Neues Buch des Geschichtsvereins vorgestellt
"Nur das nackte Leben"

Emmerich. „Das Thema ist aktuell in Nachrichten. Viele kämpfen auch heute um das nackte Überleben“, sagte Herbert Kleipaß, Vorsitzender des Emmericher Geschichtsvereins, anlässlich der Vorstellung des Buches „Nur das nackte Leben“ von Gisela und Norbert Kohnen. Die Beiden haben die in fünf Leitzordnern abgeheftete Korrespondenz Herbert Schüürmans mit ehemaligen jüdischen Mitbürgern und deren Nachfahren sortiert, gelesen und daraus ein rund 100-seitiges Buch verfasst. Es enthält kurze Inhaltsangaben der ca. 750 Briefe und Karten. Die Mitglieder des Geschichtsvereins, die zuvor ihr Interesse bekundet hatten, erhalten das Buch gratis, ansonsten ist es zum Selbstkostenpreis für 15 Euro im Rheinmuseum erhältlich.
Ursprünglich war nur ein einfaches Verzeichnis der Briefe für das Schüürman Archiv im PAN vorgesehen, das von der Bürgeraktion Pro Kultur im Auftrag der Stadt Emmerich verwaltet wird. „Pro Kultur soll das Erbe von Herbert Schüürman hüten“, sagte Pro Kultur-Vorsitzende Irene Möllenbeck in dem Pressegespräch im Rheinmuseum.
„Als wir die Briefe durchgelesen haben und die kurzen Zusammenfassungen in PC und Laptop tippten, da wurde uns erst so richtig bewusst, welchen Schatz an Lebenserfahrungen wir da vor uns hatten. Und wir fanden, dass dieser Schatz es wert sei, einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht zu werden, und so reifte der Plan, eine kommentierte Edition daraus zu erstellen“, so Co-Autor Norbert Kohnen. Herbert Kleipaß hatte dann die Idee, eine englische Version des Buches auf die Homepage des Geschichtsvereins einzustellen. Das Ehepaar Kohnen übersetzte das Buch und legte es George Nathan in Atlanta/USA zur Korrektur vor. Gerne und akkurat widmete er sich seiner Aufgabe. Eine Herausforderung stellten die unterschiedlichen Handschriften dar, in die sich die Autoren hineinlesen mussten: „Manchmal war die Schrift so klein, dass wir ein Vergrößerungsgerät zu Hilfe nehmen mussten“, so Gisela Kohnen.
Der Titel des Buches ist einem Zitat von Thea Nathan, einer Überlebenden des Holocaust, entnommen, geschrieben in Elmhurst/USA am 28. Juni 1948 an ihre ehemaligen Nachbarn in Emmerich: „Man hat uns alles genommen, nur das nackte Leben haben wir gerettet.“ Die Briefe spiegeln dramatisch verlaufene Lebensläufe, Sorgen, Existenzängste, große und kleine Tragödien. Aufgerollt wird das jüdische Leben in Emmerich, das in den 30er Jahren von zunehmender Diskriminierung, Schikanen, Ausbeutung, Ausgrenzung und zuletzt Flucht auf z.T abenteuerlichen Wegen gekennzeichnet war. Die Briefe erzählen vom unmenschlichen Alltag im Getto Riga, aber auch von der Rettung durch die Weißen Busse und einem oft beschwerlichen Neuanfang im Exil. Einige blickten im Zorn auf Emmerich zurück und wollten mit ihrer Heimatstadt nichts mehr zu tun haben. Nicht so Felix und Regina Nathan aus Anniston/Alabama. Sie bedankten sich 1961 beim damaligen Bürgermeister Pieper für die Glückwünsche zur Goldhochzeit und schrieben: „Wir sind stets noch mehr als 100 % mit unserem lieben Emmerich verbunden.“
Die Briefe sind eine Lektüre, die unter die Haut geht und wohl niemanden gleichgültig sein lässt gegenüber dem Schicksal der Emmericher Juden. Einige haben auf den letzten Drücker das Land, ihr Land, verlassen, weil sie einfach nicht glauben konnten und wollten, welch' mörderische Gefahren ihnen drohten.
Auf dem Bild von links Gisela und Norbert Kohnen, Herbert Kleipaß und hinten Irene Möllenbeck und Konrad Flintrop (Layout). Foto: Pro Kultur

Autor:

Bürgeraktion Pro Kultur aus Emmerich am Rhein

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