Krayer Katze verzaubert vom Gevatterseemarathon

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Die Zahl 11 verbinden wir ja häufig mit Karneval, mit fröhlichem Unsinn, mit Ein-bisschen-bekloppt-sein. Was liegt da näher, als sich für den 11. Marathon etwas Besonderes rauszusuchen, was man so schnell nicht vergisst?
Ein bisschen bekloppt bin ich tatsächlich geworden, als mir erkältungsbedingt der Bonn-Marathon durch die Lappen ging. Bei der grimmigen Suche nach Ersatz in der Woche darauf stieß ich durch Zufall auf einen mir gänzlich unbekannten Lauf, der am 16. April 2016 bereits zum 61. Mal ausgetragen wurde und einen reichlich interessanten Namen trägt: Gevatterseemarathon.
Nicht minder interessant der Name des Veranstalters – „Jobst von Palombini“ klang für mich erst wie der Name eines Zauberkünstlers - und erst das ganze setting: HÖCHST(!)-Teilnehmerzahl: 24 Läufer; Startgebühr: 5 Euro. Ja, wo gibt’s denn sowas? Nach kurzer Kontaktaufnahme zum Veranstalter (prompte und sehr freundliche Antwort „… kann Dich auch vom Bahnhof gerne abholen!“) über die Homepage offiziell angemeldet und auf nach Niedersachsen!
Ein bisschen bekloppt hielten mich wahrscheinlich auch Familie und Freunde, denen ich von meinem Vorhaben berichtete und ein bisschen bekloppt kam ich mir ja selber vor, als ich Samstag früh um kurz nach 6 auf meinen ICE Richtung Bielefeld wartete - nicht ohne Nervenkitzel, durch seine Verspätung gerieten meine Anschlusszüge in Gefahr!
Auf der Fahrt hatte ich genug Zeit mich noch ein bisschen bekloppter zu machen: Was müssen das für Leute sein, die mitten in der Pampa offenbar nicht das erste Mal „für sich“ einen Marathon laufen? Normale Laufverrückte oder schon eher Wahnsinnige? Na ja, immerhin war ich laut Teilnehmerliste ja schon mal nicht die einzige Frau am Start - damit tröstete ich mich über alle Zweifel, ob das Ganze nicht eine grandiose Schnapsidee war, die mich vielleicht sogar dank Zugausfällen, Baustellenverspätungen und sonstigen Wirren nicht mal pünktlich bis nach Bückeburg führen würde, aaargh!
Glücklicherweise hatte die DB letztlich ein Herz für Läufer und brachte mich zwar verspätet aber heil nach Bückeburg. Am Start durfte ich feststellen, dass ich lange nicht die am weitesten Gereiste dieses Morgens war: Ein Läufer kam aus Flensburg, ein weiterer war am Abend zuvor aus Esslingen/ Baden-Württemberg angereist. Der Veranstalter aber hat eine ganz besondere Anreise: Sein Eltern- und Wohnhaus liegt schräg gegenüber dem Start und Zielplatz.

Startpunkt ist ein Gully-Deckel
Unkonventionell erfolgten nun das Begleichen der Startgebühr und die Startnummernvergabe (mündlich, da nur relevant für die nummerierten Becher an der Verpflegungsstelle auf der Strecke).
Laut Ankündigung auf der Homepage sollte der Start um 10:00 Uhr erfolgen. Als ich frage, wo denn genau der Startpunkt sei, bekomme ich von den „alten Hasen“ (die meisten der gemeldeten 18 Läufer sind schon zum x.-ten Mal hier, aber es gibt mit mir an diesem Morgen insgesamt sensationelle 4 Starter-Novizen) die Antwort: „Da vorn, da ist das Startschild!“ – „Häh? Ich lese da ja nirgendwo START!“ – „Nö, das Vorfahrtsschild da hinten, direkt am Gully-Deckel!“ – „Aha!“
Nach dem Start sind ein Auftaktstück von 250m und darauf 10 Runden à 4,195km zu laufen, die Strecke sei leicht markiert, heißt es, aber Auftaktstück und die erste Runde würden auch gemeinsam gelaufen. Das klingt kurz vor Start (natürlich ohne Schuss, mal will weder die ländlichen Nachbarn noch die interessante Tierwelt verärgern, darunter zwei nistende Storchenpärchen, in der Nähe und ein mitlaufendes, kompakt-kleines Hunde-Kraftpaket, von dem ich hinterher durch das Herrchen erfahre, dass es heute bereits seinen 61. Marathon gelaufen ist!) ein bisschen anders: „Na, wir laufen solange zusammen, wie es halt geht!“ – und, zack, nimmt Jobst schon die Beine in die Hand und ich habe meine liebe Mühe mitzuhalten. Ja, in mir steigt sogar Panik auf: mit meinem Orientierungssinn endet das hier und heute wahrscheinlich irgendwo in Bielefeld, weil ich mich verlaufen werde, ganz sicher, Hilfe!

„Markierungen? Welche Markierungen?“
Diese Panik ist natürlich letztlich unbegründet. Ich frage mich zwar immer noch im Nachhinein, wo genau denn diese Markierungen zu finden waren, aber irgendwann habe selbst ich die wunderschöne Strecke zwischen Rapsfeldern, entlang des Gevattersees und weiterer kleiner Seen, durch Waldstücke und über Forstwege verinnerlicht und freue mich daran, dass die Strecke komplett asphaltfrei und dadurch sehr gelenkschonend ist. Nur eine einzige Stelle durchbricht immer wieder meine Gedanken, die in all der Natur und dem vielen Vogelgezwitscher wunderbar zur Ruhe kommen: Mehrere tiefe Ganzjahres-Matschpfützen erfordern Konzentration und Slalom, verständlich, dass die Homepage im Winter auf Spikes verweist!
Beim Lauf kommen einem bekanntlich die unmöglichsten Dinge ins Hirn, zwischen Runde vier und sieben (sehr motivierend einen Lauf mal in 10er-Runden zu portionieren! „Jetzt die letzten 3 Runden!“ klingt viel besser als „Boah, immer noch keine 30 km auf dem Tacho!“) , packt mich wie schon oft die Westentaschen-Lauf-Philosophie: Ich fange an mich mit dem Namen des Laufs zu beschäftigen: Gevatterseemarathon, tap tap tap, Gevattersee, tap tap tap, Gevatter… Mit dem „Gevatter“ verbinden wir ja meist das Ende unseres Lebenslaufs. Wieviel Ähnlichkeit hat so ein Marathon mit unserem Leben! Nach der anstrengendsten, manchmal aber schönsten letzten Runde nimmt uns Gevatter Tod an der Ziellinie erschöpft und hoffentlich glücklich in Empfang. Wahrlich unser Weg ist das Ziel!

Sportliche Ergebnisse
Außerdem denke ich dankbar darüber nach, warum es mir so viel leichter fällt, einen Marathon zu laufen als für mich alleine auch nur einen 35er. Liegt es an den Mitläufern vor und hinter mir, mit denen Du stets gut ins Gespräch kommst, aber auch dann gerne weiter deinen Stiefel laufen kannst? Oder an der tröstenden Gewissheit, dass - egal, wie lange Du unterwegs bist (die Homepage informiert: „Zeitlimit: 5:30h + Toleranz des Veranstalters“) - Dich zum Schluss jemand im Ziel abklatscht? Ich weiß es nicht. Auf alle Fälle kommt die sportliche Leistungen hier auch nicht zu kurz: Jobst von Palombini überholt mich zweimal, nicht ohne jedes Mal fürsorglich zu fragen, ob alles im Lot ist, und wird mit 03:41:54 Stunden klar erster der Männer. Schnellste Frau an dem Tag, die offenbar einen schön gleichmäßigen Trainingslauf gemeinsam mit dem Gesamtzweiten Michael Kiene absolviert hat, ist in 04:04:30 Stunden Sylke Kuhn. Ich kann mein Glück nicht fassen, einmal unter die Top 10 eines Marathonlaufs gekommen zu sein und belohne mich mit magischen 42 Minuten (plus 4 Stunden - alle Ergebnisse unter http://www.jobstvonpalombini.de/)
Nach dem Lauf geht es in das gemütliche Bauernhofcafé, das wir in jeder Runde sehen konnten (wobei es uns auch unterwegs an nichts mangelte: Wasser, Cola, Bananen, Salzstangen und Kekse, in Hülle und Fülle! Am Verpflegungsstand erklärte sich dann auch die Angabe der Höchstteilnehmerzahl: Exakt 24 nummerierte Becher passen in das Gestellt der Getränkestation, die umweltfreundlich jeden unnötigen Müll vermeidet). Ich genieße es (mit meinen nunmehr niedlichen 11 Marathons) zwischen all diesen freundlichen Haudegen zu sitzen (von denen der eine bereits eine Nachtschicht hinter sich hat und sich mit dem Lauf auf die kommende Nachtschicht vorbereitet, viele Teilnehmer über hundert oder mehr Marathons/ Ultras gelaufen sind und der Veranstalter Jobst an dem Tag sogar 651 dieser auf dem ‚Kerbholz‘ hat) und ihrem Läufer-Latein (Achtung, Wortwitz: im wirklichen Leben ist der der Veranstalter einschlägiger Pauker) zu lauschen, das von so vielen schönen weiteren Veranstaltungen berichtet, die es noch zu erlaufen gilt: Unter anderem den „Idaturmmarathon“, ebenfalls regelmäßig im Jahr von Jobst organisiert. Davon später einmal mehr, ich komme gerne wieder!

Wer ist hier bekloppt?
Ach ja, zurück zum Ausgangspunkt: Beim Schreiben dieser Zeilen schaue ich immer mal wieder in die Live-Übertragung des „Hamburg-Marathons“ und frage mich bei den Bildern einer komplett abgeriegelten Stadt, riesigen Läufermassen und unglaublichen Müllbergen: „Wer sind hier eigentlich die wahren Bekloppten?“. Ein Urteil will ich mir nicht anmaßen, festhalten nur: „Zauberkünstler“ Jobst von Palombini hat hier ein wahrlich zauberhaftes Kleinod erschaffen, das man wärmstens empfehlen kann, danke!

Wibke Harnischmacher, TC Kray 1892 e.V., 17.04.2016

Autor:

Ralf Schuster aus Essen-Steele

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