Soll ich etwa Ziegelsteine klauen?

Zur heutigen Montagsdemo kamen zwar wenig Teilnehmer, das Thema "Spartipps vom Jobcenter Pinneberg für Hartz IV - Empfänger" sorgte dafür, dass immer wieder mehrere Passanten stehen blieben und aufmerksam zuhörten.

"Heute geht es erneut um Hartz IV, dieses Thema ist immer wieder aktuell. Das Jobcenter Pinneberg gibt in einer Broschüre Spartipps für Bezieher des ALG II. Dabei wird wie ein klassisches Schulbeispiel eine Musterfamilie zitiert, in der alle Voraussetzungen für die Gewährung des ALG II und der berufliche Werdegang des Haushaltsvorstands stimmen. Der Vater der Familie war Industriekaufmann und sucht eine entsprechende Stelle, ihm fehlten aber SAP-Kenntnisse. Die Familie verzichtete eine Woche auf Fleisch, um Kosten zu sparen", leitete einer der Moderatoren die Debatte ein.

"Diese Spartipps sind eine Provokation für die Langzeiterwerbslosen", empörte sich eine Rednerin, "wie soll man denn von 382 Euro Regelbedarf im Monat sparen können? Ich kaufe stets dort ein, wo es am günstigsten ist. Trotzdem habe ich selbst bei ALDI für 50 Euro keinen vollen Einkaufswagen!"

"Von den 382 Euro monatlich für den Haushaltsvorstand einer Bedarfsgemeinschaft muss nicht nur die Ernährung finanziert werden, sondern auch alle anderen wichtigen Lebenshaltungskosten wie Strom, Telefon, Kleidung, Fahrkosten ÖPNV, Rückstellungen für Reparaturen usw. usw. Da reicht das Geld vorn und hinten nicht!", ergänzte ein Redner.

"Wenn das Jobcenter Pinneberg rät, nur selten Fleisch zu essen, wird indirekt zugegeben, dass der Regelbedarf unzureichend ist, denn gutes Fleisch hat seinen Preis", erläuterte einer der Moderatoren, "außerdem wird weiterhin in der Broschüre zugegeben, dass man vom Regelbedarf nicht sparen kann. In diesem Zusammenhang werden Einmalzahlungen wie z.B. für die Erstausstattung einer Wohnung genannt oder Darlehen für zwingend notwendige Bedarfe, z.B. die Reparatur oder Neuanschaffung eines Kühlschranks".

"Solche Sparvorschläge wie das Trinken von Leitungswasser statt Mineralwasser oder die Veräußerung von gebrauchten Möbeln zur Bestreitung des Lebensunterhalts sind nicht neu. Bereits Thilo Sarrazin, der faschistoide Ansichten hatte, hetzte gegen die Erwerbslosen. Es geht auch nicht um die Sparvorschläge des Jobcenter Pinneberg, sondern um die Entrechtungspolitik der Herrschenden und ihren Kampf gegen das Soziale", hieß es in einer weiteren Wortmeldung.

Der andere Moderator fuhr fort: "Thilo Sarrazin hat angeblich zwei Wochen wie ein Hartz IV-ler gelebt und behauptet, mit dem Geld auszukommen. Das ist kein Wunder, weil Sarazin ein eigenes Haus mit voll eingerichtetem Mobilar hatte und ebenfalls Lebensmittelvorräte bunkerte".

Eine Rednerin meldete sich: "Das Bochumer Leitungswasser ist trinkbar, kann jedoch durch veraltete Leitungen stark belastet sein z.B. durch Bleirohre. Kaum ein Hartz IV - Empfänger wohnt in einem Neubau, wo zeitgemäße Wasserleitungen verlegt sind".

"Besonders der Vorschlag vom Jobcenter Pinneberg, bei der Wasserspülung für die Toilette zu sparen, ist absurd. In dem Spülkasten soll ein Stein gelegt werden, damit der Wasserverbrauch beim Spülen der Toilette sinkt. Wo soll ich denn diesen Stein herbekommen?", äußerte sich eine weitere Rednerin und sagte sarkastisch: "Wenn ich einen Ziegelstein auf einer Baustelle klaue, werde ich noch wegen Diebstahls belangt! Ich kann mir als Hartz IV - Empfängerin keinen Stein kaufen!"

Ein Moderator wies darauf hin: "Allein schon aus technischen Gründen ist dieser blödsinnige Vorschlag nicht zu verwirklichen. Die heutigen Spülkästen sind aus Kunststoff und haben bereits eine Wasserspartaste. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, würde ein schwerer Stein im Spülkasten nur zu Schäden führen, aber keinen Kubikzentimeter Wasser sparen! Die Verfasser solcher Sparvorschläge sollten sich erst einmal technische Kenntnisse aneignen, ehe sie einen solchen Unsinn verbreiten!"

Außerdem wies dieser Moderator auf die neuen Vordrucke zur Beantragung des ALG II hin und gab eine Kopie dieser Formulare zur Ansicht an die Montagsdemonstranten weiter.

Nach einem musikalischen Intermezzo wurden das bevorstehende Kandidatentreffen der Bochumer Kandidaten zur Bundestagswahl mit der Bochumer Montagsdemo am 19.8.13 sowie die 9-Jahresfeier der Montagsdemo am 26.8.13 angesprochen. Einstimmig beschlossen die Montagsdemonstranten, ein besonders gestaltetes buntes Flyer für beide Termine herauszugeben. Dieses Flyer soll bereits bei der nächsten Montagsdemo verteilt werden. Dementsprechend lautet das Thema für die Montagsdemo am 5.8.13: Mobilisierung zum Kandidatentreffen am 19.8.13.

Wie immer endete mit der Abschlusshymne die Kundgebung.

Die Moderatoren
Ulrich Achenbach
Christoph Schweitzer

Autor:

Ulrich Achenbach aus Bochum

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