25 Jahre ein Zuhause für Kinder und Jugendliche

Elisabeth Gieseler und Katharina Berger sowie die anderen Mitarbeiter bieten den Kindern und Jugendlichen ein Zuhause. Foto: Gerd Kaemper
5Bilder
  • Elisabeth Gieseler und Katharina Berger sowie die anderen Mitarbeiter bieten den Kindern und Jugendlichen ein Zuhause. Foto: Gerd Kaemper
  • hochgeladen von Gerd Kaemper

Wenn Elisabeth Gieseler über die 45 Kinder redet, die sie und ihre Mitstreiter in den vergangenen 25 Jahren in der Wohngruppe für Kinder und Jugendliche betreut haben, kann man den Eindruck gewinnen, dass sie von ihren eigenen Kindern redet. Denn als Mutter erkennt man so manch eine Problematik, einen Erziehungsansatz und ein Gebahren der jungen Leute wieder. Andererseits, sind die Kinder und Jugendlichen, die hier aufgenommen werden, aber auch wieder ganz anders.

Horst. Die jungen Leute, die in dem Haus in Horst von vier pädagogischen Kräften im Wechseldienst rund um die Uhr betreut werden, haben eine eigene Geschichte. Sie wurden eingestuft als junge Menschen, die Hilfe zur Erziehung bedürfen. Das Team der Wohngruppe begleitet sie mal über längere Zeit und auch mal nicht so lange auf ihrem Weg in das, was eigentlich Normalität sein sollte.

Wie im Jahre 1987 alles begann

Gegründet wurde die Wohngruppe am 1. Oktober 1987. Damals war Elisabeth Gieseler noch Angestellte des Propst-Wenker-Kinderheimes in Horst und wohnte mit ihrer Familie bereits in dem Haus Horst-Gladbecker-Straße 7, das damals zu einer Außenwohngruppe des Kinderheimes wurde.
Die vier weiteren zur Verfügung stehenden Wohnungen wurden so konzipiert, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer erhielt und sich mit einem weiteren Kind ein Bad teilte. Allen gemeinsam stand und steht eine gemütliche Wohnküche, ein kleines und ein großes Wohnzimmer zur Verfügung, wo man sich zusammen finden kann.

Ein Verein sichert das Fortleben der Gruppe

Als 1995 das Propst-Wenker-Kinderheim geschlossen wurde, war es für Elisabeth Gieseler und die drei anderen Erzieherinnen klar, dass die Kinder ihr „Zuhause“ behalten sollten. Sie verselbstständigten sich über einen Trägerverein und finanzieren sich nun über die Pflegesätze der einzelnen Kinder und Jugendlichen, die diese vond en Jugendämtern ihrer jeweiligen Stadt erhalten. Unterstützt wird der Verein durch den früheren Förderverein des Propst-Wenker-Kinderheimes, der heute den Namen „Freunde und Förderer für Kinder und Jugendliche Gelsenkirchen-Horst trägt.
Aufgenommen werden in der Wohngruppe sieben bis acht junge Leute im Alter zwischen 8 und 17 Jahren. Die Kinder oder Jugendlichen, die hier einziehen stammen aus Familien, in denen die Eltern überfordert sind mit den Kindern und Hilfe suchen beim Jugendamt oder aus desolaten Familien, aus denen die jungen Menschen per Gerichtsbeschluss vom Jugendamt herausgeholt werden. Und manchmal passiert es, dass ein junger Mensch es zu Hause nicht mehr aushält und einfach nur weg will.

Das leistet die Wohngruppe

„Die Kinder haben oftmals zu Hause Gewalt erlebt und viele von ihnen können gar keine enge Beziehung aufbauen. Darum wäre zum Beispiele eine Pflegefamilie ungeeignet, weil das Zusammenleben ein zu enges wäre. Genau für diese Kinder ist die Wohngruppe genau das richtige. Hier erfahren sie Vertrauen durch Verlässlichkeit und feste Regularien. Der Aufbau von Beziehungen steht dann erst an zweiter Stelle“, erzählt Elisabeth Gieseler.
Katharina Berger, die viele Kinder in der Wohngruppe mit erlebt hat und seit April diesen Jahres eine Jugendwohngruppe ein paar Meter weiter leitet, erläutert: „Die Eltern wollen ihren Kindern gar nicht schaden. Es ist eher ein unbewusstes Verhalten. Etwa wenn Eltern ihre Probleme bei den Kindern abladen und dabei gar nicht ahnen, wie sehr sie ihr Kind damit überfordern.“
Darum hilft der Verein auch den Eltern, gibt Tipps und schildert, was die Kinder von ihren Eltern brauchen.

Eltern und Kinder stehen im Fokus der Arbeit

„Ich erinnere mich an einen Fall, da hatte eine Mutter echte Angst vor ihrem eigenen Sohn. Der Junge war damals 13 Jahre alt und sie wollte keinen Kontakt zu ihm. Es hat viele Gespräche erfordert, um die Mutter dazu zu bewegen, dass sie sich in Anwesenheit einer weiteren Person hier in einem Raum mit ihrem Sohn getroffen hat. Heute wohnt der Junge als 24-Jähriger direkt neben seiner Mutter“, Fälle wie dieser sind es, die Elisabeth Gieseler und den anderen pädagogischen Kräften beweisen, wie sinnvoll und wichtig ihre Arbeit ist.
Wenn es um die jungen Leute geht, besteht die Hauptaufgabe darin, ihnen zu zeigen, dass es in der Wohngruppe anders zugeht als daheim. Es gibt kein 24-Stunden-Fernseh-Gedudel. Auch der Computer steht nicht ständig zur Verfügung. Es müssen Zeiten und Regeln eingehalten werden, im Gegenzug gibt es dafür aber auch Hilfe, wie etwa bei den Hausaufgaben, oder Zuwendung bei Problemen und auf jeden Fall immer offene Augen und Ohren.
„Manchmal ist es für die Kinder eine ganz neue Erfahrung, dass sich jemand Zeit nimmt für sie. Oder auch, dass ihre Meinung zählt. Sie dürfen mitbestimmen und sich einbringen. Aber sie müssen auch lernen, dass es Dinge gibt, die unabänderlich sind und dass es andere gibt, die verhandelbar sind. Darum sind viele unserer Kinder auch Klassensprecher“, lacht Katharina Berger.

Positive Erfahrungen überwiegen

Wenn dann ein Kind trotzdem über die Strenge schlägt, nicht zur verabredeten Zeit erscheint und als es erscheint mehr als nur volltrunken ist, dann ist das arbeitsintensiv und macht den Diensthabenden auch traurig. Doch aus den Erzählungen von Elisabeth Gieseler und Katharina Berger wird immer wieder deutlich, dass die Freude überwiegt, wenn ein Ehemaliger sie besucht und ihnen beweist, dass er dank ihrer Hilfe sein Leben in den Griff bekommen und sich von dem was ihnen im Elterhaus oft vorgelebt wurde, loslösen konnten. Denn auch der Absturz in die Spirale von Drogen, Arbeitslosigkeit oder gar Gefängnis ist nie ausgeschlossen.

Elisabeth Gieseler erinnert sich:

„Ein damals 17-Jähriger ist oft mit mir aneinander geraten, weil er sich für unglaublich cool hielt. Er meinte damals, dass er bald seinen Führerschein machen würde, was ich belächelte. Vor zwei Jahren fuhr er mit einem Mietwagen hier vor und präsentierte mit voller Stolz seinen Führerschein. “

Hintergrund:

Die Außenwohnung konnte dank einer großzügigen Spende des Rotary-Club Schloss Horst im April eröffnet werden. Darin finden zwei Jugendliche Platz, die lernen wollen, sich abzunabeln aus der Wohngruppe, aber sich ein eigenständiges Leben noch nicht zutrauen.
Ihnen steht Katharina Berger zur Seite und hilft ihnen in die Selbstständigkeit, wie Wohnungssuche, Kochen, Flurwoche etc.
Mit der Hilfe von Spenden werden auch Ausflüge der Wohngruppe arrangiert. So stand kürzlich ein Ein-Tagestrip nach London auf dem Programm.
Die Mitarbeiter, zwei Männer und Frauen (Diplom-Pädagogin, Erzieherin mit Zusatzausbildung systematischer Beratung und Erzieher), sind mit dem Schichtdienst und zusätzlichen Terminen als Begleitung bei Arztbesuchen etc. „ausgelastet“ und hoffen nun auf eine Zusatzkraft , die zu Stoßzeiten eine Doppelbesetzung möglich macht.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

12 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.