Seit 50 Jahren berät pro familia Bochum
Mehr als Aufklärung

Der Bochumer Ortsverband wurde 1972 nach einer Diskussionsveranstaltung zum §218 ins Leben gerufen .  | Foto: pro familia
  • Der Bochumer Ortsverband wurde 1972 nach einer Diskussionsveranstaltung zum §218 ins Leben gerufen .
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„Eine selbstbestimmte Sexualität und demokratische Beziehungen“, umreißt Dorothee Kleinschmidt von „pro familia Bochum“ das Leitbild des Vereins, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert.

Zwar wurde der Verein pro familia, der sein Tätigkeitsfeld heute mit Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung umreißt, bereits 1952 in Kassel gegründet, aber der Bochumer Ortsverband wurde erst 1972 in der Folge einer Diskussionsveranstaltung zum Paragraphen 218 ins Leben gerufen.

"Muff" war 1972 noch deutlich spürbar

Bald darauf wurde auch hier eine Beratungsstelle vor Ort eingerichtet. Auch wenn sich die Bundesrepublik in vielen Bereichen 1972 bereits vom „Muff“ der fünfziger Jahre befreit hatte, war die damalige Sexualmoral weit von den heutigen Errungenschaften entfernt. „Kondome gab es 1972 nur in Apotheken und die Pille wurde nur an verheirate Frauen verschrieben“, erinnert Beraterin Dorothee Kleinschmidt und ergänzt, „um eine Abtreibung vornehmen zu lassen, mussten Frauen nach Holland fahren.“

Um Themen wie Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, aber auch Aids ist es in den vergangenen Jahren ruhiger geworden. Dafür sind Fragen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität stärker in den Fokus gerückt. Dorothee Kleinschmidt berichtet aus der Praxis: „Transgender kommen heute eher in die Beratung, weil eine Existenz jenseits tradierter Geschlechtsnormen heute nicht mehr so stark mit Tabus belegt ist.“ Ihr ist es wichtig zu betonen, dass auch drei Männer zum Bochumer Beratungsstellenteam gehören.

50 Jahre "pro familia": Es bleibt viel zu tun

Dass sich die Gewichte in der öffentlichen Debatte verschoben haben, heißt jedoch nicht, dass „klassische“ „pro familia“-Themen wie Schwangerschaftsabbruch und Verhütung an Bedeutung verloren hätten, denn auch hier bleibe viel zu tun, wie Dorothee Kleinschmidt verdeutlicht. „Wir setzen uns dafür ein, dass der §218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird und dass die Beratungspflicht aufgehoben wird. Auch muss dafür Sorge getragen werden, dass es genügend Mediziner und Medizinerinnen gibt, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Da mittlerweile viele von ihnen das Rentenalter erreichen, müssen die betroffenen Frauen in Zukunft womöglich weite Wege auf sich nehmen“, macht Dorothee Kleinschmidt auf drohende Schieflagen aufmerksam.
Was Verhütungsmittel betrifft, habe sich in den letzten 50 Jahren vieles zum Besseren entwickelt, doch wichtige Ziele seien nach wie vor nicht erreicht, merkt Dorothee Kleinschmidt an: „Verhütungsmittel sollten generell Kassenleistung sein. Das ist bislang nur für Frauen unter 22 Jahren der Fall.“ – Immerhin stellt die Stadt Bochum einen Verhütungsmittelfonds bereit, aus dessen Mitteln pro familia bedürftige Menschen unterstützen kann.

Veranstaltungen für Schüler

Um das Wissen um Verhütung und gesunde Sexualität weiterzutragen und so auch eine bewusste Entscheidung für oder gegen eigene Kinder zu ermöglichen, führt "pro familia" sexualpädagogische Gruppenveranstaltungen mit Schulen durch – nach wie vor ein wichtiges Standbein der Organisation. „Da geht es um mehr als herkömmliche Aufklärung, wie sie aus dem Biologieunterricht bekannt ist“, betont Dorothee Kleinschmidt. Vielmehr seien gesellschaftliche Zusammenhänge stets mitzudenken. Problematische Paarbeziehungen und psychische Probleme müssen berücksichtigt werden.

Und auch ganz praktische Fragen wie die nach sozialrechtlichen, psychosozialen und finanziellen Hilfen spielen natürlich in Beratungen rund um Schwangerschaft, Geburt und Leben mit Kleinkind eine Rolle. Die Themen werden "pro familia" auch in den nächsten Jahren sicher nicht ausgehen.

Kontakt
- Die Beratungsstelle von "pro familia" an der Bongardstraße 25 ist unter Tel.: 0234/12320 oder per Mail unter bochm@profamilia.de zu erreichen. Telefonisch können Termine vereinbart werden.
- Auch für eine Schwangerschaftskonfliktberatung ist eine vorherige Terminvereinbarung erforderlich.
- Offene Jugendsprechstunden finden dienstags von 13 bis 15 Uhr und donnerstags von 15 bis 17 Uhr statt; Tel.: 0234/683515.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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