Gräfin Alexandrines Schafe waren zu fett: "Weezer-Archiv"-Reihe - 6. Band erschienen

Gräfin Alexandrines Schafe gaben keine Wolle: sie hatte diese zu fett gefüttert. Während Gatte Edmond Comte de Loë als Senator zwischen Paris und Weeze pendelte - er vertrat das Rheinland im französischen Kaiserreich - baute sie eine Schafzucht auf.

Der Briefwechsel des Paares erlaubt einen Blick darauf, wie eine Familie in napoleonischer Zeit dachte und handelte. Er war für den sechsten Band der Reihe „Weezer Archivs“ mit dem dem Titel „Die Freiherren und Grafen von Loë auf Schloss Wissen“ eine wertvolle Quelle. Auf 211 Seiten wartet die Publikation mit neun Beiträgen zur Geschichte der Weezer Familie im 19. und frühen 20. Jahrhundert auf: Von der napoleonischen Zeit bis zum Ersten Weltkrieg. Die Beiträge sind überwiegend biografisch angelegt, aber in das jeweilige Zeitgeschehen eingebettet. So widmete der Historiker Dr. Florian Schönfuß (Universität Köln) seinen Beitrag Edmund Graf von Loë. Der Forscher hatte sich bereits im Rahmen seiner Doktorarbeit mit rheinischem Adel in militärischer Zeit befasst. „Die Tagebücher und Feldpostbriefe spiegeln die adelige Sichtweise auf den Ersten Weltkrieg wieder“, so Schönfuß. Überhaupt: „Edmund“ sei eine spannende Persönlichkeit gewesen. Hätte unter Napoleon eine große Karriere gemacht. Seine Gattin Alexandrine, Mutter von zehn Kindern, hätte derweil die Verwaltung des Schlosses übernommen. „Sie stand mitten im Leben“, erzählt Nachfahre Raphaël Freiherr von Loë und berichtet: „ Am Beginn des Aufbaus ihrer Schafzucht hat sie im ersten Jahr die Tiere zu fett gefüttert, worauf sie keine Wolle gaben.“ Die Publikation umfasse rasant-spannende Elemente - auch für Insider der Familie, freut sich der Freiherr. „Die Publikation beschreibt die Verflechtung der Familie in die örtliche und in die Reichspolitik, stellt einen Bezug von Familien- und Regionalgeschichte her“, erklärt Hans-Werner Langbrandtner, Archivberater beim LVR-Archivierungs- und Fortbildungszentrum. Er war für die inhaltliche Konzeption der Veröffentlichung verantwortlich. Monatelange Archivforschung hatten dem voran gestanden. Bürgermeister Ulrich Francken: „Die Mitglieder der Familie von Loë haben ihre Spuren in Politik und Gesellschaft hinterlassen und damit auch die Kommune, die Region, die Politik und das gesellschaftliche Leben geprägt.“

Adelsgeschichte und Kulturkampf zwischen Kaiserreich und katholische Kirche

Drei Beiträge zeigen, wie die Adelsgeschichte in den Kulturkampf, den Konflikt zwischen dem Deutschen Kaiserreich und der katholischen Kirche, eingreift. Die Familie war auf Kirchenseite stark engagiert. Eine Ahnung von der Kriegsmüdigkeit, die im Zweiten Weltkrieg aufkam, vermittelten etwa Briefe, die Felix, der Großvater des Freiherren, von dessen Mutter empfing, als er in Russland im Schützengraben lag. „Sie schrieb ihrem Sohn, dass der Doktor ein Attest ausstellen würde, so dass er nicht mehr zurück an die Front müsse“, erzählt Raphaël Freiherr von Loë. Ebenfalls Bemerkenswertes hätte seine Großmutter, Gräfin Isabell von Loë, die im Jahre 2010 hochbetagt verstarb, geleistet: Während des Zweiten Weltkrieges hatte sie die Oberleitung der Wissener Betriebe übernommen, hatte die Wissener Notgemeinschaft für Flüchtlinge ins Leben gerufen.

Christine Prinzessin zu Löwenstein, eine Tante des Freiherren, erinnert sich, wie sie im Jahre 1945 eine List ersann: Die deutschen Fallschirmjäger hatten die Niersbrücke am Schloss gesprengt und die Turbine für die Stromerzeugung war zerstört worden. „Die Pumpen waren kaputt und der Niersgraben führte kein Wasser. Da habe ich angefragt, ob man in Kauf nehmen wolle, dass die Moskitos über die Offiziere herfallen“, erzählt die 88-Jährige verschmitzt. „Daraufhin hatten wir wieder Wasser“, ergänzt die alte Dame lächelnd. Zwei weitere Beiträge schließlich beschreiben Epochen übergreifend die Entstehung und den Wandel von Schloss und Park Wissen.

Hintergrund (Anstoß, Autoren, Adelsarchiv und bedeutende Familienmitglieder):

- Anstoß für die Veröffentlichung gaben die 550. Jubiläums-Feierlichkeiten in 2011. Seit 1461 ist die Familie von Loë (in 16. Generation), die aus dem rechtsrhenischen Recklinghausen stammt, auf Schloss Wissen beheimatet.

- Die Autoren (Fachleute aus dem archivischen, historischen und kunsthistorischen Bereich) sützen sich auf bislang unbekannte Quellen. Das Adelsarchiv auf Schloss Wissen zählt mit 3.500 Urkunden zu den größten im Nordrhein. Eine Urkunde von 1461 ist ein zentrales Dokument sowohl für die von Loësche Familiengeschichte als auch für die Weezer Geschichte: Als Mitgift für seinen Sohn erwarb Johann von der Loë Schloss und Güter zu Wissen von der Witwe Anna van der Straeten.

- Walter von Loë (geb. 1828), war einer der bedeutendsten Vertreter des Geschlechts van Loë. 1863 Militärattaché in Paris, 1870 als Oberst am Deutsch-Französischen Krieg beteiligt,1880 Generaladjutant des preußischen Königs und deutschen Kaisers und 1884 General des VIII. Armee-Korps. Er starb 1908 als preußischer Generalfeldmarschall

- Die Familie von Loë, die 1629 in den Freiherrenstand und 1808 in den Reichsgrafenstand erhoben wurde, stellte Bürgermeister, Landräte, Abgeordnete im preußischen Landtag und Reichtag sowie einen Präsidenten im rheinischen Bauernverein.

Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

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