„Eine Krankheit der Gesellschaft“ - Lässt sich die Verschwendung in den Küchen vermeiden?

Massenhaft Brot, Obst, Gemüse, Milchpodukte - auf den Mülldeponien landen Lebensmittel in einer unvorstellbaren Größenordnung. Während immer mehr Menschen auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen sind, gibt es auch das pure Gegenteil: Verbraucher, die viel zu viel in den Einkaufskorb packen und später wegwerfen -oft sogar ohne Grund. Foto: Kappi | Foto: Michael Kaprol
2Bilder
  • Massenhaft Brot, Obst, Gemüse, Milchpodukte - auf den Mülldeponien landen Lebensmittel in einer unvorstellbaren Größenordnung. Während immer mehr Menschen auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen sind, gibt es auch das pure Gegenteil: Verbraucher, die viel zu viel in den Einkaufskorb packen und später wegwerfen -oft sogar ohne Grund. Foto: Kappi
  • Foto: Michael Kaprol
  • hochgeladen von Judith Schmitz

Jeden Tag wandern tonnenweise Lebensmittel auf die Müllhalden. Manche Experten rechnen mit einer Quote von 50 Prozent. Bäckern, Bauern und Händler sitzen zwischen zwei Stühlen: Sie müssen mit ansehen, wie ihre Produkte vernichtet werden, wollen aber gleichzeitig die Wünsche der Kunden befriedigen.

„Es ist eine Krankheit der Gesellschaft“, sagt Clemens Matschke. Der langjährige Vorsitzende der Bäckerinnung weiß um die Zwänge. „Es ist in vielen Supermäkten, in denen Bäcker eine Filiale haben, Vorgabe bei Abschluss des Mietvertrages, bis zum Abend frisches Brot vorzuhalten. Und wir werben ja auch damit.“ Am Ende des Tages bleibt zu viel übrig, und Brot vom Vortag kann kaum noch verkauft werden.Die klassische Zwickmühle also.
Die andere Seite der Medaille erleben jeden Tag die Mitarbeiter des Bottroper Tisches. „Der Kreis der Bedürftigen wird immer größer“, sagt Dieter Kruse. An einem Ausgabetag stehen im Durchschnitt 80 Leute vor der Tür, und viele von ihnen holen Lebensmittel nicht nur für sich, sondern für eine mehrköpfige Familie ab.
Bei den Bildern von Lebensmitteln, die täglich in die Container wandern, könnte er heulen, sagt er. Kruse kritisiert - wie viele andere inzwischen auch - das sogenannte Mindesthaltbarkeitsdatum (MHB). Das klassische Beispiel für ihn ist der Joghurt, der auch noch Tage nach Ablauf dieses Datums gut und genießbar sei. Viele Verbraucher jedoch sähen das MHB als Wegwerfdatum an. Dieses Denken ist auch in vielen Köpfen derjenigen, die zum Bottroper Tisch kommen, verankert, weiß Kruse. „Dabei ist es doch ganz einfach: Ich probiere den Joghurt, dann weiß ich, ob er gut ist oder nicht. Man muss die Mentalität der Leute ändern.“
Martin Glanz vom Overbeckshof hat ein paar einfache Tipps auf Lager, wie es möglichst gar nicht erst zum Überfluss im heimischen Kühlschrank kommt. „Man sollte auf gar keinen Fall unorganisiert und mit Hunger einkaufen gehen“, weiß der Koch - auch aus eigener Erfahrung. „Auf jeden Fall eine Einkaufsliste machen.“ Außerdem sollte man nicht gleich für eine ganze Woche einkaufen, rät Martin Glanz: „Das lässt sich schlechter überblicken und planen.“ Manche Dinge, die beim Kochen als Abfall in der Mülltüte landen, könnten noch für richtig leckere Gerichte verwendet werden, erklärt der Küchenchef. Zum Beispiel lassen sich Reste von Möhren, Wurzeln, Petersilie, Knoblauch und Zwiebel prima aufkochen und abseihen. Die daraus entstehende Brühe wird eingefroren und gibt später Soßen den richtigen Pfiff.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum regt auch Martin Glanz auf. „So ein Joghurt ist auch locker vier Wochen später noch in Ordnung. Im Restaurant verwende ich ihn da natürlich nicht mehr, aber als Privatmann verlasse ich mich auf meinen Gaumen und meine Nase“, sagt er. „Dass das alles weggeschmissen wird - unbegreiflich.“ In Deutschland sei die Lebensmittelindustrie inzwischen einfach so hoch gezüchtet, glaubt Glanz. Doch Verschwendung gibt es nicht nur hier. „In vielen arabischen Ländern ist es Sitte, für doppelt so viele Menschen zu kochen wie Gäste erwartet werden. Das gehört einfach zum guten Ton. Als ich in Dubai war, wurden zum Teil ganze Platten mit Meeresfrüchten weggeworfen - unberührt. Da habe ich irgendwann gesagt: Das mache ich nicht mehr mit.“

Massenhaft Brot, Obst, Gemüse, Milchpodukte - auf den Mülldeponien landen Lebensmittel in einer unvorstellbaren Größenordnung. Während immer mehr Menschen auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen sind, gibt es auch das pure Gegenteil: Verbraucher, die viel zu viel in den Einkaufskorb packen und später wegwerfen -oft sogar ohne Grund. Foto: Kappi | Foto: Michael Kaprol
Der Bottroper Tisch versorgt jede Woche viele Menschen mit den notwendigen Lebensmitteln. Während die einen nicht wissen, wie sie über den Monat kommen sollen, wandern jede Menge Lebensmittel in den Müll. Foto: Kappi | Foto: Michael Kaprol
Autor:

Judith Schmitz aus Bottrop

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

9 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.