Zwei S04-Fans erinnern sich: Erst irres Derby, dann Wraps mit Tedesco

Am 25. November 2017 lag der S04 beim BVB nach 25 Minuten und vier Gegentreffern binnen zwölf Minuten deutlich zurück. | Foto: Stephan Schütze
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  • Am 25. November 2017 lag der S04 beim BVB nach 25 Minuten und vier Gegentreffern binnen zwölf Minuten deutlich zurück.
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Stellen Sie sich vor, dass Sie eine offizielle Kartenanfrage an den S04 für das Derby beim BVB beantragen. Zwei Tickets werden Ihnen zugestellt und Sie sind zum ersten Mal im Dortmunder Stadion. Schalke liegt nach 25 Minuten 0:4 zurück und die Reihe vor ihnen im Gästeblock leert sich. Bierüberströmt vor Glückseligkeit, weil das Derby 4:4 ausging, fahren Sie zurück nach Schalke. Ihnen ist kalt und Sie haben Hunger. Was tun?

Sarah (31) und Sebastian (31) sind keine Vielfahrer. Aber alle Auswärtsspiele, die in drei bis vier Autostunden zu erreichen sind, besuchen sie gerne. Ein- bis zweimal pro Saison wird auch ein Heimspiel wahrgenommen. Im Signal-Iduna-Park, dem Stadion von Borussia Dortmund, war das Paar noch nie. „Wir wollten aber unbedingt gerne einmal dorthin und ein Derby erleben“, erinnert sich Sarah zurück. Die Herausforderung liegt auf der Hand: Genau diesen Wunsch haben auch tausende von weiteren S04-Fans.

Doch die 31-Jährigen haben Glück. Nach einer offiziellen Kartenanfrage bekommen Sie vom FC Schalke 04 zwei Stück. Vom 24. auf den 25. November 2017 übernachten die Beiden in Gelsenkirchen, um dann am Spieltag mit dem Shuttle-Bus den von der Polizei vorgegebenen Sicherheitsweg fahren zu können. Wenn ein Derby ansteht, gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen.

Mischung aus Vorfreude, Nervosität und Angst vor dem Derby

„Ja, wir waren nervös und auch etwas ängstlich, schließlich hört man sehr viel. Dennoch wollten wir es unbedingt mal mitmachen“, erzählt Sarah, die gleich verrät: „Es ging alles sehr gesittet zu.“ Fehlte nur noch ein erfolgreiches Spiel aus Sicht der Schalker Anhänger. „Vor dem Anpfiff waren wir voller Hoffnung. Auch, weil der BVB schon in den Spielen zuvor nicht mehr in bester Verfassung war“, weiß Sebastian noch genau, der in der ersten Halbzeit dann aber seinen Augen nicht traute.

Vier Gegentore zwischen der 12. und 25. Spielminute. „Wir wusste nicht mehr, was mit uns geschah. In der Halbzeitpause haben sich fünf oder sechs Fans in der Reihe vor uns komplett verabschiedet“, verrät Sebastian. Ein großer Fehler, wie sich herausstellen sollte.

„Das erste Tor durch Guido Burgstaller fiel bekanntlich sehr schnell nach der Pause. An ein Wunder haben wir da aber noch nicht geglaubt“, so Sarah. Als Amine Harit den zweiten Schalke-Treffer erzielte, hätte Sebastian es beinahe nicht mitbekommen. „Ich war schon auf dem Weg, um neue Getränke zu kaufen und, um auf Toilette zu gehen. Als ich gesehen habe, dass Amine Harit das Tor erzielt hat, habe ich mich für ihn unheimlich gefreut, weil ich von Beginn an ein großer Fan von ihm war. Dass er ausgerechnet im Derby dann sein erstes Tor für den S04 erzielt, ist eine tolle Geschichte.“ An eine Wendung dachte das Fan-Duo zu dem Zeitpunkt aber immer noch nicht.

Schrammen, Beulen und Bier pflastern ausgelassenen S04-Jubel

Der Ausgang der Partie ist bekannt. „Als der 4:4-Ausgleich fiel, wurde vor Freude alles in unserer Kurve hochgeworfen. Bierbecher, Handys - ich habe meines Gott sei Dank wieder nach oben gereicht bekommen - ich habe eine Beule an der Stirn bekommen, meine Brille hat einen Schlag abbekommen und unsere Stimmen waren sowieso schon weg. Da sind alle Dämme gebrochen“, berichtet Sebastian. „Das haben wir noch nie erlebt. Das war einzigartig“, ergänzt Sarah.

Einen Plan für den Abend gab es nicht. Also reisten die beiden, so wie auch einige andere, mit dem Shuttle-Bus zurück nach Gelsenkirchen. Genauer gesagt Richtung Geschäftsstelle des S04. „Da standen noch ein paar Fans mit Bierkisten, aber viel los war da nicht. Als wir Richtung Spielerkabine geblickt haben, brannte dort noch Licht und Spieler sind in dem Moment mit ihren Autos nach Hause gefahren. Also sind wir dort hingerannt, weil unter anderem Naldo noch Fotos mit Fans gemacht hat“, erzählt Sebastian. Das Pärchen selbst machte Erinnerungsbilder unter anderem mit Bastian Oczipka und Christian Heidel. „Der Manager war total locker drauf. Ein super Typ“, schwärmt Sebastian noch heute.

Fünf Fans ließen nicht locker und fragen nach Tedesco

Der Fan-Pulk wurde anschließend immer kleiner. „Zunächst waren noch 15 da, dann nur noch zehn, dann nur noch sechs. Als ein anderer Fan einen Sicherheitsbeauftragen fragte, ob Domenico Tedesco noch da wäre, meinte dieser, dass der Trainer schon länger weg wäre.“ Der Fan ließ aber nicht locker und fragte immer wieder“, erinnert sich Sarah und muss lachen. „Der Fan war etwas angeheitert. Ich vermute nicht nur wegen des Spielausgangs“, ergänzt sie mit einem Augenzwinkern.

Als dieser „Wir wollen den Trainer sehen“ als Gesang anstimmte, ging plötzlich ein weiteres Licht in den Räumen an. „Da stand auf einmal Domenico Tedesco am Fenster, steckte seinen Kopf heraus und meinte ‚Klar, ich komme sofort‘. Und tatsächlich: 20 Sekunden später stand er vor uns“, ist Sarah selbst jetzt noch, über acht Monate danach, perplex. „Er wirkte wie ein Freund. Wir haben ihm angesehen, dass er sehr ausgelaugt von dem Tag war. Aber war witzig und seine erste Frage war sofort die nach den Ultras, da mehrere Hundert auf dem Weg zum Spiel angehalten, kontrolliert und festgehalten wurde, so dass sie das Spiel nicht sehen konnten. Er stellt sich total auf sein Gegenüber ein, ist sich für nichts zu schade“, schwärmt Sebastian.

Ausgelaugter Tedesco arbeitete selbst noch nach dem Derby

Domenico Tedesco war zu diesem Zeitpunkt schon wieder voll in seinem Element. Denn nach dem Derby saß er schon wieder an der Analyse des Spiels, „konnte dann aber dank uns auch mal durchschnaufen“, erzählt Sarah mit einem Augenzwinkern.

Ein Fan fragte, ob zufällig noch Utensilien übrig geblieben wären, die er ihnen mitgeben könne. Tedesco musste die Frage verneinen, meinte aber, dass noch Esse da sei. „Er fragte den Sicherheitsbeauftragen, ob die Fans nicht mit hereinkommen dürften. Schließlich war es kurz vor Mitternacht Ende November, uns war allen also auch kalt. Das ging aber nicht. Also gingen Tedesco und der Sicherheitsmann rein und kamen mit Essen wieder raus“, so Sebastian.

Dinkel-Vollkorn-Wraps mit Hühnchen-Fleisch

Der war wie die anderen froh, den leeren Magen mit Essen füllen zu können. „Auch, wenn es gesunde Wraps mit Hühnchen und etwas Frischkkäseähnlichem in Dinkel-Vollkorn waren“, lacht der Schalke-Fan. „Zu dem Zeitpunkt haben wir uns noch mehr in den Trainer verliebt. Er ist so ein normaler Typ“, schwärmt Sarah, die wie ihr Partner froh darüber war, sich noch einmal stärken zu können. „Danach wollten wir ihn von seiner Arbeit nicht länger abhalten und sind gegangen. Wir hatten an dem Tag sowieso schon mehr erreicht, als wir uns je erträumt hatten.“

Für Sebastian stand und steht fest: „Das wird für immer in meiner Erinnerung bleiben. Das irre Spiel mit dem anschließenden Treffen des Trainers ist eine Kombination, die nur sehr, sehr schwierig zu toppen sein wird.“

Am 25. November 2017 lag der S04 beim BVB nach 25 Minuten und vier Gegentreffern binnen zwölf Minuten deutlich zurück. | Foto: Stephan Schütze
Kurz vor Mitternacht: Schalkes Chef-Trainer Domenico Tedesco nahm sich auf dem Schalke-Gelände während seiner Arbeit im Büro Zeit für ein paar Fans, die draußen standen. Unter anderem auch für Sebastian, der zuvor noch beim irren Derby in Dortmund war. | Foto: Privat
Autor:

Raphael Wiesweg aus Gelsenkirchen

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