Auszeichnung für die Gesamtschule Hamminkeln
Yad Vashem-Partnerschule: Jüdische Einzelschicksale des Holocaust-Grauens immer fest im Blick

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Die internationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat seit 1993 eine eigene Internationale Schule für Holocaust-Studien, deren Aufgabe die Fortbildung von Lehrkräften, die Förderung des internationalen Austausches zwischen Lehrkräften, die Betreuung von Partnerschulen und die Bereitstellung didaktischen Materials für Lehrkräfte ist.

Ziel ist nicht nur die Vermittlung von Wissen mit dem Ziel, die Gegenwart besser zu verstehen und Fehlentwicklungen zu vermeiden, sondern in Bezug auf den Holocaust ist ebenso ein zentrales Ziel, „der Opfer zu gedenken und die Erinnerung an sie zu bewahren. Lernen über den Holocaust ist somit der Versuch, der physischen Vernichtung nicht den anvisierten „Gedächtnismord“ am europäischen Judentum folgen zu lassen“.

Zur Unterstützung der Lehrkräfte bei der unterrichtlichen Vermittlung des Holocaust an europäi-schen wie israelischen Schulen wurde das pädagogische Konzept der Fokussierung auf das Einzelschicksal entwickelt. „Entscheidende Grundlage dieses Konzepts ist die Konzentration auf das Schicksal einzelner Menschen. Anstelle einer anonymen und ungreifbaren Zahl gesichtsloser Opfer rückt dieses Konzept das Individuum ins Zentrum. Durch die Nennung von Namen und Lebens-geschichten sollen die Ermordeten des Naziregimes damit vor der Auslöschung aus dem Gedächtnis der Welt („Gedächtnismord“) bewahrt werden. Die Beschäftigung mit wenigen Einzelpersonen in all ihren Facetten soll den Schülern den historischen Zugang zum Thema erleichtern und die Entwicklung von Interesse und Empathie unterstützen. Diese Grundidee kann in vergleichbarer Weise auch auf andere Opfergruppen, d.h. auf Sinti und Roma, Homosexuelle, Euthanasieopfer usw. übertragen werden.“

Jüdische Lebenswelten vor, während und nach dem Holocaust

(…) Um einen Einblick in die „Welt vor dem Holocaust“ zu erhalten, bieten sich insbesondere Quellen an, die eine subjektive Perspektive auf gesellschaftliche und individuelle Ereignisse ermöglichen. Die Methode, sich einer historische Epoche über das Medium authentischer Einzelgeschichten anzunähern, unterstützt das Aufbrechen gängiger Stereotypen. Der Vorteil persönlicher Zeugnisse liegt darin, dass Jüdinnen und Juden als souveräne Ich-Erzähler ihrer eigenen Geschichte auftreten, und nicht Objekt anthropologisch-soziologischer Wissenschaft sind. Anstelle von immer wieder reproduzierten Klischeevorstellungen werden Juden innerhalb ihres eigenen Lebensentwurfs sichtbar, mit der Identität, die sie sich selbst gewählt haben und die aus ganz verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt ist – wie z.B. Religion, Kultur, Gesellschaft und Politik. Die subjektive Sicht der Dinge ermöglicht einen Einblick in authentische Wirklichkeiten jener Zeit, so verwirrend, widersprüchlich oder komplex sie auch sein mögen.

Durch das Verständnis der Vielfalt der jüdischen Lebenswelten vor dem Holocaust erkennt der Lernende, dass Juden niemals eine homogene Gruppe darstellten. Manche waren religiös, manche säkular, sie lebten auf dem Land oder in der Großstadt, assimilierten sich, hielten ihre jüdische Kultur aufrecht, oder sie versuchten beides zugleich. Man wollte Jude und Deutscher, Jude und Ungar, Jude und Franzose sein. Manchmal empfand man sich vorwiegend als Jude, oft fühlte man sich weitaus mehr als Deutscher oder Ungar. Viele säkulare Juden, deren überwiegende Mehrheit in den urbanen Zentren lebte, haderten mit der Frage der traditionellen jüdischen Identität angesichts der sie umgebenden modernen Gesellschaft.

Die Situation der Juden in Europa veränderte sich mit der Machtergreifung der Nazis ab 1933 und der damit einhergehenden Ausgrenzung und Verfolgung rasant. Den Auftakt zu einer Vielzahl von antijüdischen Manifestationen und Gesetzgebungen stellte dabei der bereits im April organisierte landesweite Boykott jüdischer Geschäfte und Praxen dar. Die Berufsverbote, sowie die 1935 erlassenen Nürnberger Rassegesetze schränkten den politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebensraum von Jüdinnen und Juden zunehmend ein. 

Ziel der nationalsozialistischen Politik jener Zeit war die nachdrückliche Herausdrängung von Jüdinnen und Juden aus dem kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben. Erst in späteren Jahren folgte der Ausgrenzung und Vertreibung der organisierte Massenmord. Aus pädagogischer Perspektive steht auch für die Periode zwischen 1933 und 1945 der Mensch als denkende, handelnde und reagierende Person im Zentrum unseres Interesses. Entsprechend behandeln unsere Unterrichtsmaterialien das Leben und nicht das Sterben von Jüdinnen und Juden zur Zeit des Nationalsozialismus.

Für die Behandlung des Themas im Unterricht können sich somit folgende Schwerpunktsetzungen/ Leitfragen ergeben:

  • Welche Selbstbehauptungs- und Überlebensstrategien entwickelten Juden während der Zeit ihrer Verfolgung?
  • Gab es für Juden so etwas wie Alltagsleben während des Holocaust?
  • Mit welchen Dilemmata sahen sich Jüdinnen und Juden konfrontiert?
  • Jüdisches Leben nach der Befreiung

Die Gruppe der Täter, Zuschauer und Helfer

Yad Vashem plädiert bei der Beschäftigung mit den Tätern und Zuschauern für eine differenzierte Sicht auf einzelne Personen und deren Lebensumstände.

Das Yad Vashem Partnerschulprogramm bietet Schulen die Möglichkeit, eine offizielle Partnerschaft mit Yad Vashem einzugehen, um ihre bestehenden Bildungsmaterialien, pädagogischen Programme und Gedenkprojekte weiterzuentwickeln und auszubauen. Eine solche Partnerschaft soll den Wunsch der Schule widerspiegeln, den Ansatz Yad Vashems im Bereich der Holocaust-Forschung und -Bildung zu vertreten und weiterzutragen. Eine Schule, die in das Partnerprogramm aufgenommen wurde, profitiert von einer exklusiven Beziehung mit der Internationalen Schule für Holocaust-Studien in Yad Vashem in Jerusalem.

Der Status einer Partnerschule wird Schulen verliehen, die die folgenden Kriterien erfüllen:

  1. Ihre Schule hat mindestens eine Lehrkraft zu einem Lehrerfortbildungsseminar für Pädagog*innen in Yad Vashem in Jerusalem, Israel, entsandt.
  2. Sie haben sich um die Teilnahme am Partnerschulprogramm beworben, den Antrag vollständig ausgefüllt und Beispiele für Holocaust-bezogene Projekte und Programme vorgelegt, die in den letzten Schuljahren an der Schule durchgeführt wurden und ihr Antrag wurde positiv bewertet.
  3. Ihre Schule setzt sich darüber hinaus aktiv für die Förderung der Holocaust-Erziehung und -Erinnerung ein.

Bis heute umfasst das Partnerschulnetzwerk des Desk für die deutschsprachigen Länder 16 Partnerschulen in acht Bundesländern. Diese Kooperation wird während der jährlichen online Treffen zur Vorstellung der einzelnen Schulprojekte und in punktuell für die einzelnen Schulen gestalteten Studientagen aktiv umgesetzt. Außerdem sind die Partnerschulen Teil unseres allgemeinen Partnernetzwerks und werden somit zu regelmäßigen Netzwerktreffen im deutschsprachigen Raum eingeladen.
https://www.yadvashem.org/de/education/about-school/pedagogic-concept.html (aufgerufen am 15.08.2022).

Projekte der Städtischen Gesamtschule Hamminkeln zur „Erziehung nach Auschwitz“

  • Besuch im Humberghaus mit allen Klassen des 9. Jahrgangs im Rahmen des Geschichtsunterrichts mit allgemeiner Einführung und arbeitsteiliger Gruppenarbeit und anschließender Präsentation des Lebens eines Familienmitglieds
  • ergänzend dazu Nutzung der mobilen Ausstellung zum Stadt- und Landjudentum im Geschichts-unterricht (der Teil zum Landjudentum wurde von unseren Geschichtslehrkräften Frau Wolberg und Herrn Ströhl konzipiert)
  • Beteiligung an der Eröffnung dieser Ausstellung mit Schüler*innen im September 2021 in der Bezirksregierung Münster und am 9.11.2021 auf Schloss Ringenberg im Rahmen einer Gedenkstunde für die Opfer der Reichspogromnacht
  • Mitgestaltung der nächsten Gedenkstunde für die Opfer der Reichspogromnacht am 9.11.2022 in Brünen
  • Weitere Ziele: Gewinnung einer israelischen Partnerschule über in Israel lebende Mitglieder der Familie von Ruth Muscovitch; Planung einer Gedenkstättenfahrt; ggf. Pflege von Stolpersteinen
Autor:

Lokalkompass Kreis Wesel aus Wesel

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