Trauer um Nguyen Huu Phung

Mit ihm stirbt ein Stück Geschichte – Das Friedensdorf ist in tiefer Trauer um den jahrelangen ehemaligen stellvertretenden Dorfleiter und bis ins hohe Alter engagierten Mitarbeiter Nguyen Huu Phung.

Oft spricht der Volksmund, dass ein Stück Geschichte mit verloren gehe, wenn ein Mensch uns verlässt. Mit dem Tod von Herrn Nguyen Huu Phung geht aber mit Sicherheit mehr als die eine oder andere Anekdote verloren.

Der gebürtige Vietnamese kam schon 1960 nach Deutschland, damals in die DDR. Nachdem er bereits in Vietnam studiert hatte, setzte er seine formelle Ausbildung in Potsdam fort und wurde Diplomat. In einer hochpolitischen Zeit, sowohl in Vietnam, Deutschland und dem Rest der Welt definierte Phung in Bonn seinen eigenen philosophischen Blick auf die Welt. Am 26. Januar 1976 fand er den Weg ins Friedensdorf, zunächst als Betreuer für die damaligen vietnamesischen Dorfbewohner. Schließlich wurde er ständiger stellvertretender Dorfleiter im Friedensdorf.

Der vielleicht freundlichste und gerechteste Mensch, den man sich vorstellen kann, konnte vehement politische, inhaltliche, pädagogische, kulturelle Diskussionen führen. Er konnte sich streiten und versöhnen und nie vergaß er dabei, den Kindern ein Lächeln zu schenken oder ein Rätsel zu stellen, oder sie einfach nur mit ihren Sorgen und Ängsten ernst zu nehmen. Als die politischen Verhältnisse sich 1975 endgültig in Vietnam änderten und das Land sozialistisch wurde, war es auch Phung, der den vietnamesischen Schützlingen, die in Deutschland verbleiben mussten zu dem ausländerrechtlichen Status verhalf, der von offizieller Seite für eine Integration notwendig war. Kein Mensch hat wohl das Ausländergesetz und das Betreuungsgesetz so sehr verinnerlicht wie Phung.

Im Alter von 80 Jahren starb Phung am 14. Juli nach schwerer Krankheit in einem Krankenhaus in Dinslaken. Auch, wenn er in den letzten Tagen vor Schwäche kaum zu sprechen vermochte, die letzten Fragen, die er seinen Freunden, Familienangehörigen und Mitarbeitern immer wieder stellte waren intelligent und zeugten von seinem glasklaren Verstand, der ihm bis zuletzt erhalten blieb.

Phung war eine Institution, belesen, intelligent, anerkannter Übersetzer der deutschen und vietnamesischen Sprache, rechtsgelehrt und auch ein bisschen chaotisch. Aber vor allem war er liebenswert.
Die Feste wusste Phung zu feiern wie sie fielen: 20 Jahre Aufenthaltstitel, 15 Jahre Ernennung als Übersetzer, 10 Jahre Anhörung vor dem Petitionsausschuss über eine Klausel im Ausländerrecht. Einen Grund seine Kolleginnen zu einem Sekt einzuladen hatte Phung stets bis wenige Wochen vor seinem Tod. Wann immer es die stark angeschlagene Gesundheit erlaubte, fuhr er mit dem Bus zur Ortsmitte und wartete auf die “Postfahrt” um ins Büro zu kommen. Nie wollte er jemandem zur Last fallen und half doch wo er konnte. Bis wenige Wochen vor seinem Tod arbeitete Phung im Konsulardienst des Friedensdorfes, kümmerte sich um die ausländerrechtlichen Belange der Schützlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten der Welt. Langjährige Wegbegleiter erinnern sich an nächtelange Diskussionen mit dem kleinen, freundlichen Mann, der stets ein passendes Zitat oder Sprichwort wusste.
Friedensdorf-Leiter Thomas Jacobs erinnert sich an bewegende 33 gemeinsame Jahre, entscheidende Jahre für den Fortbestand des Friedensdorfes.

Besonders in den achtziger Jahren, als Phung nicht nur einmal die Geschicke des Friedensdorfes als kommissarischer Leiter leiten und lenken musste.
Die Familie, das Friedensdorf, die Mitarbeiter, die Kinder, die ehemaligen Dorfbewohner, die vielen Freunde – alle sind unendlich traurig.

Autor:

Ana Lange aus Dinslaken

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