Vom „Schlaglochparcours“ zur „Rennstrecke“ Aus der BV: Die Anwohner der Landsberger Straße werden zur Kasse gebeten

Die Anwohner der Landsberger Straße sehen es mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Einerseits wird endlich der schon berüchtigte „Schlaglochparcours“ ein Ende haben. Der Zustand hatte sich immer weiter verschlechtert, gefährdete Autos und Fußgänger. Andererseits werden die Anlieger nun zur Kasse gebeten.

Nach Abschluss der Kanalbaumaßnahme der Stadtwerke soll nun die Fahrbahndecke der Landsberger Straße von der August-Thyssen-Straße bis zur Arndtstraße wiederhergestellt werden. Im Zuge einer Begehung wurde festgestellt, dass auch Gehwege, Parkstreifen und Baumbeete erneuerungswürdig sind.
Den Fußgängern sollen breitere Gehwege, den Autofahrern ein geordnetes Parken und dem alten Baumbestand breitere Baumbeete angeboten werden. Die Verwendung der Oberflächenmaterialien und die 14 neuen Baumpflanzungen sollen den Gesamteindruck der Straße aufwerten. So weit, so gut.
Die Planungen zur Sanierung der Landsberger Straße begannen Anfang 2015, nun soll noch 2016 mit der Maßnahme begonnen werden. Die Gesamtkosten werden mit 1,5 Millionen Euro für den reinen Straßenbau und 250.000 Euro für die Beleuchtung, also insgesamt Millionen Euro, beziffert.

Beitragspflicht der Anlieger

Das Bauvorhaben löst eine Beitragspflicht der Anlieger nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) aus. Hierbei werden die für die Baumaßnahme entstehenden Kosten unterschiedlich aufgeteilt:
Für die Fahrbahn zahlen die Anlieger 40 Prozent, bei der Oberflächenentwässerung werden die Kosten geteilt, für Gehweg und Straßenbegleitgrün werden die Anlieger 60 Prozent übernehmen müssen. Die Summe dieser Beiträge beträgt demnach an der Landsberger Straße zunächst 720.000 Euro.

Nach § 8 KAG haben die Gemeinden das Recht, zum Ersatz ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen Beiträge als Geldleistungen zu verlangen. Bei Straßen, Wegen und Plätzen gilt dies auch für deren Verbesserung, nicht aber für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung.

Bei den Anwohnern löste dies Proteste aus: Erboste Bürger hatten der Bezirksvertretung geschrieben, sahen das Verursacherprinzip nicht genügend berücksichtigt: „Der extrem schlechte Zustand der Straße ist drauf zurück zu führen, dass sich die Kanalsanierung über viele Jahre hingezogen hat. Die Fahrbahndecke wurde dabei wiederholt geöffnet und geschlossen. Als Anwohner haben wir unter den langwierigen Provisorien gelitten - nun sollen wir zusätzlich für die Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes zur Kasse gebeten werden!“
Auch die fehlende Bürgerbeteiligung wurde moniert, durch die teilweise Verbreiterung und fehlende Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung würde die Straße eine „Rennstrecke“ und noch attraktiver für Schwerlastverkehr und als „Abkürzung“ zur August-Thyssen-Straße. Durch die Arbeiten der Kanalerneuerung seien auch private Grundstücke durch Schwergeräte und Materiallager nachhaltig zerstört und nur notdürftig wiederhergestellt worden.

"Im Interesse der Anwohner"

Bei der Sitzung der Bezirksvertretung stand Rainer Wienke, stellvertretender Fachbereichsleiter beim Amt für Straßen und Verkehr, Rede und Antwort: „Die Straße ist von 1961 und stand schon länger auf unserer Liste. Sie wieder in ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen, liegt ja auch im Interesse der Anwohner. Daher ist es ein ganz normaler Vorgang, dass sie finanziell beteiligt werden. Es handelt sich ja nicht um eine Bundes- oder Landesstraße. Die Summe wird sich noch verringern, da landwirtschaftliche Flächen nicht beitragspflichtig sind. Die Stadtwerke hatten Leitungsbau angemeldet, deswegen wurde unsere Maßnahme verschoben. Die Gräben werden nur provisorisch verschlossen und das dort eingesparte Geld mindert weiter den Beitrag der Anwohner.“
Bezirksbürgermeister Dr. Michael Bonmann hakte nach: „Warum wurden die Anlieger nicht im Vorfeld angeschrieben und mussten es aus der Zeitung erfahren?“
Die Antwort ernüchterte: „Hier besteht für die Eigentümer eine Holschuld, für Informationsschreiben haben wir einfach nicht genug Personal, diesen Service können wir nicht bieten.“

"Nicht transparent"

Holger Ackermann hatte ein inhaltliches Problem: „Mir scheinen die Bürger-Beiträge intransparent und zu hoch – da wurden die Kosten für die Stadtwerke niedrig gerechnet.“
Ebenfalls nicht zu durchschauen schien die Summe für Gabriele Kipphart, die wissen wollte, nach welchem Schlüssel denn berechnet würde. Ein Mix aus Grundstücksgröße und Nutzbarkeit, also Geschosszahl, bestimmt den Faktor.
Auf die vielleicht nicht so üppig gefüllte Geldbörse mancher Hausbesitzer wies Michael Nellessen hin: „Im Prinzip freut sich Jeder darüber, dass die Straße endlich gemacht wird, aber es gibt da einen Wermutstropfen, die Kosten. Gibt es eine Möglichkeit in Raten zu zahlen, damit nicht eventuell Rentner ihr Haus verkaufen müssen?“
Ähnlich dachte Hans Joachim von Hesler-Wirtz: „Eine gewisse Vorwarnung über die Höhe der entstehenden Kosten wäre schon nötig, damit man sparen kann.“
Auch hier konnte Rainer Wienke die bittere Wahrheit nicht ersparen: „Es vergehen manchmal mehrere Jahre zwischen Beschluss und Rechnung, die endgültige Bausumme und auch Beiträge stehen noch nicht fest, die Kollegen könnten höchstens unverbindliche ‚Pi mal Daumen‘-Schätzungen abgeben. Allerdings können Zahlungen für einen gewissen Zeitraum gestundet werden“

Brückenzoll?

Die Antworten konnten nicht beruhigen, so entfuhr einer erregten Zuhörerin: „Was ist mit dem Verursacherprinzip, was mit dem Schwerlastverkehr?“ Sie hatte einen Vorschlag zur Refinanzierung: „Dürfen wir jetzt Brückenzoll erheben?“
Das Gelächter war ihr zwar sicher, die Vorlage wurde aber einstimmig angenommen, die Bezirksvertretung IX beschloss somit die Planung.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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