Kampf gegen den "Kanal- TÜV" geht weiter - nicht nur am Niederrhein!

Aktuelle Lage zum Thema „flächendeckende Dichtheitsprüfung in NRW“

Wie bereits vor der Landtagswahl publiziert, ist das umstrittene Thema „Dichtheitsprüfung“ (DHP) bzw. „Kanal-TÜV“, entgegen der Meinung vieler BürgerInnen, noch lange nicht vom Tisch.
Im Gegenteil: Im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen ist nichts mehr von dem vollmundigen Wahlversprechen der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu finden, mit denen sie auf einigen Wahlveranstaltungen und Radiointerviews darauf hinwies, dass aus Sicht der SPD „Ein- und Zweifamilienhäuser“ von diesem Gesetz ausgenommen werden sollen. Es wird nun nicht mehr von „DHP“, sondern von „Funktionsprüfung“ gesprochen, aber es scheint so, als ob es sich bei dem zu novellierenden Gesetz oder einer neu zu schaffenden Rechtsverordnung, nur um eine Fristverlängerung für einige Häuser außerhalb von Wasserschutzgebieten handeln wird, bei der früher oder später allerdings alle Haus- und Grundbesitzer ihre Abwasserrohre prüfen lassen und ein Großteil auch sanieren muss. Dieses haben die mittlerweile 70 Bürgerinitiativen in NRW bereits vor der Wahl befürchtet, obwohl auch bis heute noch keine wissenschaftlichen Beweise für eine Kontaminierung des Grundwassers durch priv. Abwasserleitungen erbracht wurden.
Wie vor der Wahl ebenfalls versprochen aber diesmal eingehalten, haben FDP und CDU ihren „alten“ Gesetzentwurf kurz vor der parlamentarischen Sommerpause wieder in den Landtag eingebracht. Hiernach soll eine Prüfung nur dort stattfinden, wenn ein begründeter Verdacht besteht, der ein vermeintliches Gefährdungspotential mit sich bringt. Auch die Piraten lehnen das zurzeit immer noch gültige Gesetz ab. Das Thema wurde in die Fachausschüsse verwiesen, eine endgültige Entscheidung wird wohl frühestens im Winterhalbjahr getroffen werden können.
Im Koalitionsvertrag steht allerdings auch, dass sich die Landesregierung nun für eine Bundeseinheitliche Regelung stark machen will. Dies war von Anfang an auch eine Forderung der protestierenden Bürgerinitiativen. Rein rechtlich gibt es nach Ansicht der BI`s auch gar keinen anderen Weg, schließlich hatte der „Parlamentarischer Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags Nordrhein-Westfalen“ auf Anfrage „Der Linken“ bereits im Frühjahr festgestellt, dass es sich bei der Ausgestaltung und Umsetzung des § 61 a LWG (NRW) um Kompetenzverstöße und Gesetzeskollisionen zwischen Bundes- und Landesrecht handeln wird, die letztlich zur Nichtigkeit der Vorschrift führen werden!

NRW- Umweltminister Remmel gibt sich jedoch mit dieser Expertise aus dem eigenen Hause nicht zufrieden und lässt auf Kosten der Steuerzahler ein „Gegengutachten“ erstellen, obwohl auch der „Wissenschaftliche Dienst des Bundestages“ dieses Gutachten bereits bestätigt hat.

Eine „schallende Ohrfeige“ in Richtung Landesregierung und ihren ausführenden Behörden verbirgt sich nach Ansicht der BI`s in dem aktuellen Bericht des Landesrechnungshofes: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-25.pdf Lfd. Nummer 21 Ausgabe Juli 2012
Das Land gewährte seit dem Jahr 2007 im Rahmen des "Investitionsprogramms Abwasser NRW" Zuwendungen (Zuschüsse oder Darlehen von der NRW.BANK) für Investitionsmaß-nahmen im Bereich der Abwasserentsorgung. Hierbei kam es laut diesem Report in vielen Fällen zu Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Prüfungen und Zuteilungsbestimmungen. Gleichgelagerte Fälle wurden z. B. unterschiedlich begünstigt bzw. bestimmte Förderkriterien unterlaufen und missbraucht oder nicht richtig Vorort geprüft und kontrolliert.
Daraus schließt sich nach Anschauung vieler BI`s auch die „alte“ Vermutung, dass es z.B. auch bei der Festlegung von „Fremdwassersanierungsgebieten“ (FWSG) nicht immer mit rechten Mitteln zugegangen ist. Nach „gültigen“ Förderbestimmungen wird eine Kommune z. B. höher begünstigt, je größer die sogenannten FWSG von ihr festgelegt werden usw.!

Aktuell: Dass etwas mehr "kostenloses Fremdwasser“ (FW heißt: Infiltration von Grund- oder Oberflächenwasser durch Dränagen oder „undichte“ Leitungen ins Abwassernetz) durchaus auch ein Segen für viele Kommunen sein kann, lies sich am Wochenende im WDR (aktuelle Stunde) eindrucksvoll erkennen. http://www1.wdr.de/fernsehen/aks/themen/kanalisation100.html
Unter dem Titel „Warum im Sommer die Kanäle riechen“ wurde darauf hingewiesen, dass die Verbraucher heute schon viel zu wenig Wasser verbrauchen. (Durch neue EG- Verordnungen soll übrigens zukünftig noch mehr Trinkwasser eingespart werden!)
Doch wenn zu wenig Wasser durch die Kanäle fließt, stauen sich dort stinkende Reste, im Kanalinneren bilden sich Schwefelwasserstoffe, es riecht unangenehm durch die Gully- Öffnungen und der Beton wird angegriffen und zerstört. Es muss daher mit sehr viel Aufwand, natürlich meist mit bestem Trinkwasser, gespült werden. In manchen Kommunen wird sogar schon über eine Wasserflatrate nachgedacht, damit vom Kunden mehr Wasser verbraucht wird. Andere wollen die Rohrdurchmesser mit viel technischen und finanziellen Aufwand verringern.

Absurdes Gegenbeispiel: In Voerde braucht nach Angaben der Stadt angeblich nicht gespült werden, jedoch wird gleichzeitig behauptet, dass „zu viel“ Fremdwasser das System durchläuft! Obwohl es noch nie zu irgendwelchen Störungen in der Kläranlage gekommen ist, wurde ein sehr großes Fremdwassersanierungsgebiet geschaffen. Die Bürgerinitiative „Möllener Fair Play“ stellt schon seit mehr als einem Jahr diese Maßnahme in Frage und wehrt sich besonders gegen die Dichtheitsprüfung der nochmals „verschärften Art“, die diese Gebiete mit sich bringen!

Eine kleine Hoffnung, dass das leidliche Thema „Kanal-TÜV“ bzw. „DHP“ oder neudeutsch nun auch „Funktionsprüfung“ genannt, doch noch irgendwann ein „happy end“ für die Bürger in NRW finden wird, gibt es trotzdem: Da sich durch das Wahlergebnis auch die Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Koalitionsparteien zu Gunsten der SPD verändert haben, hoffen viele Gegner der DHP, dass ähnlich wie bei der Diskussion um den mit neuen Einschränkungen geplanten, für viele Menschen dadurch völlig überzogenen Nichtraucherschutz, immer mehr Genossen den GRÜNEN auch hier Paroli bieten werden, um endlich eine pragmatische Lösung im Sinne der BürgerInnen und der Umwelt umzusetzen. Eine solche Diskussion war in der vergangenen Minderheitsregierung aus taktischen Gründen so nicht möglich, sonst hätte diese vielleicht schon eher zu einer Neuwahl geführt!
Die Bürgerinitiativen in ganz NRW werden sich weiterhin fachlich und sachlich gegen die flächendeckende Dichtheitsprüfung und den Alleingang von NRW einsetzen. Dies wurde auch beim letzten gemeinsamen Treffen in Dülmen nochmals manifestiert!
Wichtig aber auch: Dort, wo tatsächlich Probleme erkannt werden, wo nachweislich eine Grundwassergefährdung naheliegt, müssen die Quellen identifiziert und muss gehandelt werden. Das darf aber nicht verdachtsunabhängig und flächendeckend geschehen.

Weitere Information finden Interessierte unter http://alles-dicht-in-nrw.de/ und auf den Seiten der örtlichen BI`s z.B. MFP http://www.webdesign-bergmann.de/MFP/

Presse aktuell: http://www.rp-online.de/niederrhein-nord/dinslaken/nachrichten/kampf-gegen-kanal-tuev-geht-weiter-1.2931852

Autor:

Hans- Peter Bergmann aus Voerde (Niederrhein)

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