Europameisterschafts-Endrunde im Dreiviertelfinaltakt - ein glossiertes Feature aus dem blauen Dunst
Wenn informationskorsettierte Publikationsturni sich nicht mit dem Public Viewing-Faktor vertragen

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Hab ich das alles denn wirklich nur geträumt? Auf jeden Fall kam sie mir recht seltsam vor, diese Biertischrunde mit Wilhelm Kloppert (Biersommelier aus Hamminkeln), Aleksander Čeferin (Uefa-Präsident aus Slowenien), Robin Gosens (Budenknipser aus Emmerich), Heidi Klum (die kennen Sie alle - oder?!) und mir (Förster im niederrheinischen Presse- und SocialMedia-Wald).

Surrealismus beherrscht die Szene: Wir sitzen in einem Freiluftlokal am Rheinufer. Kloppert bestellt  fünf Malzbier, ohne uns zu fragen. Čeferin schielt nervös zur Heidi rüber, als hielte er sie für deplatziert. Aber die Klum fühlt  sich offensichtlich pudelwohl und lächelt ihn frech an. Kann sie auch, angesichts ihrer sensationellen Garderobe! Gosens scheint nur körperlich anwesend zu sein. Ich bin irritiert.

Nachdem die Klum den Uefa-Präsi gefragt hat, wer er sei und ob er was mit Mode zu tun hätte, halte ich den Zeitpunkt für gekommen, von meinen Blattmacherproblemen zu erzählen. "Wisst Ihr eigentlich, wie schwierig es ist, als Wochenzeitung auf die Spieltermine eines großen Fußballturniers zu reagieren?", frage ich vorwurfsvoll. Die Pro7-Schöne und der Čeferin beachten mich gar nicht. Gosens schaut entrückt zu mir rüber, Kloppert lächelt süffisant, als er kontert: "Halt' mal drei Tage meine Braukessel am Laufen - dann weißte, was Stress ist, Junge!"

"Moooment!", sage ich, als Gosens unvermittelt einnickt (nein, kein Tor - er döst!), Čeferin nachdenklich auf seine Krawatte starrt und die Klum plötzlich piepst: "Außenaufnahmen in der Karibik - DAS ist Stress!" Der Kellner mäandert zwischen den Tischen heran, Kloppert nimmt die Malzbiere entgegen und stellt zufrieden fest: "Endlich mal was Gesundes!"

Ich starte einen neuen Versuch: "Achtelfinale am Dienstag Abend, Viertelfinale am Samstag - wie soll man da aktuell berichten? Der Redaktionschluss liegt ja jeweils vor dem Anpfiff, nämlich dienstagsmorgens und donnerstagsnachmittags. Ja Herrschaften, Ihr habt richtig gehört, diese Woche haben wir sogar zwei Ausgaben. Und trotzdem passt das nicht mit den blöden Fußballterminen! Als Wochenzeitung stehste da voll im Abseits!" Auf dieses Sprach-Bild bin ich relativ stolz und erkenne aus dem Augenwinkel bei Gosens eine Gefühlsregung. Kein Zweifel, er schaut mich glasigen Auges direkt an. Dann öffnet er die Lippen. Aber nicht, um zu reden. Er trinkt einen Schluck aus der Malzpulle. 

"Donnerstagsabends läuft immer GNT!", poltert mir die Klum von links ins Ohr. Čeferin sagt irgendwas auf Slowenisch und grinst anzüglich.  Kloppert hat sein Bier schon leer und winkt den Kellner heran. Als er bei uns ist, meint Heidi: "Für mich ein Wasser!" Kloppert blinzelt aggressiv.

"Na jedenfalls", setze ich meine Litanei fort, "brauche ich nächste Woche nicht mehr über die Viertelfinals zu berichten. Am Sonntag ist ja schon Finale!" Gosens hat sein Malz in einem Zug geleert, stellt die Flasche auf den Tisch und sagt mit halbherzigem Elan in der Stimme: "Diesmal gewinnen wir gegen Frankreich!" Die Klum reagiert prompt: "In Frankreich möchte ich auch mal drehen, spielt da nicht der Henry?!" - - "Der is' Co-Trainer bei Belgien!", schlaumeiert Kloppert.

"Leute, Ihr geht mir alle ganz schön auf den Keks!", konstatiere ich gedankenverloren. Čeferin nickt beifällig. "Wir reden hier über ungelegte Eier!", sage ich. Es ist Montag, Deutschland spielt morgen gegen England und meine Zeitung erscheint am Mittwoch. Weder weiß ich, ob wir weiterkommen, noch, gegen wen wir wann genau spielen! Ihr Fußballfunktionäre habt echt keine Ahnung von den Sorgen einer Wochenblattredaktion!" Der Uefa-Mann nickt nochmal beifällig. "Du kriegst heute kein Foto von mir!", meint die Heidi.

Jemand tippt auf meine rechte Schulter. "Ist morgen Sonntag?", fragt Robin Gosens. Wumms - plötzlich bin ich hellwach. Blick in die Runde. Kein Kloppert, kein Čeferin, keine Klum, kein Gosens. Nur ein Fernseher auf einem Schränkchen unter einer Dachschrägen. 
"Meine Güte, denke ich - wo soll das alles enden?"

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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