Heilung oder Humbug?

Gibt es sie wirklich, die totale Erleuchtung? Foto: dib
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Die Anzahl an religiösen Gruppierungen, ideologischen Gemeinschaften und „Einzeltätern“, die mit sektenähnlichen Strukturen vorgehen, ist kaum überschaubar. 227 sind der SektenInfo NRW an der Rottstraße bekannt. Der Beratungsbedarf steigt stetig, weiß Vorsitzende Sabine Riede

Im vergangenen Jahr wurden 450 Menschen intensiv betreut. In 85 Fällen musste zusätzlich eine juristische Fachberatung hinzugezogen werden.
Der ungebrochene Bedarf an Beratung ist in 2010 gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent gestiegen.
Seit 27 Jahren existiert die Anlaufstelle. Stetig muss um Spendengelder gebangt werden. „Wir leben in der Hoffnung, dass es auch künftig weitergeht“, sagt Sabine Riede.
Der „Markt“ wird immer unübersichtlicher. Während der Fokus früher auf wenige Gruppierungen lag, sind mittlerweile immer mehr Einzelpersonen und Kleinstgruppen aktiv, so die SektenInfo. Oftmals erkennt man nur sehr schwer, dass es sich um eine ideologische oder religiöse Gruppe handelt.
Das Perfide: Während die SektenInfo NRW sich regelmäßig um Spendengelder bemühen muss, können religiöse Gruppierungen und ideologische Gemeinschaften scheinbar ungehemmt und finanziell unabhängig agieren.
Die SektenInfo NRW beantwortet kostenlos Anfragen und Bitten um Rat und Hilfe.

Ansprechpartner auch in der katholischen Kirche

Und auch die Kirche kann helfen. Gary Lukas Albrecht:
„Wir sollten als Kirche stets vorsichtig mit Kritik Andersglaubenden gegenüber sein und uns stattdessen mehr denn je um eigene Glaubwürdigkeit bemühen. Denn aufgrund der Missbrauchsfälle durch Priester wurde viel Porzellan zerschlagen und Vertrauen verspielt“, sagt Pfarrer Albrecht. Er ist Sektenbeauftragter der katholischen Kirche des Bistums Essen.
Im Gespräch mit dem STADT SPIEGEL betont er darüber hinaus, dass es ihm nicht darum geht, als Sektenbeauftragter Betroffene aus einer Sekte herauszuholen, sondern aus kirchlicher Sicht vor den Problemen zu warnen, die auftreten können, wenn Menschen in eine Sekte eintreten wollen. Albrecht geht es vor allem um sachliche und vorurteilsfreie Aufklärung. Essen unterscheidet sich in diesem Kontext nicht sonderlich von anderen deutschen Großstädten. Sorgen bereiten ihm vor allem einige christlich-fundamentalistische Freikirchen - besonders aus Schwarzafrika und den USA -, die sich rasant ausbreiten. Darüber hinaus ist der große Bereich der Esoterik, der sich in viele Kleinstgruppen und bedenkliches Wirken von Einzelpersonen aufteilt, eine weitere Herausforderung für die Gesellschaft und die Kirchen. „Die Esoterik boomt in Deutschland mit einem Jahresumsatz von 10 bis 12 Milliarden Euro“, so Albrecht. Die Gründe, weshalb immer mehr Menschen sich statt zu den Kirchen zu anderen religiösen Gruppierungen hingezogen fühlen, liegen für den Sektenbeauftragten klar auf der Hand. „Der Mensch ist unheilbar religiös, aber eben nicht mehr automatisch kirchlich gebunden. Viele Menschen – auch Jugendliche - fühlen sich mit ihrer persönlichen Freiheit überfordert, suchen deshalb jemanden, der sie leitet und möglichst schnelle und einfache Lösungen vorgibt.“ Das ständige Auf-der-Suche-Sein, der Zwang, sein Leben ständig den immer weiter wachsenden Anforderungen einer globalisierten Welt anzupassen, macht Leute anfällig für Gruppierungen mit scheinbar einfachen Antworten. „Mitunter wird in solchen Gruppen ein zweiter vermeintlicher Messias oder Guru präsentiert, der vorgibt, als einziger den richtigen Weg zum Heil zu kennen, wenn man ihm bedingungslos folgt“, warnt Pfarrer Albrecht, betont aber auch, dass „jeder Mensch, der sein Heil in destruktiven Kulten oder Sekten sucht, auch eine ernsthafte Anfrage an die Kirche wegen ihrer möglichen Versäumnisse ist“.
Wer die Hilfe der SektenInfo in Anspruch nehmen möchte, die Telefonnummer lautet: 0201/ 234646.

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Pfarrer Gary Lukas Albrecht ist Sektenbeauftragter der katholischen Kirche Essen
Autor:

Michael Hoch aus Düsseldorf

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