Wundersame Wandlung

Fotograf Roger Sponheimer, Bildbearbeitung Doris Sponheimer
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Müde und abgespannt verließ er sein Büro. Eilte zu seinem Wagen, öffnete die Tür, setzte sich hinein und startete den Motor. Mit quietschenden Reifen fuhr er los, wollte dem Wahnsinn des Alltages entrinnen. Zum nahe gelegenen Park, um dort seine abendliche Runde zu drehen. Dies tat er jeden Tag, bevor er nach Hause zu Frau und Kindern fuhr.

Er genoss diese halbe Stunde Zeit für sich. Schlenderte in Gedanken versunken die Wege entlang. Die Welt um ihn herum wirkte wie ausgestorben. Keine Menschenseele weit und breit. Er liebte die abendliche Stille, und mit jedem Schritt fiel der Druck seines harten Jobs von ihm ab. Befreit straffte er seine Schultern, atmete tief die würzige Frühlingsluft.

Er dachte an die bevorstehenden Feiertage, an denen er endlich wieder Zeit für seine Familie hatte. Frau und Kinder planten bereits seit Wochen bis ins kleinste Detail jede freie Minute. Verwandtenbesuche, Ausflüge und einen großen Brunch, wie jedes Jahr. Tagelang wurde schon dekoriert und Wünsche geäußert. Selbst die beiden Kleinen waren bereits im Osterfieber und wussten genau, was der Osterhase bringen sollte. Vom Fahrrad bis zur neuesten Spielkonsole fehlte nichts auf ihrem Wunschzettel.

Er war drauf und dran ihnen zu sagen, dass es keinen Osterhasen gebe und er alleine für die Wunscherfüllung zuständig sei. Heute würde er Tacheless reden und seinen Kindern nüchtern das Leben erklären. In diesem gab es weder den Osterhasen, noch das Christkind oder den Nikolaus.

Ein Blick auf die Uhr, noch gute zwanzig Minuten Zeit für sich und seine Gedanken. Erneut blickte er sich um. Betrachtete die Blumenrabatte mit ihren farbenprächtigen Frühlingsboten, die ersten Knospen an den Bäumen und einen Forsythienstrauch.

Er fühlte sich in seine Kindheit versetzt. Leise Wehmut durchzog ihn. Übermächtig überfiel ihn die Erinnerung an seine Kindertage. Sah vor seinem inneren Auge die Zweige voll mit bemalten Ostereiern in der großen alten Bodenvase seiner Eltern. Selbst gebackene Osterlämmer und wie er mit leuchtendem Blick den Garten nach Nestern und Eiern absuchte. Sich wie ein Schneekönig über den kleinen Schokoladenhasen mit dem Glöckchen freuen.

Tief atmete er ein. Kehrte zurück aus seinen Kinderträumen. Nun wusste er was er tun würde. Genau!

Er nahm sein Taschenmesser, schnitt einige Zweige von dem Strauch. Ihm war es egal, ob dies erlaubt war oder nicht. Ein Lächeln erhellte sein Gesicht. Drehte auf dem Absatz um und eilte zu seinem Auto.

Zügig fuhr er zum nächsten Supermarkt. Dort kaufte er Unmengen von Eierfarben, Stiften, Klebebildchen und Zubehör für Osternester. Süßigkeiten und Hasen in Goldpapier mit besagtem Glöckchen. Auf dem Nachhauseweg hielt er noch bei einem kleinen Bauernhof und kaufte frisch gelegte Eier von glücklichen Hühnern.

Er war sicher, dieses Jahr würde Ostern mit ihm und dem Osterhasen stattfinden, so wie früher. Direkt morgen würde er mit seinen Kindern Eier ausblasen, kochen, bemalen, bekleben, Fäden einziehen und den Strauß in der alten Bodenvase seiner Eltern schmücken. Wie früher.

Er würde am Ostermorgen in aller Herrgottsfrühe Osternester, Eier und die Schokoladenhasen im Garten verstecken, seine Kinder wecken und ihnen vom Osterhasen erzählen. Er würde sich über die strahlenden Gesichter und das aufgeregte Geschnatter seiner Kinder freuen. Wie seine Eltern früher.

An diesem Abend sah man im Park hinter dem Forsythienstrauch einen Hasen hocken, der zufrieden vor sich hin lächelte.

wünscht Doris Sponheimer

Autor:

Doris Sponheimer aus Düsseldorf

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