dem plötzlichen Tod von Rainer Schug ist am Donnerstag der langjährige Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schick nach langer Krankheit im Alter von 75 Jahren gestorben. Wolfgang Schick war in Wattenscheid bekannt wie der oft zitierte „bunte Hund“ - nicht nur als Urgestein der Sozialdemokraten, für die er 37 Jahre in der Bezirksvertretung tätig war. Schon vor der Eingemeindung war Schick...

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  • 07.10.17
  • 1
Kultur

Im Fahrstuhl zum Schafott

Zum Tod der großen Schauspielerin Jeanne Moreau 2003 hatte Jeanne Moreau (halb im Scherz) einen künstlerischen Wunsch geäußert, der sich allerdings nie erfüllt hat: "Shakespeares Lear. Den spiele ich, wenn ich achtzig bin." Mit dem "Lear" ist es zwar nichts geworden, doch die Blitzlichter der Fotografen zog sie bis ins hohe Alter immer noch beinahe magisch an, wie etwa bei ihrem Kurzauftritt als Ehrengast bei der Europäischen Filmpreisgala im Jahr 2007 in Berlin. Sie war nicht nur eine der...

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  • 31.07.17
  • 1
Kultur

Gedichte von der Kanzel

zum Tod des Schriftstellers Kurt Marti PETER MOHR "Bei mir war das Schreiben eine Art Ausbruch aus der präformierten Sprache der Kirche und der Theologie", bekannte der Schweizer Kurt Marti in einem Interview. Wie vor über 100 Jahren sein berühmter Landsmann Albert Bitzius, der unter dem Namen Jeremias Gotthelf in die Literaturgeschichte eingegangen ist, hat auch Marti über viele Jahrzehnte hinweg zwei Professionen ausgeübt: Pfarrer und Dichter. Bei Marti, der 2002 mit dem Karl-Barth-Preis...

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  • 12.02.17
Überregionales
Erna Zühlsdorf hatte schon immer ein fröhliches Wesen
3 Bilder

Große Trauer beim örtlichen Roten Kreuz: Engagierte DRKlerin Erna Zühlsdorf aus Wattenscheid ist im Alter von 94 Jahren verstorben

Über viele Jahrzehnte lang engagierte sich Erna Zühlsdorf im DRK-Kreisverband Wattenscheid. 1922 in Ostpreußen geboren fand sie nach dem zweiten Weltkrieg über Schleswig-Holstein mit Ehemann und den drei Töchtern den Weg nach Wattenscheid ins Ruhrgebiet. Nach dem Tod des Ehemanns ist sie für die ehrenamtliche Mitarbeit beim Roten Kreuz geworben worden und entwickelte sich dort zu einer sehr engagierten Rotkreuzlerin. Über viele Jahre arbeitete sie in der örtlichen Blutspende, dem...

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  • 22.12.16
Kultur

Alles Komische hilft mir

Zum Tod der Schriftstellerin Ilse Aichinger „Ich wollte nie Schriftstellerin werden. Ich wollte Ärztin werden, das ist gescheitert an meiner Ungeschicklichkeit. Ich wollte zunächst eigentlich nur einen Bericht über die Kriegszeit schreiben. An ein Buch habe ich gar nicht gedacht, ich wollte nur alles so genau wie möglich festhalten. Als das Buch „Die größere Hoffnung“ dann bei Fischer erschienen ist, stand noch immer viel zuviel drin. Ich wollte am liebsten alles in einem Satz sagen, nicht in...

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  • 11.11.16
  • 1
  • 1
Kultur

Furchtbar, aber auch komisch

Zum Tod des bedeutenden US-Dramatikers Edward Albee „Wenn man eine Gesellschaft kritisieren will, muss man Außenseiter dieser Gesellschaft sein“, so das dichterische Credo des Dramatikers Edward Albee. Obwohl er dreimal den Pulitzerpreis erhielt (zuletzt 1994 für „Drei große Frauen“), ist er in der amerikanischen Gesellschaft selbst immer Außenseiter geblieben. Anfang der 1950er Jahre riet der weltberühmte Thornton Wilder dem damals noch unbekannten Edward Albee „Stücke zu schreiben.“ Später...

  • Wattenscheid
  • 17.09.16
Kultur

Vater des nouveau roman

Zum Tod des französischen Schriftstellers Michel Butor „Das Schreiben hat für mein geistiges Ich die gleiche Funktion wie die Wirbelsäule für meinen Körper“, erklärte einst Michel Butor, dessen Name fast immer in einem Atemzug mit Nathalie Sarraute und Alain Robbe-Grillet genannt und beinahe als Synonym für den „nouveau roman“ gebraucht wird. Was Butor von den genannten künstlerischen Weggefährten unterscheidet, ist die Tatsache, dass er sich auch als Theoretiker einen großen Namen gemacht hat...

  • Wattenscheid
  • 25.08.16
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Kultur
Das Foto entstand im Mai 2011 in der St. Nikolauskirche in Wattenscheid im Anschluss an eine Lesung und zeigt Peter Mohr im Gespräch mit Hellmuth Karasek.

Eloquenz und Humor

Zum Tod des Kritikers und Schriftstellers Hellmuth Karasek "Manchmal fürchtete ich schon, ich schreib mich in eine Depression hinein", bekannte Hellmuth Karasek über die Arbeit an seinem 2006 erschienenen Band "Süßer Vogel Jugend". Der kulturelle Tausendsassa mit der stark ausgeprägten Affinität zur Selbstironie sprühte auch in fortgeschrittenem Alter noch vor Tatendrang und hatte 2013 unter dem Titel „Frauen sind auch nur Männer“ einen Sammelband mit 83 Glossen aus jüngerer Vergangenheit...

  • Wattenscheid
  • 30.09.15
  • 1
  • 1
Kultur

Das kritische Gewissen

Zum Tod des Schriftstellers Rafael Chirbes „Ich recherchiere nicht, suche keine Daten. Ich nehme auf, was ich auf der Straße mitbekomme. Die Lektüre von Marx hat mir geholfen, das Wesentliche wahrzunehmen, das, was eine Gesellschaft ausmacht. Und mein Unterbewusstsein“, hatte der bedeutende spanische Romancier Rafael Chirbes einmal erklärt. Er stammte aus einfachen Verhältnissen; sein Vater, der bereits 1953 gestorben ist, war einst Gleisarbeiter, und seine Mutter hatte ihn in Internate für...

  • Wattenscheid
  • 16.08.15
  • 1
  • 2
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