Glosse: Endstation Jamaika

Benjamin Eisenberg

Der Tag der Deutschen Einheit wirkt irgendwie ironisch – eine gute Woche nach dem Tag der Deutschen Einfalt: knapp 13 Prozent für die AfD bei einer Bundestagswahl.

Gegen Protestwählen spricht überhaupt nichts, aber dann doch bitte eine harmlose Randgruppen-Partei. Warum nicht die friedlichen Violetten? Die hätten auch gut zur CDU gepasst: Merkel sitzt aus und die Violetten meditieren, bis alle Probleme sich gelöst haben.

Doch nachdem Merkel das Land schon ohne einen spirituellen Koalitionspartner in Trance versetzt hatte, dämmerte im Dämmerschlaf dem ein oder der anderen, dass es so nicht weitergehen kann, und jetzt gab es halt den großen Knall. Alle sind verwundert, dabei konnte man die Lunte doch schon zwei Jahre lang brennen sehen. Nun sitzen etliche Rechte im Bundestag – quasi ein Denkzettel der Schande!Früher waren die Rechten einfach nur Arschgeigen mit Glatze und Springerstiefeln, heute haben die Arschgeigen Doktortitel. Wer ist denn da jetzt für die AfD ins Bundesparlament eingezogen? – Staatsanwälte, Richter, Philosophen, Naturwissenschaftler, Mediziner, Wirtschaftswissenschaftler, Banker. Ob sich diese Menschen um die Probleme der Vergessenen und Abgehängten in den Grenzgebieten im Osten kümmern werden? – Wohl kaum.
Erst einmal können Sie sich um sich selbst kümmern und den Abgang von Petry und Pretzell, die eine neue Partei gründen wollen – vermeintlicher Name: Die Blauen. Die Blauen hat es im Bundestag allerdings schon gegeben: Franz Josef Strauß und Rainer Brüderle. Na, dann viel Erfolg!

Die SPD hatte das schlechteste Ergebnis ever und zuvor reichlich negative Wahlkampfhilfe vom Altbundeskanzler. Schröder ist Schulz zweimal in die Parade gefahren. Zuerst die Meldung über seinen Aufsichtsratsvorsitz beim Energie-Konzert Rosneft, womit er – wie soll man sagen? – Öl ins Feuer gegossen und damit die Debatte um seine zweifelhafte Russland-Connection angeheizt hatte. Folge: Schulz in Erklärungsnot. Dann dominierte er wenige Tage vor der Wahl die Schlagzeilen mit seiner neuen koreanischen Flamme. Folge: Schulz im Hintergrund. Wer solche Parteifreunde hat, weiß wahrscheinlich am besten, wie wichtig die Erneuerung der Partei ist. Hätte er mal früher die Nahles auf ihn losgelassen – frei nach den Ärzten: Immer mitten in die Fresse rein! Na, dann viel Erfolg, liebe SPD!

Weil die SPD der neuen Rechten nicht die Deutungshoheit in der Opposition überlassen will, geht sie selbst dorthin, und Merkel bleibt nur eine Schwampel. Weil das schon wie das Kurzwort aus schwammig und Gehampel klingt, nennt man es lieber Jamaika. Das hört sich irgendwie relaxter an, dürfte aber doch nur faule Kompromisse bringen: eine Obergrenze für Windräder, Verbrennungsmotoren für Flüchtlinge, Steuersenkungen für Waldorfschüler, Cannabis-Legalisierung für Hedgefonds-Manager und keine Waffenexporte mehr nach Saudi-Arabien, stattdessen – die Grünen setzten sich durch – nur noch Bio-Waffen in den Jemen und E-Panzer nach Afghanistan. Außerdem: Hartz-IV-Auszahlung nur noch auf PayPal-Konten (digital first!). Na, dann viel Erfolg, Frau Bundeskanzlerin!

Aber ist es klug, einer Koalition den Namen eines Landes zu geben, das für seine sozialen und wirtschaftlichen Probleme bekannt ist? Schon der Wahlspruch des Landes dürfte der die rechte Flanke schließen wollenden CSU nicht gefallen: „Aus vielen (Völkern) ein Volk“. Na, dann viel Erfolg, Herr Seehofer!

Vielleicht wird die Kanzlerin zukünftig ja auch nach einer nur auf dieser Karibikinsel lebenden Vogelart benannt, die sich zur Orientierung bestens auf die vorgegebenen Sichtweisen einstellen kann: die Jamaikaeule. Deren scharfe Krallen sind übrigens gelb. Na dann, viel Erfolg, liebe Grüne!

Nä. Solo-Live-Termine:
07.10.2017 - Memmingen - PiK
19.10.2017 - Hannover - TAK
26.10.2017 - Reutlingen - Franz K.
29.10.2017 - Dinslaken - Alte Apotheker

www.benjamin-eisenberg.de

Autor:

Benjamin Eisenberg aus Bottrop

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