Kulturkampf zwischen Kunst und Hund
Vom Nutzen und Nachteil einer Wiese im Moltkeviertel

Ein Gespenst geht um im ach so beschaulichen und bürgerlichen Moltkeviertel in Essen. Das Gespenst heißt Kulturkampf. Gekämpft wird um Worte, um Begrifflichkeiten und um Definitionen. Und ein Gespenst ist es, weil es nicht zu existieren hat, weil es Gespenster nicht gibt, aber es gibt diesen überflüssigen Streit um Worte. Und es geht auch um Macht.

Am Moltkeplatz in Essen existiert eine große, grüne Wiese, dort gab es bis jetzt Menschen, Hunde und Kunst (genauer gesagt: Skulpturen). Hunde und Menschen bewegten sich dort bislang frei, das heißt, Hunde und Menschen waren folglich nicht durch Hunde-Leinen bzw. Menschen-Leinen miteinander verbunden. Menschen wie Hunde schauten sich die Skulpturen an, erfreuten sich an ihnen, ärgerten sich über sie oder ignorierten sie, die Skulpturen, noch nicht einmal.

Die Wiese hieß seit vielen Jahren Hundewiese und war Wiese für hundeaffine Kunstfreunde, hundehassende Kunstfreunde, kunstaffine Hundefreunde und kunsthassende Hundefreunde, selbstgendernd ebenso für alle mit jenen Nomina kombinierbaren Freundinnen der Hunde und der Kunst.

Nun verlangen die Kunstaffinen (m/w/d), dass Hunde und ihre BesitzerInnen nicht mehr frei auf der Wiese herumlaufen, sondern nur noch durch eine Leine verbunden. Dann ist es keine Hundewiese mehr, dann ist es noch eine Wiese plus Skulpturen. Das meint jedenfalls der Verein, der die Skulpturen mag und sie wunderbarst pflegt – genauer gesagt der Vorsitzende des Vereins. Der Verein hat ungefähr 200 Frauen und Männer zur Mitgliedschaft. Ob die Frauen und Männer aus dem Verein alle die gleiche Ansicht zu den Hunden in dem Kulturkampf haben, ist so sicher nicht. Und ja, der Verein bzw. sein Vorsitzender begründen ihre Meinungen damit, dass die Hunde, nein genauer gesagt, die Männer und Frauen, die mit den Hunden dort rumlaufen, die Skulpturen beschädigen. Das sehen die Frauen und Männer mit den Hunden freilich ganz anders.

Irgendwann hat der Verein, genauer der Vorsitzende des Vereins, ein Schreiben an die Bezirksvertretung geschickt mit der Forderung, die Hundewiese abzuschaffen. Die Bezirksvertretung ist zuständig für den Stadtteil, in dem die Wiese sich befindet. Die Bezirksvertretung hat sich bald versammelt, der Vereinsvorsitzende war auch auf der Versammlung und hat machtvolle, alles auf den Punkt bringende Folien an die Wand eines großen Rathaussaals geworfen, um darzulegen, was die Hunde, besser die Menschen mit ihren Hunden früher bereits an den Skulpturen beschädigt hatten. Die Bezirksvertretung hat darauf hin entschieden, dass es so nicht weitergeht und deshalb künftig auf der Wiese die Hunde an die Menschen - bzw. umgekehrt - geleint werden müssen. In der Bezirksvertretung sitzen Menschen aus vielen wichtigen Parteien, einige Parteimenschen waren sich nicht ganz grün bei dem Thema.

Die Menschen mit den Hunden finden das nicht gut, jene sind traurig, vielleicht auch sauer, manche gar böse, weil man ihnen nur einen in ihren Augen schlechten Ersatz für die große Wiese anbietet. Sie wünschten, dass alle Menschen in dem Bezirk einmal zu dem Thema befragt werden, das nennt man Bürgerbegehren. Aber das hat nicht geklappt. Manche Hundemenschen sind jetzt noch trauriger, saurer und böser und beschimpfen die Leute aus dem Verein maximal aggressiv. Das geht gar nicht und ist allerschärfstens zu verurteilen.

All das ist legal, aber nicht legitim. Die Beschimpfungen und Beleidigungen von Seiten der Hundemenschen sind in keiner Weise legitim, aber auch das beharrliche, humorfreie, in manchen Augen und Ohren arrogante Vorgehen der geringen Zahl von Skulpturenmenschen, die sich anmaßen, einen Platz für ihre Zwecke umzuwidmen, der für alle Menschen und Tiere zugänglich ist, ist illegitim.

Für sämtliche Beteiligten in der Causa gilt: ein solcher Kulturkampf ist angesichts der massiven Probleme, die es in diesem Stadtteil, in dieser Stadt, in diesem Bundesland, in diesem Staat gibt, absurd, von Hybris geprägt und beleidigt den Menschenverstand.

Autor:

Frank Hirsch aus Essen-Süd

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