„Die feinen Zwischenräume der Sprache lernen“- Eugen Drewermann predigte in der St. Vinzentiuskirche

Pfarrer i.R. Hartmur Grajetzky begrüßte Eugen Drewermann in der Harpener Vinzentiuskirche.
  • Pfarrer i.R. Hartmur Grajetzky begrüßte Eugen Drewermann in der Harpener Vinzentiuskirche.
  • hochgeladen von Andrea Schröder

Die St. Vinzentius-Kirche in Harpen füllte sich sehr früh und bis auf den letzten Platz – schließlich hatte sich Eugen Drewermann als Prediger angesagt. Zu den traditionellen Kirchgängern der Gemeinde gesellten sich Christen beider Kirchen aus nah und fern, die von Pfarrer i.R. Hartmut Grajetzky warmherzig begrüßt wurden.

Die musikalische Begleitung lenkte Organist Ernst Arenth gemeinsam mit Jörg Gravenhorst, der mit der Oboe und dem Sopran-Saxophon für die einfühlsamen und stillen Momente des Gottesdienstes sorgte. Zielstrebig führten die Musiker, die Lesungen und die Lieder emotional auf die Predigt von Eugen Drewermann zu. Das „moderne“ Glaubensbekenntnis signalisierte alles andere als „Traditionalismus“.

Der Prediger begann mit Beispielen aus seiner Praxis als Psychotherapeut, erzählte von einer Kirchenmusikerin, deren „Mund zerbrochen war“, von einer Frau, die zum biblischen Text Lukas 11, 14-23, führte. Die mittelalterliche biblische Übersetzung, so Drewermann, hat mit dem Wort „Abergeister“ das „stumm machen“ gemeint: „Das Verschweigen des Kostbarsten was man sagen müsste.“ „Die Vernehmlichkeit aus dem Innern wird zerstört, wenn wir nicht mehr von uns reden dürfen.“ Wie das im Alltag passiert, das erklärte der Prediger nicht nur am Beispiel der zerbrochenen Musikerin, auch Soldaten werden so gebeugt. Es verwundert also nicht, so Drewermann, wenn Politiker Emotionen oder Sentimentalitäten nicht wagen.

„Jesus hat uns zugesichert, dass Gott mit uns reden will. Jeder von uns muss seinen Ton für Gott finden“, so Drewermann weiter, „das ist nicht so wie bei der Obrigkeit – Jesus hat eine Religion des Vertrauens in die Welt gebracht“.
Der „Promipredigt“ folgte im Gemeindehaus eine Diskussion mit „lutherischer“ Deutlichkeit.

Eugen Drewermann speicherte die vielen Fragen aus dem Plenum in seinem Gedächtnis ab und beantwortete sie sorgfältig sortiert. Die deutlichen Antworten von Eugen Drewermann waren so reichhaltig wie eine zweite Predigt: Er beschäftigte sich eingehend mit Sprache: „Das saudämliche Deutsch ist in dieser Gesellschaft gewünscht – die Amerikanisierung der deutschen Sprache führt zu einer gewaltsamen Sprache. Wenn wir die feinen Zwischenräume der Sprache lernen, können Konflikte vermieden werden, mit Sprache sollen Gefühle transportiert werden“, so Drewermann. „Gefühle ohne Sprache geht nicht“. „Die Gewalt der Jugend ist der Ersatz für fehlendes Reden“, so Drewermann weiter, der fehlendes Reden als Tragödie bezeichnet. Sprache ist nach seiner Meinung „das beste Instrument, um Gewalt zu vermeiden – Gewalt ist immer eine Tragödie der Sprachlosigkeit“!
Gegen das „von Amts- oder Staatswegen Recht haben“ ist der Mensch schutzlos, so Drewermann, der an Luther erinnerte, der vor dem Reichstag in Worms standhaft blieb, aber schutzlos war. Systemen – der Obrigkeit – kann man nur widerstehen, wenn man, wie Luther, einen festen Glauben hat. Drewermann schilderte die im ehemaligen Ostblock gängige Praxis, den Systemwiderstand als einen Fall für die Psychiatrie zu sehen. „Der Lügenprophet Jesus wäre heute in absolutistischen Systemen auch ein Fall für die Psychiatrie“, vermutet Drewermann.

Luthers „Priestertum der Gläubigen“ bestätigt Drewermanns kritische Sichtweise zur Amtskirche: „Der Glaube kommt von innen und nicht aus magischen Ämtern“, so Drewermann: „Gott ist unendlich und betrifft alle Menschen.“ Auch für die Frage nach der Zukunft der Religionen hat Drewermann eine klare Antwort: „Wer Jesus begreift, der hebt alle religiösen Unterschiede auf.“

Autor:

Andrea Schröder aus Bochum

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