Bundeswehr hilft in Gelsenkirchen bei der Corona-Kontaktnachverfolgung
Soldaten im Hilfseinsatz

Zur Mittagspause kommen die Soldaten jeden Mittag nach Ückendorf, um bei der Freiwilligen Feuerwehr Löschzug 18 ihr Essen einzunehmen.  | Foto: Gerd Kaemper
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  • Zur Mittagspause kommen die Soldaten jeden Mittag nach Ückendorf, um bei der Freiwilligen Feuerwehr Löschzug 18 ihr Essen einzunehmen.
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In den 65 Jahren ihre Bestehens hat sich die Bundeswehr deutlich gewandelt. Früher diente sie der Landes- und Bündnisverteidigung, heute gehören Einsätze in aller Welt ebenso zu ihren Aufgaben wie solche in internationalen Katastrophengebieten und eben auch die nationale Krisenvorsorge. In der Corona-Krise versehen derzeit 30 Soldaten ihren Dienst im Gelsenkirchener Gesundheitsamt unter der Leitung von Klaus Mika, dem Leiter des Referats Gesundheit der Stadt.

Ein Pulk von Soldaten in Tarnuniform ist schon ein seltsamer Anblick mitten in Gelsenkirchen. Aber wie man früher über die Polizei sagte „Dein Freund und Helfer“, so kommen nun die Soldaten als unsere Freunde und Helfer, denn sie entlasten die städtischen Mitarbeiter aus Gesundheitsamt und Verwaltung bei der Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten.
„Seit der Oder-Katastrophe im Jahr 2006 ist das Problem bekannt, dass ein ziviler Krisenstab nicht über Bundeswehrsoldaten verfügen kann, weil es kein Direktionsrecht gibt. Doch die Überflutungen machten die Hilfe der Soldaten notwendig und so entstand die Idee jedem Oberbürgermeister oder Landrat ein Kreisverbindungskommando zuzuordnen, bei dem er im Notfall auf zehn Soldaten zurückgreifen kann“, erläutert Thomas Barth, der stellvertretende Leiter des Kreisverbindungskommandos Gelsenkirchen. „Das ist ganz unbürokratisch zu lösen. Der Oberbürgermeister greift zum Telefon, ruft Axel Stuckmann, den Leiter des Kreisverbindungskommandos an und sagt: Es brennt. Wie kann die Bundeswehr helfen?“
Das Kreisverbindungskommando (KVK) macht Vorschläge, was die Soldaten für Aufgaben übernehmen könnten und der Krisenstab der Stadt stellt Hilfeleistungsanträge. „In Gelsenkirchen sind inzwischen fünf Hilfsleistungsanträge über uns nach Düsseldorf und von dort nach Berlin eingereicht worden. So wurden aus den anfänglich zehn Soldaten inzwischen 30 und es gibt bereits die Verlängerungen der Einsatzzeiten“, berichtet Barth.
Etwas weniger als die Hälfte der hier eingesetzten Soldaten sind in hiesigen Hotels untergebracht, der Rest ist im heimnahen Einsatz und kann im eigenen Bett schlafen. Alle gemeinsam haben sie aber neben der Tätigkeit für das Gesundheitsamt auch das gemeinsame Mittagessen, das ihnen vom Löschzug 18 der Freiwilligen Feuerwehr in Ückendorf täglich kredenzt wird. Die Freiwilligen Feuerwehrler haben Erfahrung mit dem Zubereitung von Speisen, weil sie die Versorgungseinheit der Gelsenkirchener Feuerwehr bilden.
Oberstleutnant der Reserve Axel Stuckmann lobt: „Die Versorgung durch die Feuerwehr läuft völlig reibungslos.“ Und so treffen sich jeden Mittag gegen 12 Uhr die Soldaten in Ückendorf ein, um in einem speziell aufgebauten Zelt Corona-konform verpflegen zu lassen. Natürlich mit einer Waschgelegenheit für die Hände, reichlich Desinfektionsspray und Bierzeltgarniturtischen, die jeweils nur von zwei Leuten besetzt werden, um den Abstand sicher einhalten zu können.
„Freitags gibt es immer Fisch“, erzählt Oberfeldwebel Daniel Kranz, der seit mittlerweile vier Wochen seinen Dienst in Gelsenkirchen versieht und zu einer Art informeller Führer der Gruppe geworden ist, wie Oberstabsfeldwebel der Reserve Pit Bilitz erläutert. Für Kranz ist dieser Einsatz gar nicht so ungewöhnlich.
„Ich war 2015 während der Flüchtingskrise in Dortmund im Einsatz bei „Helfende Hände“. Dem ist das hier gleichzusetzen, auch wenn das Aufgabenspektrum nun ein anderes ist, aber es ist zu bewältigen“, erzählt Kranz, der aus Datteln kommt und ansonsten in der Glückauf-Kaserne in Unna verortet ist.
Bei der telefonischen Kontaktnachverfolgung hat der Oberfeldwebel bisher die Erfahrung gemacht, dass „die Bürger sehr aufgeschlossen sind, auch wenn viele bereits früher mit einem Anruf gerechnet hatten. Aber sie sind in der Regel sehr dankbar, weil man ihnen nun Hilfe bringt.“
Rund 200 Telefonate werden pro Tag geführt, wobei jedes ein wenig anders ist. „Einige dauern fünf, andere 35 Minuten. Wenn wir merken, dass es erforderlich ist und jemand Rede- oder Erklärungsbedarf hat, dann nehmen wir uns die Zeit, die es braucht. Und wir können auch manchen Unmut besänftigen, indem wir den Leuten die Problematik erläutern.“
Zur Vorbereitung auf die Aufgabe wurden die Soldaten drei Tage lang geschult, um das Computerprogramm zu beherrschen und die Arbeitsabläufe kennen zu lernen. Dazu haben sie einen Fragenkatalog erhalten, den sie nun in den Gesprächen abarbeiten.
Ausgewählt wurden die Soldaten, die im Alter zwischen 18 und 30 Jahren sind, durch eine Abfrage nach ihren Erfahrungen mit der PC-Ausstattung und danach, ob sie als kommunikativ erachtet werden. „Wir haben auch ein oder zwei türkischstämmige Soldaten hier und zwei mit serbo-kroatischen Wurzeln. Das ist sehr hilfreich bei den Telefonaten“, schildert Oberstleutnant der Reserve Axel Stuckmann. „Die Dienstgrade reichen von Mannschaftsdienstgraden über Unteroffiziere bis zum Feldwebel.“
Als „Mutter der Kompanie“ fungiert der Spieß Oberstabsfeldwebel der Reserve Pit Bilitz, der übrigens Gelsenkirchener ist und im zivilen Leben bei Gelsendienste beschäftig ist. Er ist der Mittelsmann zum Krisenstab, sorgt für einen reibungslosen Ablauf, damit gar nicht erst Stress in irgendeiner Form entstehen kann und hält drei Mal am Kontakt engen Kontakt zu den Soldaten. Der Leiter des Kreisverbindungskommandos, der Oberstleutnant der Reserve Axel Stuckmann kommt aus Hattingen und ist ebenso wie Bilitz abseits seiner Einsätze in Großschadenslagen in einem Zivilberuf tätig.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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