Dohle Pumpelchen ist Hahn im Korb

Lavesum. Die Dohle war Vogel des Jahres - für Sophia Fortmann aus Lavesum ist sie das allezeit. Dohle Pumpelchen hat gerade ihren zweiten Geburtstag gefeiert – Schlupftag besser gesagt, oder auch „Happy Birdsday“ wie Sophia Fortmann es nennt.

Zu ihrem ungewöhnlichen Adoptivkind und seinem Geschwisterchen Abraxas kamen Sophia und ihre Familie schon wenige Tage nach dem Schlüpfen der Nestlinge. Ein befreundeter Schornsteinfeger musste die Brut aus einem Kamin entfernen und übergab die beiden der tierlieben Familie.
„Am Anfang waren sie unglaublich hässlich – so nackt und grau mit ihren langen staksigen Beinen und den übergroßen Schnäbeln“ schmunzelt die Fünfzehnjährige „und anstrengend dazu: alle zwei Stunden mussten sie gehudert und gefüttert werden mit einem nach Anweisung eines Ornithologen angerichteten Brei. Das Geschrei, das sie veranstalteten sobald sie uns in der Nähe wussten, war buchstäblich ohrenbetäubend. Wir brachten sie in einer ausgepolsterten Kiste im Zimmer meiner Stiefschwester unter, die zu der Zeit ihr Austauschjahr in Brasilien absolvierte und schlichen immer auf Zehenspitzen an der Zimmertür vorbei um sie bloß nicht zu wecken.“

Leben im Freien

Als die beiden mit knapp einem Monat dann fliegen konnten, begann Sophia mit dem behutsamen Gewöhnen der Vögel an ein Leben im Freien und dem Auswildern. Bei Abraxas war das kein Problem; Pumpelchen aber weigerte sich beharrlich das Haus auch nur minutenweise alleine zu verlassen und krallte sich schon bei dem kleinsten Versuch schreiend in den Haaren seiner Zieheltern fest.
Erst durch ausgedehnte Spaziergänge in Lavesums Wäldern und Wiesen lernte er dann doch seine Artgenossen kennen und seine Freiheit zu genießen.
Mit einem Jahr fand der Vogel dann zu dem Tagesablauf, den er seitdem beibehält.

Szene aus einem Hitchcockfilm

„Jeden Morgen bei Einbruch der Dämmerung sammelt sich die ganze Lavesumer Dohlenkolonie mit großem Lärm in den Bäumen um unser Haus. Das wirkt dann manchmal auf Fremde so bedrohlich wie eine Szene aus einem Hitchcockfilm. Für Pumpelchen ist das dann das Signal den Tag zu beginnen.
Sobald er das Haus verlassen hat, erheben sich die Dohlen wieder und fliegen im Schwarm in die Felder hinaus. Manchmal treffen wir sie dort, wenn wir mit unseren Hunden Gassi gehen. Pumpelchen kommt dann kurz zu uns herüber, setzt sich auf die Schulter und erzählt ein bisschen. Was seine Kumpel darüber denken, können wir nur mutmaßen, aber wir sind sehr glücklich, dass sie unser verhaltensgestörtes Vögelchen als einen der ihren angenommen haben.
Abends kommt er bei Sonnenuntergang zurück, duscht sehr ausgiebig, isst mit uns zu Abend und schläft dann in der Korblampe, die er zu seinem Nest erklärt hat.“

Obwohl das ungewöhnliche Haustier viel Freude bringt, rät die Familie jedem dringend davon ab, sich eine zahme Dohle zuzulegen.
Dohlen sind Wildtiere und gehören in die Freiheit zu Ihresgleichen. Die überaus sozialen und intelligenten Tiere sind im Haus nicht zu halten. Abgesehen davon, dass sie niemals stubenrein werden, legen sie ein unglaubliches Zerstörungspotential an den Tag. Dabei gehen sie, da sie den Menschen nicht mehr fürchten, durchaus auch sehr dreist und mutig vor.
Eine Unart, von der leider oft auch die Nachbarn nicht verschont bleiben.

Pumpelchen ist ein Clown

„Pumpelchen ist ein Clown. Wir könnten Romane über ihn schreiben“, sagt Sophia, „aber er kann auch furchtbar lästig sein. Was er transportieren kann, klaut er, reißt es einem auch mitunter einfach aus der Hand und versteckt es oben auf dem Dach. Das kann dann auch schon mal ein teurer Füller, Schmuck oder eine Speicherkarte sein.
Besonders liebt er es, wild auf der Computertastatur herum zu hüpfen und mit dem Schnabel nach den Buchstaben zu hacken, die dann auf dem Bildschirm erscheinen.
Er hat einmal in einem unbeaufsichtigten Moment einen wichtigen Geschäftsbrief kilometerlang weitergeschrieben und versendet!
Ebenso zieht er Post aus den Briefkastenschlitzen, missachtet frech das Briefgeheimnis und zerreißt die Zeitungen.“

Mittlerweile ist Pumpelchen ausgewachsen, hat die erste Mauser hinter sich und nun das typische, metallisch schimmernde Gefieder mit der hellgrauen Haube der Altvögel.
So richtig erwachsen aber ist er erst mit drei Jahren. Ob er sich dann nach Dohlenart einen Partner für´s Leben sucht und sich vielleicht entschließt für immer in der Kolonie zu bleiben wird die Zukunft zeigen.
„Es würde uns sicher sehr traurig machen. Aber was immer er macht – es ist seine Entscheidung und wir werden sie akzeptieren. Wir würden ihn niemals einsperren. Wir sind ihm sehr dankbar für die tiefen Einblicke in das Leben dieser wunderbaren Geschöpfe, die wir ohne ihn nie so bewusst wahrgenommen hätten.“


Hintergrund


„Die Dohle (Corvus monedula) ist neben der Elster, der Krähe und dem Raben der kleinste Vertreter aus der Familie der Rabenvögel (Corvidae). Sie besitzt ein schwarz-graues Gefieder, einen stämmigen Schnabel und hellblaue Augen. Das Verbreitungsgebiet der Dohle reicht von Nordafrika bis zum Baikalsee. Als Lebensraum bevorzugt sie offene Landschaften mit Baumbestand, Felsen oder alten Gebäuden. Die Nahrung der Dohle besteht zum größten Teil aus Samen und Insekten, aber auch Aas oder Abfall verschmäht sie nicht. Dohlen leben monogam in größeren Gruppen. Ihre oft sehr unordentlichen Nester bauen sie in Löchern und Nischen aller Art, etwa in Spechthöhlen oder Gebäudenischen, auch in Schornsteinen. Das Weibchen brütet vier bis sechs Eier aus, die Jungen werden anschließend von beiden Eltern gefüttert. In Gefangenschaft können Dohlen bis zu 25 Jahren alt werden.“

Autor:

Antje Clara Bücker aus Haltern

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