Ende der „Corona-Ferien“
BürgerReporter-Meinung: Wir haben Euren Job gemacht

Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Verwunderung nehme ich in den letzten Tagen zur Kenntnis, unter welchen Umständen meine Kinder nach monatelangen „Corona-Ferien“ wieder in die Schule gehen sollen:
Zu Beginn der Pandemie wurden die Schulen geschlossen. Heute weiß man, kleinere Kinder sind gar nicht so ansteckend. Egal, Schulen und Kitas zu schließen kostet ja nix.
Inzwischen sind Monate vergangen, in denen Schulministerium, Schul- und Gesundheitsämter und die Schulen selbst Zeit hatten, entsprechende Konzepte zu entwickeln, die einen geregelten Schulbetrieb möglich machen.
Während dieser Zeit haben viele tausend Eltern ihre Kinder zuhause unterrichtet und versucht, sie sinnvoll zu beschäftigen.
Ich persönlich habe meinem 12-Jährigen beigebracht, wie man eine kurze Internetrecherche macht und ein Portfolio erstellt. Ich habe ihn fit gemacht im lateinischen Futur 1, die Romulus und Remus-Sage übersetzt und jetzt weiß ich endlich auch wieder, wie man Brüche in Dezimalzahlen umwandelt....
Mein Sohn und ich sind dabei an unsere Belastungsgrenzen gekommen. Unser Verhältnis hat sichtbar gelitten, denn naturgemäß bin ich eben seine Mutter und nicht seine Lehrerin.
Wie es Eltern ergangen ist, die weniger gebildet, alleinerziehend oder voll berufstätig sind, mag ich mir gar nicht ausmalen.
Jedenfalls waren die letzten Monate hart. Aber wir haben‘s irgendwie gewuppt.
Übermorgen soll das neue Schuljahr beginnen und so langsam wird mir klar, was die, die für die Bildung unserer Kinder eigentlich zuständig sind, in der Zwischenzeit so getan haben, nämlich nichts!
Es gibt noch kein Konzept für den Schwimmunterricht. Damit fängt man jetzt erst an. Es dauert also noch, bis die Kinder wieder Schulschwimmen haben.
Auch die Schulmensa öffnet noch nicht. Sie wurde gerade erst inspiziert und folglich dauert es noch, bis die neuen Hygienestandards umgesetzt werden können. Pech für die Familien, die davon abhängig sind, dass die Kinder mittags in der Schule essen können.
Virologen sind sich einig, dass es extrem wichtig ist, Klassenzimmer lüften zu können, um die Verbreitung von Viren durch Aerosole zu minimieren. An vielen Schulen geht das aber nicht. Da gehen schlicht die Fenster nicht auf. Die Schulverwaltungsämter hatten mehrere Monate Zeit, diesen Missstand zu beheben. Passiert ist nichts. Dafür fehlt mir jedes Verständnis.

Das Schulministerium NRW hat zugesichert, für alle Lehrer und Schüler die technischen Vorraussetzungen für Distanzunterricht zu schaffen. In der aktuellen Schulmail heißt es nun lapidar:
„Das Videokonferenztool des Landes ist leider noch in der Entwicklung und wird laut der Schulmail von heute nicht zum Schulstart zur Verfügung stehen.“
Das bedeutet, im Falle einer neuen Schulschließung werden die Familien genauso alleine gelassen wie zuvor.

Ferner hat das Ministerium versprochen, neue Lehrerstellen zu schaffen, um besser auf die aktuelle Situation eingehen zu können. Dumm nur, dass es gar keine zusätzlichen Lehrer gibt. Die wurden nämlich nicht ausgebildet. Zudem hat man am Lehrberuf Interessierte durch einen absurd strengen Numerus Clausus systematisch ferngehalten. Warum ein angehender Grundschullehrer ein Abiturdurchschnitt von 1,2 haben soll, erschließt sich mir nicht.
Nun soll es also übermorgen wieder losgehen mit dem sogenannten Präsenzunterricht. Am Gymnasium meiner Kinder sind alle Schüler der Klassen 5 bis 9 zur ersten Stunde einbestellt worden. Nicht etwa zeitversetzt. Ich bin jetzt schon gespannt, wie das mit den Abstandsregeln so klappt.
Außerdem werden sie ja nun alle mit Maske im Klassenraum sitzen. Trinken dürfen die Kinder während des Unterrichts auch nicht. Kaum ein Erwachsener würde unter diesen Bedingungen arbeiten. Aber mit Kindern kann man‘s ja machen.

Aber was soll’s, nach der 3. Stunde stehen meine Jungs sicher schon wieder vor der Tür: Hitzefrei.

Kerstin Brand

Autor:

Kerstin Brand aus Bochum

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