Buchfinken im Winter
Änderung des Zugverhaltens aufgrund des Klimawandels

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Der wissenschaftliche Name des Buchfinken  lautet  Fringilla coelebs. Fringilla steht für Finken und  in coelebs (=ehelos) steckt der gleiche Wortstamm wie in Zoelibat, was suggeriert, dass Buchfinken unverpaart leben. Dieser Name ist aber  genauso irritierend wie meine Beobachtung auf dem Terrassenfriedhof.
Der wissenschaftliche Name wurde dem hübschen Finkenvogel vom schwedischen Naturforscher Carl von Linne´ (1707 - 1778) gegeben. In seiner Heimat beobachtete er nämlich, dass  Buchfinkenmännchen im Winter größtenteils in Schweden  blieben, während die Weibchen  in weiter südlich gelegene Regionen auswichen. Deshalb erschienen ihm die Männchen im Winter ehelos. Es passt also höchstens der Begriff  Winterzölibat.
Da Buchfinken aber  meist sowieso in monogamer Saisonehe leben und sich in jedem  Frühjahr neu verpaaren, macht dieser vermenschlichende Begriff  eh wenig Sinn.

Auf dem Terrassenfriedhof, wo die hier gezeigten Aufnahmen in der letzten Woche entstanden, ziehen die Buchfinken zur Zeit  in einem  lockeren Trupp umher. In diesem konnte man noch etliche weibliche Vögel beobachten. Dies verunsicherte mich, weil ich gelesen hatte, dass die Weibchen und Jungvögel aus unseren Breiten eigentlich schon im September nach Südwesteuropa  geflogen sein müssten.
Allerdings  erwiesen sich auch diese  Annahmen als verkürzt und  nicht mehr aktuell.
Nachlesen ergab nämlich, dass Buchfinken in unseren Breiten sowohl Standvögel mit kurzen Streuwanderungen als auch Teilzieher sein können. Teilzieher heißt, dass ein Teil einer Population - wie Standvögel- im Brutgebiet verbleibt, während der andere am Vogelzug teilnimmt.
Es hieß immer, Weibchen würden  zu weiterem und rascherem Abzug als Männchen tendieren, weshalb mancherorts nur Männchen zu sehen wären.  Dies erschien schlüssig, , weil die Männchen im Frühjahr so schneller wieder ihr angestammtes Revier besetzten konnten, wenn sie sich nicht allzu weit vom alten Brutort entfernten.
Dieses unterschiedliche Zugverhalten der Geschlechter hat sich in den vergangenen Jahrzehnten, wahrscheinlich aufgrund des Klimawandels mit  milderen Wintern,  geändert und erklärt meine Beobachtung auf dem Terrassenfriedhof.

In den meisten Fachbüchern versucht man, das Zugverhalten der Vogelarten in  nur ein oder zwei Sätzen zusammenzufassen, was beim Buchfink aber unmöglich ist, weil zudem auch Buchfinkenmännchen aus Nordskandinavien, Russland und dem Baltikum bei uns überwintern. Die  hier gezeigten Buchfinkenmännchen können also zum Teil  aus Nord- oder Osteuropa stammen und das Geschlechterverhältnis verzerren. Man kennt das Phänomen vom Rotkehlchen, wo die Vögel, die wir im Winter sehen, nicht unbedingt dieselben wie die des Frühjahrs und Sommers sein müssen.
Das Zugverhalten der Buchfinken unterliegt also in Zeiten des Klimawandels  einer fortlaufenden stärkeren  Veränderung. Die Angaben in den Fachbüchern sind deshalb meist verallgemeinernd , verkürzt und nicht mehr aktuell.
Genauso wie es bei uns Menschen nicht die Alten, die Ausländer oder die Impfverweigerer gibt, gibt es auch beim Zugverhalten nicht die Buchfinken. Eine differenzierende Betrachtung unter Berücksichtigung der Veränderungen, die der Klimawandel bewirkt, ist hier angeraten! Bei über zwei  Millionen Bruchfinken allein in NRW dürfte es aber gar nicht so leicht sein, deren Zugverhalten im Einzelnen zu verfolgen. :-))

Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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