Radfahren in Hattingen

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STADTSPIEGEL-Mitarbeiter Alexander Winkelnkemper hat das Radfahren in Hattingen getestet. Seine Erfahrungen fasst er in einem Pro und Contra zusammen.

PRO:Ich bin leidenschaftlicher Radfahrer, nicht nur, weil ich kein Auto besitze. Dementsprechend werden alle Wege, sofern irgend möglich, auf dem Drahtesel zurückgelegt. Ist stressfrei, macht Laune und hält fit. Also geht’s für mich auch auf dem Rad zur Arbeit. Gerade in Hattingen ist das wirklich entspannt. Rund 45 Kilometer Radwege gibt es innerhalb der Stadt! An allen wichtigen Punkten stehen Radständer. Einige von ihnen sind sogar überdacht und massiv im Boden verankert. Das hat mehrere Vorteile: Es erspart den Ekel, nach getaner Arbeit auf einen platschnassen Sattel zu steigen und das Rad ist wirklich bombenfest anschließbar. Nun, bis zum Radständer muss man erst einmal kommen, aber auch das geht sehr angenehm: Die Landschaft ringsum ist sehr hübsch. Viele Radwege bieten die Möglichkeit, im Grünen voran zu kommen, statt sich an Hauptverkehrsstraßen in die Abgase zu stellen. Sollte doch mal ein Stück Straße folgen, gibt es teilweise extra markierte Radwegsbereiche. Schade, dass das Grünzeug vom Straßenrand manchmal hineinragt, aber damit kann ich leben. An jeder Ecke stehen Schilder und Wegweiser, die mich in alle Teile Hattingens leiten, darunter finde ich sogar noch die Entfernungen zum anvisierten Ziel! Viele Bordsteine sind auch außerhalb von Einfahrten extra abgesenkt, sodass man auch die Chance hat, von der Straße oder dem Radweg wieder hinunter zu kommen, ohne sich die Felgen zu zerlegen. Besonders nett und gut durchdacht sind einige Kleinigkeiten aus dem Radverkehrskonzept der Stadt: Manche Auto-Sperren stehen jetzt diagonal zum Radweg, sodass ein Rad sie leicht passieren kann – ein Auto hat trotzdem noch immer keine Chance. Vorbildlich! Viele Einbahnstraßen sind für Radfahrer mittlerweile auch in der Gegenrichtung befahrbar, was riesige Umwege erspart. Mit der Freigabe des Schulenbergtunnels sparen sich Radfahrer glatte zehn Kilometer Umweg an fiesen Straßen. So ist man mit dem Rad oft sogar schneller als mit dem Auto! Das begeistert nicht nur Hattinger Bürger: Rund 13 Kilometer Ruhrufer liegen innerhalb des Stadtgebiets. Alles ist schön flach und gut ausgebaut, gerade Kinder können so auch mal längere Strecken mitradeln. Und der Ruhrtalradweg wird dementsprechend breit angenommen, Hattingen ist eine beliebte Zwischenstation. Dementsprechend hat sich rundherum auch Gastronomie an die Bedürfnisse von Radfahrern angepasst: Von der Flasche Wasser bis zum vollwertigen Mittagessen gibt es alles, was das Herz begehrt auf dem Weg, an Abstellplätze für die Räder ist auch gedacht worden! Um das alles auf Anhieb zu finden gibt es haufenweise Infomaterial und Routenkarten, einige davon sogar gratis beim Stadtmarketing. Dazu kommen mehrere Fahrradgeschäfte im Stadtzentrum und der nahen Peripherie, die bei kleineren Pannen sofort helfen können. Klar kostet das Geld, praktisch ist es aber trotzdem. Und es zeigt, dass die Radelei durchaus beliebt ist! Natürlich gibt es noch die ein oder andere Ecke, an der ein Radweg sinnig wäre, an der ein Baum gestutzt oder ein Bordstein beseitigt werden könnte. Auch die Überreste von Bahnschienen sind für Zweiräder verdammt fies. Und wenn Schlaglöcher schon bei den Autofahrern für Furore sorgen, dürfte klar sein, wie sich das auf einem Rad anfühlt. Aber das ist nunmal auch eine Kostenfrage - und in anderen Städten sieht es keineswegs besser aus. Insgesamt ist die Infrastruktur für Radler in Hattingen gut gemacht!

CONTRA;Blöderweise ist man als Radfahrer überall falsch unterwegs. Die rechtliche Regelung ist zwar eindeutig, aber lange nicht allen Menschen bekannt: Es gibt kombinierte Rad- und Fußwege. Wenn der Strich auf dem Schild senkrecht ist, müssen Radfahrer den Weg benutzen. Ist der Strich waagrecht müssen sie das zwar auch, Fuß und Radweg sind aber nicht mehr getrennt. Wobei die Trennung auf dem Boden ohnehin nicht eindeutig vorgibt, wer nun auf welcher Hälfte fahren darf. Grundsätzlich gilt dabei natürlich gegenseitige Rücksichtnahme. Die allerdings gestaltet sich in der Praxis schwierig, schließlich fühlt sich jeder Verkehrsteilnehmer ganz allein im Recht. Ein Jeder meint: „Rücksichtslos sind immer nur die Anderen!“ Natürlich gibt es gleichermaßen rücksichtslose Radfahrer wie Fußgänger. Trotzdem: Egal wie vorsichtig und zurückhaltend ich fahre - der meistgehörte Kommentar des Tages ist „hier ist keine Rennstrecke“. Ob ich nun 10 oder 40 Kilometer pro Stunde hinlege, ist dabei zweitrangig. Ebenso egal ist, ob ich die Klingel benutze oder höflich von hinten frage. Das Bild „Junger Typ mit Rennrad“ reicht den meisten Fußgängern schon aus, um entweder beleidigend zu werden, oder den Weg bewusst zu versperren. Ich habe auch schon erlebt, dass mir Passanten in den Lenker griffen. So bleibt irgendwann nur noch der Wechsel auf die Straße. Sollte mich die Polizei erwischen, kostet mich das mal eben mindestens 15 Euro. Schlaglöcher ahoi, die Felgen und Lager bedanken sich höflich. Jetzt kommen die Autofahrer. Wieder mal sind es lang nicht alle, aber dennoch ausreichend viele, um eine Regelmäßigkeit zu finden. Genannte Spezialisten sind nun der Ansicht, dass ich als Radfahrer gefälligst auf den Gehweg gehöre. Ich bin ja schon irgendwie daran gewöhnt, dass mir regelmäßig die Vorfahrt genommen wird oder sich plötzlich Türen öffnen, ohne dass der Fahrer vorher mal geschaut hat, ob er mir damit eine perfekte Abschussrampe bietet. Man kennt es: Auf dem Rad muss man für alle anderen mitdenken und mitschauen. Regelmäßig mit belehrenden, gerne auch hupenden, 30 Zentimetern Abstand überholt zu werden, ist auch nicht gerade angenehm. Eine ebenso beliebte Taktik ist, dem Radfahrer mit dem Auto extrem dicht aufzufahren, ohne zu überholen. Das ist praktisch für den Autofahrer hinter mir, der offenbar Angst vorm Überholen hat. Denn: Ich werde kontinuierlich schneller, er muss also gar nicht mehr an mir vorbei! Dass ich nur so schnell in die Pedale trete, um dem Tod durch Überrollen zu entgehen, kapiert der Fahrer leider nicht. Zu diesem spaßigen Durcheinander im fließenden Verkehr kommt, dass es ein unglaublich tolles Gefühl sein muss, Glasflaschen auf Radwegen und Straßen zu zerdeppern. Für mich als Radfahrer endet dieser Spaß aber schnell, denn selbst mit routiniertem Slalom und gelegentlichem Hüpfen sind die Splitter und Scherben nicht zu umgehen. Zwar reinigt die Stadt nach Wochenenden besonders gründlich, das scheint aber gegen eine Armee von (Entschuldigung!) Asozialen nicht zu helfen. Sofern ich lebend in der Stadt angekommen bin, ist dafür endlich alles gut. Direkt an den Zufahrten zur Innenstadt stehen allerorts Radständer, also fix das Schloss ausgepackt und ab in die Redaktion. Das böse Erwachen kommt dann nach Feierabend: Der potentielle Dieb konnte sich zwar nicht gegen das Schloss durchsetzen, dafür hat er meine hintere Felge zu Brei getreten.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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