Frauenhaus mit freien Plätzen - Häusliche Konflikte werden ausgehalten
Virusangst und "Lagerkoller"

Viele Frauen entscheiden sich jetzt eher, die schwierige Situation im eigenen Lebensalltag auszuhalten, als den Weg ins Frauenhaus zu wählen.  | Foto: privat
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  • Viele Frauen entscheiden sich jetzt eher, die schwierige Situation im eigenen Lebensalltag auszuhalten, als den Weg ins Frauenhaus zu wählen.
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Hohen Zulauf hatte das Frauenforum Unna mit Beginn der Krisenzeit erwartet. Es kam anders. Wohnhaus und Wohnungslosenhilfe sind nicht voll gelaufen, ein Trend, der in ganz NRW ablesbar ist. Vermutung: Aus Angst vor Ansteckung bleiben von häuslicher Gewalt bedrohte eher in ihrer angespannten Lebenssituation. Mit Lockerung der Maßnahmen sieht Geschäftsführerin Birgit Unger aber eine Welle an Neuanmeldungen auf die Schutzeinrichtung zukommen.

Auf „Rot“ standen vor rund fünf Wochen alle Frauenhäuser im Lande. „Über das Belegungssignal wunderten sich alle“, erklärt Birgit Unger. Und vermutet, alle mussten sich anfangs sortieren und planen, gaben daher eine Komplettbelegung an. „Aus Angst, es könnte ein Coronafall ins Haus kommen.“ Jetzt sind von 64 Einrichtungen wieder 20 auf „Grün“. Darunter auch Unna. Das Frauenhaus hat mehr freie Plätze als zuvor. Dafür werden viel mehr Gespräche telefonisch geführt als vorher. Hinzu kommt eine intensivere Online-Beratung.
Aber die Zimmer in der Einrichtung, die für Mädchen, Frauen und deren Kindern als Betroffene von häuslicher Gewalt zur Verfügung stehen,  sind weitgehend leer. In der Übernachtungsstelle ist nur ein Platz von sieben belegt, maximal drei sollen es derzeit sein. Im Frauenhaus werden von zehn Zimmern drei freigehalten, für den Ernstfall einer Corona-Indikation. Belegt sind nur wenige Betten. Birgit Unger vermutet, dass die Frauen länger in ihrer unangenehmen Situation aushalten als bisher und Befürchtungen haben, in ein Umfeld zu kommen, wo sie nicht sicher vor dem Virus sein können. „Und auch nicht wissen wie gehe ich damit um.“ Das verschärfe aber die Konfliktsituation noch, denn der Mann sei auch den ganzen Tag daheim. Die Frauen haben keinen Rückzugsraum, kommen teils nicht mal ans Telefon. Zudem benötigen die Kinder mehr Aufmerksamkeit. „Im Normalleben ist ja der Mann im Job und man hat Zeit sich um den Umzug ins Frauenhaus zu kümmern. Die hocken jetzt zusammen.“ Das Forum erwartet mittelfristig eine Welle von Anfragen. „Weil mit zunehmender Distanz die Frauen wieder ihre Zukunft planen.“ Auch dafür sieht sich das Frauenforum gut vorbereitet.
Coronaschutz
Optimistisch sieht Unger den dauerhaften Umgang mit Gefahren des Covid-19-Virus. Im Gegensatz zu vielen anderen Einrichtungen sei man in Unna gut geschützt, schon räumlich. Die Übernachtungsstelle in der ersten Etage ist vom Tagesbetrieb abgeschottet. Durch die geringe Belegung, von zehn werden max. sieben belegt, kann im Verdachtsfall schnell eine Quarantäne eingerichtet werden.
Von einem Autozulieferer erhielt die Einrichtung jetzt Masken zum „Selbstbasteln“. Vor Ostern wurden genähte Masken bestellt, die jetzt ein Textilproduzent, der ausschließlich in Deutschland produziert, lieferte. „Das geht. Im Haus sind alle geschützt.“
Die Wohn- und Beratungsstelle kämpft mit einem ganz anderen Problem: Die Ängste und der „Lagerkoller“ sind groß. Denn für die Frauen bewegt sich derzeit nichts. Es finden keine Wohnungsbesichtigungen statt, Entscheidungen werden aufgeschoben. „Da müssen wir jetzt durch“, so Unger.
Gute Kooperation mit Gesundheitsamt
Sie sieht ihre Einrichtung gut versorgt mit Informationen vom Gesundheitsamt. Mit dem Team aus 23 Mitarbeiterinnen in den Einrichtungen Frauen-und Mädchenberatungsstelle, Frauenwohnungslosenhilfe, Frauenhaus und Verwaltung musste sie sich aber Gedanken zu neuen Maßnahmen machen. Während das Frauenhaus immer zu einem Hygieneplan verpflichtet ist, bedurfte der gesetzlich geforderte Pandemieplan viel Energie. Aber auch den hat das Frauenforum „gestrickt“, wie Unger es nennt, und ans Gesundheitsamt geschickt. Genehmigt.
Indes läuft das Tagesgeschäft weiter. Für Projekte wie Wohnungslosenhilfe und Streetworking müssen Spenden eingeworben werden, dort fehlen noch rund 5000 Euro. Zudem waren Renovierungsarbeiten geplant, das Geld steht bereit, aber: „Es kommt niemand und macht die Arbeit.“

Info

Sollten Sie uns besuchen müssen, beachten Sie bitte Folgendes:

Wir bitten Sie von körperbezogenen Begrüßungen abzusehen und einen ausreichenden Abstand zu unseren Mitarbeiterinnen zu halten. Nur so können wir dazu beitragen, die Verbreitung des Virus so minimal wie möglich zu halten.

Unsere Frauen- und Mädchenberatungsstelle sichert weiter Beratung zu – dazu haben wir die telefonischen Erreichbarkeitszeiten erweitert. Sie können montags bis donnerstags von 9 Uhr bis 12 Uhr sowie von 14 Uhr bis 15 Uhr und freitags von 9 Uhr bis 12 Uhr mit einer unserer Beraterinnen unter 02303/82202 sprechen. Bitte scheuen Sie sich nicht, den Anrufbeantworter zu nutzen, wir rufen sicher zurück. Auch die Online-Beratung erreichen Sie über unsere Homepage www.frauenforum-unna.de. Natürlich beantworten wir auch Ihre Mail-Anfragen an frauenberatungsstelle@frauenforum-unna.de umgehend.

Von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder finden weiterhin Schutz im Frauenhaus. Hier rufen Sie bitte 02303/77891-50 an. Falls wir keine freien Plätze haben, informiert Sie ein Anrufbeantworter über andere Möglichkeiten. Schauen Sie bitte auch im Internet unter www.frauen-info-netz.de, hier sehen Sie Frauenhäuser in NRW mit ggf. noch freien Kapazitäten.

Wenn Sie wohnungslos bzw. obdachlos sind, finden Sie bei freien Plätzen Schutz in unserer Frauenübernachtungsstelle. Hier können wir Sie montags bis freitags zwischen 9 Uhr und 13 Uhr nach vorheriger telefonischer Vereinbarung über 02303/77891-30 aufnehmen. Bei Vollbelegung informiert auch hier ein Anrufbeantworter über andere Möglichkeiten.

Viele Frauen entscheiden sich jetzt eher, die schwierige Situation im eigenen Lebensalltag auszuhalten, als den Weg ins Frauenhaus zu wählen.  | Foto: privat
Da war die Welt noch in Ordnung, als der 30. Geburtstag des Frauenforums gefeiert wurde im Januar 2019: Geschäftsführerin Birgit Unger  | Foto: privat
Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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