Stadtbummeleien und allerlei Gedanken...

Manchmal, wenn das Herz in Unruhe geraten ist, ist es heilsam, wie ein Steppenwolf durch die Großstadt zu laufen. Dabei ist es gut, ziellos umher zu irren – immer auf der Suche nach Nahrung. Hunger nach Liebe will gestillt werden.

Sie hat sich nicht sonderlich her gemacht – trägt schmuddelige Turnschuhe zu einer wattierten Jacke und ihr Haare liegen schon lange nicht mehr. Ungekämmt wirkt sie stets ein wenig ungepflegt – aber das tut ihrer Schönheit keinen Abbruch. Die Männer bleiben manchmal am Wegesrand stehen und gaffen ihr mit offenen Mündern nach, weil sie üppig proportioniert ist.

Gedanken ziehen durch ihren Kopf und bestimmen ihr schnelles Tempo durch die Stadt. Sie betrachtet die großen U-Bahnschächte, die im Rohbauzustand ihr zu Füßen liegen und sie denkt an ihren kürzlich stattgefundenen Arbeitskreis. Einmal monatlich trifft sie sich mit ihren pädagogischen Kollegen zum Austausch.

An diesem Abend hatte sie die These vertreten, es habe ihr ein Leben lang Freude bereitet schöne Männer zu lieben. Ja, sie habe eigentlich nur schöne Männer geliebt und das sei es auch, was sie an den Männern liebe – die Schönheit und sonst nichts. Ja, aber ob die Männer denn nicht auch intelligent sein müßten, wurde sie gefragt. Nein, meinte sie, intelligent sei sie selbst und das brauche sie nicht nochmal. „Da sieht man es mal wieder – dumm fickt gut !“, schrie spontan eine Kollegin. Alle schauten betroffen in die Runde...Und sie schämt sich im Moment dafür, das sie an jenem Abend nur betroffen schwieg - bei dieser Steilvorlage ! Soll sie es nochmal ansprechen ? Der U-Bahnschacht im Rohbauzustand gibt keine Antwort.

Sie passiert die U-Bahn-Baustelle und geht schnellen Schritts Richtung Rhein. Hier kommt sie an einen großen Platz, wo ein türkisches Freundschaftsfest stattfindet. Sie setzt sich vor die Bühne und während sie den Kinderchören lauscht, schweifen ihre Gedanken ab zu ihrem Lebensgefährten. Ihre Freundinnen meinen, er sei eine „Schnutebacke“ - ja, recht haben sie, sinniert sie tiefsinnig beim türkischen Kindergesang.

Sie fragte sich immer schon, warum sie ihn so heiß und innig liebt. Sie kam nicht drauf, bis zu dem Moment, wo ihre Freundin beiläufig meinte "Der ist ne Schnutebacke". Ja, das ist die Lösung des Rätsels - sie liebt ihn, weil er eine Schnutebacke ist. Er ist süß und begehrenswert, obwohl er schon auf die sechzig zugeht. Er weiß Bescheid um seine Wirkung auf Frauen und genießt die Bewunderung. Monatlich besucht er einmal seine Tochter und deren Mutter und jedes mal löst das bei der Protagonistin der Geschichte tagelange Unruhen aus. Wird er mit der Mutter seiner Tochter irgendwann wieder zusammen kommen und sie abschieben ?

Tränen tropfen ihr in den Döner und sie weiß, das sie weiter gehen muß, weiter, weiter, damit die Unruhe aus ihrem Körper weicht, damit ihr Verstand hier vielleicht hilft, das emotionale Vakuum in den Hintergrund zu rücken.

Sie ist so einsam, so unendlich liebesbedürftig – erlebt es aber mit einem Mann, von dem sie nur im Hier und Jetzt zehren kann. Sie haben keine gemeinsame Perspektive. Und diese Perspektivlosigkeit macht sie oft sehr traurig. Dann läuft sie wie ein Steppenwolf durch die Stadt – immer auf der Suche nach Nahrung. Sie hat so viel Hunger nach Liebe.

Letztlich wird sie – wie immer – eine große Portion Spaghetti vertilgen und sich Gedanken machen über ihre Gewichtszunahme.

Am Ende des siebenstündigen Stadtaufenthaltes verweilt sie noch lange bei einem Gitarrenspieler, der genauso singt, wie Tracy Chapman – es ist ergreifend, ihm zuzuhören. Tränen der Rührung laufen ihr über das Gesicht und sie stellt mit Freude fest, das sich um den Sänger ein großer Kreis von Zuhörern gebildet hat.

Das Leben ist schön, vergessen sind mobbende Kolleginnen, vergessen sind Schnutebacken, vergessen ist die traurige Stimmung. Ein ganzer Tag in der Stadt mit Aufenhalten in diversen Kaffeehäusern und Museen – alleine mit sich genossen – das ist etwas ganz besonderes und macht die Seele am Ende des Tages sehr leicht....

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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