Vegan? Das ist doch voll ungesund....?

"Wie - du bist jetzt vegan? Dann kannst du ja gar nichts mehr essen, oder?" So oder so ähnlich lauteten häufig Reaktionen in meinem Bekanntenkreis auf meine Entscheidung, mich und meine Familie, bestehend aus Mann und Sohn, fortan nicht mehr vegetarisch, sondern eben komplett tierproduktfrei zu ernähren.

Die Vorbehalte in der Umgebung sind und waren groß. "Was isst du denn dann - Meerschweinchenfutter?" wurde mein Sohn von einer besorgten Mutter in der Schule gefragt.
Und die Schwiegereltern beäugen besorgt bei jedem Besuch den Gesundheitszustand von Sohn und Enkel und bieten "gesunde" Kost in Form von Leberwurst- und Käsebroten, Milch und Eiern an, was aber meist abgelehnt wird.

Seit fast sechs Jahren ernähren wir uns jetzt schon so, nach einer langen vegetarischen Phase (rund 18 Jahre bei mir), und ich fühl mich gut und vermisse nichts. Den Ausschlag gab einerseits das Lesen eines Buches (Vegan. Über Ethik in der Ernährung und die Notwendigkeit eines Wandels - Von Kath Clements), andererseits überhaupt meine gewachsene Offenheit zum Thema Ethik durch meine Beschäftigung mit dem Buddhismus. Plötzlich wurde mir klar, dass durch mein Konsumverhalten durchaus noch Tieren Schaden zugefügt wurde und ich konnte mein Gewissen nicht mehr damit beruhigen, dass durch das Essen von Käse ja kein Tier getötet würde, denn das widerspricht eindeutig den Tatsachen.
So sah ich mich überwiegend im WWW nach noch mehr Informationen und Argumenten für/gegen Veganismus um und wurde fündig, wie z.B. auf den Seiten der PETA, (www.peta.de) oder der Albert-Schweitzer-Stiftung (http://albert-schweitzer-stiftung.de), wo auch eine Menge weiterführender Links, Filme und Infos zum Thema zu finden sind.

Schnell wurde mir auch klar, dass es nicht nur um vegan kontra Tierprodukt ging, das Thema Ethik hat es nämlich in sich. Für mich macht es einen großen Unterschied, ob ich die Billig-Nudeln im Discounter hole oder Vollkorn-Pasta im Bioladen. Und ob ich Kaffee aus dem Sonderangebot kaufe oder Transfair gehandelte Bio-Bohnen. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto weitreichender wird das Thema für mich.

Nach dieser ersten Informationsphase ging es ans Praktische: Wie ernähre ich uns denn nun ausgewogen und machbar? Wie kann ich gewährleisten, dass wir eben keine Mangelerkrankungen bekommen und wo bekomme ich die Zutaten?
Zu meinem Glück machte gerade zu diesem Zeitpunkt ein großer Bioladen in mit dem Fahrrad erreichbarer Nähe auf (OK, machmal nehme ich auch das Auto). Und im Internet findet sich eine wirklich riesige Anzahl an Rezepten und Tipps, so dass ich inzwischen einen großen Fundus an Standard-Rezepten und -Zutaten habe, vollwertig und ausgewogen, mit denen ich in vertretbarer Zeit ein Mittagessen zubereiten kann, das sogar mein Gemüse-kritischer Sohn ohne Murren (meistens jedenfalls) verspeist.

Auf den letzten größeren Familienfeiern gab es ausschließlich veganen Kuchen und abends veganes Buffet und selbst "eingefleischte" Normal-Esser waren mit dem Essen mehr als zufrieden - was will man mehr?

Inzwischen zieht unsere Einstellung Kreise - sowohl in unseren eigenen Leben, denn wir merken immer mehr, dass sich Ethik nicht auf das Essen beschränken lässt, als auch im Bekanntenkreis, wo aus Ablehnung oft Neugierde wird und in einigen Fällen sich zumindest der Fleischkonsum reduziert hat bzw. zeitweise schon ganz eingestellt wurde.

Meine anfänglichen Befürchtungen, mich und meine Familie damit ins gesellschaftliche Aus zu rangieren hat sich zum Glück nicht bewahrheitet, allerdings sind wir auch nicht so ideologisch, dass wir aus Protest eine Feier verlassen würden, wenn es für uns nichts veganes zu Essen gäbe. Zur Not tut es auch mal eine Scheibe trocken Brot und ich hab auch immer eine "Notration" dabei, denn Hunger schlägt mir auf die Laune.
Manchmal bringe ich auch selbst etwas zu Essen mit, z. B. Kuchen, denn ich kann und möchte nicht von jedem verlangen, extra für uns "Spezialkost" zuzubereiten. Viele sind damit erst mal überfordert. Ich merke aber, dass sich trotzdem viele Menschen zumindest gedanklich mit dem Thema auseinandersetzen und sich manchmal erstaunlich viel Mühe geben - vielleicht gerade WEIL wir das nicht verlangen.

Hat vegan sein auch Nachteile? Klar, zumindest finde ich es manchmal schade, dass ich nicht mehr auf Fertigpizza und Co. zurück greifen kann, wenn ich einen langen Bürotag hinter mir habe und meine Familie nach Essen schreit. Dann muss ich mich trotz aller Müdigkeit an den Herd stellen und selber kochen. Und an diversen Festen muss (nein - will!) ich bei vielen Leckereien passen, die ich immer gerne gegessen habe. Wir können auch kaum noch Essen gehen, hier vor Ort gibt es kein einziges veganes Restaurant, in der nächst größeren Nachbarstadt gibt es wenigstens einige wenige Möglichkeiten, aber dazu müsste man erst ins Auto steigen.
Auch bei Essenseinladungen muss ich schon mal absagen, ich habe nicht wirklich was von einem Mittagessen im Balkan-Restaurant oder im Steak-Haus. Ach ja, und vernünftige Schuhe zu finden ohne Leder ist auch nicht immer einfach.

Hat vegan sein denn auch Vorteile? Aber sicher, ich fühle mich gut und behaupte jetzt mal für meine Familie, dass es uns allen so geht, ich habe ein gutes Gewissen und genieße mein Essen viel bewusster als früher, denn ich kann mir relativ sicher sein, dass ich durch meinen Einkauf kein Tierleid gefördert habe. Unser Speiseplan ist abwechslungsreicher geworden, Kochen macht mir mehr Spaß als früher und ich habe etliche neue Zutaten entdeckt, auf die ich sonst wohl nie gestoßen wäre.
Ich kann problemlos mein Gewicht halten, trotz fünf Mahlzeiten täglich, habe super Blutwerte, meine Haut sieht besser aus als früher und ich bin einfach davon überzeugt, dass ich mit dieser Lebensweise das Richtige tue.

Und das fühlt sich ziemlich gut an, was also kann daran ungesund sein?

Autor:

Pia Jung aus Bottrop

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