Kindergesundheitsmobil: "Was macht Ihr denn da?..."

Staatssekretärin Ulrike Flach besuchte das Kindergesundheitsmobil in Essen (v.l.n.r.): Dr. Ophoff (Ärztin des Gesundheitsamtes Essen), Thomas Römer (Stadt Essen), Staatssekretärin Ulrike Flach, Christian Bäcker (McDonald’s Kinderhilfe Stiftung), Michaela Schalk (Projektleitung Kindergesundheitsmobil). | Foto: privat
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  • Staatssekretärin Ulrike Flach besuchte das Kindergesundheitsmobil in Essen (v.l.n.r.): Dr. Ophoff (Ärztin des Gesundheitsamtes Essen), Thomas Römer (Stadt Essen), Staatssekretärin Ulrike Flach, Christian Bäcker (McDonald’s Kinderhilfe Stiftung), Michaela Schalk (Projektleitung Kindergesundheitsmobil).
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Warum steht das flippige Fahrzeug wöchentlich auf dem Frohnhauser Markt…

Immer wieder mittwochs, von 10 bis 14.30 Uhr, wartet auf dem Markt ein Hingucker. Bunt, breit. Davor, auf dem Boden, liegen, stehen Sportgeräte. Ab und zu fassen sich Kinder oder Erwachsene ein Herz. Krabbeln die paar Stufen rauf in den Wagen. Oder sie sprechen die Leute vor dem Riesen-Kasten an: „Was macht Ihr da?“

Die großen Lettern „Kindergesundheitsmobil“ auf dem Bus springen ins Auge. Der fahrbare Riese ebenfalls mit seinen mächtigen Maßen: 8 m lang, 2,5 m breit. Außerdem 2,5 m hoch ist der Kofferaufbau, der auf das Chassis des18 t LKW aufgesetzt ist.

Einige Treppen hoch, schon bin ich in der guten Stube, mitten in der heimeligen Wohnküche. Gemalte Kinderbilder schmücken die Wände. Eine Sitz-Bank mit farbigen flauschigen Kissen fällt auf – wie die Kinderkuschelecke, Beamer mit Leinwand. Frisches Obst laden zum Naschen ein.

Hinter der nächsten Tür befindet sich ein Untersuchungsraum mit Sehtest-, Hörtestgerät, Waage, Messlatte. Potz Blitz – eine nackte Puppe…Michaela Schalk, Leiterin vom Projektbüro Kindergesundheitsmobil, schmunzelt. „Die Organe der Lehr-Puppe sind herausnehmbar. Wenn es im Magen bei den Kindern grummelt, können wir ihnen den Magen zeigen. Ebenfalls der Kopf ist abnehmbar; das Gehirn können wir untersuchen. Spielerisch ganz nett. Vertrauensbildend…!“

Hört sich gut an. Das „Kindergesundheitsmobil“ ist blutjung. In der Anfangsphase – muss wachsen. „Einzigartig in Deutschland; in Essen. Ein Pilotprojekt“, bestätigt Schalk. Kennenlernen - ist der Bumerang. Seit Wochen fährt der Bus mit Team wie Sozialpädagogen, Arzt, an bestimmten Wochentagen Kindertageseinrichtungen, Familienzentren und Marktplätze an: Altenessen, Frohnhausen, Katernberg, Kray, Stadtkern Bochold. Sogenannte Brennpunkte. Projektträger sind die Stadt Essen, der Deutsche Kinderschutzbund Essen, die Mc Donald’s Kinderhilfe Stiftung.

Verlässliche Netzwerkpartner sind willkommen. „In Kindergärten, Schulen finden wir erst mal Zugang. Hilfe wollen wir allen Kindern und Eltern anbieten“, verdeutlicht die Projektleiterin. Alles ist kostenlos: Beratung, Tipps und mehr. „Wir wollen weiterhelfen. Vielleicht hat der kleine Max Interesse am Sportverein. Wo ist der nächste Verein? Wir begleiten Mutter, Vater, Kind.“ Picke-packe-voll ist der „Bus-Bauch“: Mit Entspannungsmethoden, Ernährungsinformation, Bewegungsmöglichkeiten, Gesundheitsinformation, Umwelterziehung, ärztlichen Aktionen. Angewiesen sind wir vom Input des Stadtteils. Alle Angaben tippen wir ein, werden ausgewertet, um sie dann umzusetzen, damit wir noch effektiver arbeiten können. Wir sind für alle da.“

Keinesfalls will das Modell eine Konkurrenz zu niedergelassenen Ärzten sein. Anna Herzog, Ärztin, skizziert: „Die U-Untersuchungen sind ein grobes Raster. Zwischen U8 und U 9 liegen 18 Monate. So bemerken wir bei der Einschulung häufig unerkannte Schwerhörigkeit und Sehstörung.“ Warum? „Das kann sich teilweise sehr schnell entwickeln. Ein Punkt: Die Kinder wachsen; es verändern sich auch die Augen, das Gehör…“ Sie zählt ein weiteres Manko auf: „Wir bemerken, dass die Kinder sich schlicht zu wenig bewegen. Die motorische Ungeschicklichkeit nimmt zu. Anders als vor 10 – 20 Jahren. Ferner – eine zunehmende Anzahl an übergewichtigen Kindern. Regelmäßige Mahlzeiten und selbst Kochen ist sehr wichtig.“

Angetan vom Kindergesundheitsmobil zeigt sich Klaus Persch, Bezirksbürgermeister: „Ich werde das Projekt in der Bezirksvertretung vorstellen, um es bekannt zu machen. Das gibt Multiplikatoren im Stadtteil.“ Zustimmung der Kinderbeauftragten Lydia Sommer und Susanne Groppe: „Wir machen auf Festen gezielt Eltern auf das Projekt aufmerksam; nehmen Flyer mit, verteilen sie in Geschäften, Apotheken.“

Fragen an Michaela Schalk, Projektleiterin

Laufzeit
Die Pilotphase des Projekts ist auf drei Jahre angelegt. Die ersten sechs Monate von September 2012 - Februar 2013 gelten dabei als Startphase.
Von Anfang an wird das Projekt von einer qualitativen wie quantitativen Evaluation durch das Bremer Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung GmbH begleitet.

Kostenpunkt
Wir können Aussagen zu den tatsächlichen Kosten erst nach dem ersten Betriebsjahr treffen. Wir rechnen allerdings mit rund 380.000 Euro pro Jahr.
Welches Klientel will man besonders erreichen und womit?
Das Kindergesundheitsmobil ist offen zugänglich für Kinder aller Altersklassen und deren Eltern. Wir wollen für alle vertrauensvoller Ansprechpartner sein. Unser Fokus liegt aber auf der Altersgruppe 0-10 Jahre.

Welche Angebote laufen im Mobil außer Backen, Kochen, Beweglichkeit – für Kinder oder auch Erwachsene?
Mit erlebnispädagogischen Maßnahmen trägt das Kindergesundheitsmobil zur Gesundheit der Kinder bei. Wir bieten folgende Bausteine an: Gesundheit, Ernährung, Umwelt, Entspannung und Bewegung. Hier werden beispielsweise Bewegungsspiele anbieten, die Kinder mit viel Spaß an sportliche Aktivitäten heran führen. Durch unterschiedliche Anforderungen fördern wir verschiedene bewegungsmotorische Fertigkeiten wie z.B. den Gleichgewichtssinn, körperliche Fitness, Ausdauer sowie die Koordination von Bewegungsabläufen.
Wie gesagt haben wir auch einen Arzt, der stets auf dem Mobil mitfährt. Dieser hat alle Kompetenzen eines Kinderarztes des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes (kurz KJGD). Darunter fallen primäre, sekundäre und tertiäre Präventionsmaßnahmen wie Impfberatungen, das Feststellen von Entwicklungsverzögerungen und auch die Überführung in die Regelmedizin und die sozialen Hilfsangebote. Kurz gesagt: Geht es um gesundheitliche Beratung und Prävention, steht das Kindergesundheitsmobil den Kindern und ihren Eltern zur Verfügung. Wenn Leistungen erforderlich werden, die darüber hinausgehen, werden wir die kleinen Patienten an die niedergelassenen Kinderärzte überweisen. Dieser übernimmt die weitere Diagnostik und Behandlung.

Warum ungünstige Zeiten - wenn Kinder die Schulbank drücken?
Neben der offenen Beratung bieten wir auch Gruppenberatungen an, die zusammen mit einer Einrichtung wie Kinder- und Familienzentren themenspezifisch erarbeitet werden. Dann sind wir natürlich während der „Schulzeit“ vor Ort.
Wir sind mit dem Kindergesundheitsmobil aber auch nachmittags unterwegs beispielsweise dienstags am Krayer Markt, donnerstags am Katernberger Markt oder freitags im Stadtkern am Weberplatz.

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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