Offenes Ohr
Frauenberatungsstelle im EN-Kreis hilft in Krisenzeiten

Fotos mit Mut-mach-Situationen, die im Frauenhaus des EN-Kreises entstanden sind, prägen den Flur der Frauenberatungsstelle in Schwelm. Die Mitarbeiterinnen – im Bild Leiterin Andrea Stolte – bieten Frauen dort, in Hattingen, Witten und ganz neu in Herdecke Unterstützung an.  | Foto: Vera Demuth
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  • Fotos mit Mut-mach-Situationen, die im Frauenhaus des EN-Kreises entstanden sind, prägen den Flur der Frauenberatungsstelle in Schwelm. Die Mitarbeiterinnen – im Bild Leiterin Andrea Stolte – bieten Frauen dort, in Hattingen, Witten und ganz neu in Herdecke Unterstützung an.
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"Ich befürchte, dass wir in einer Zeit der Zunahme von Gewalt sind", sagt Andrea Stolte, Leiterin der Frauenberatungsstelle EN und eine von zwei Geschäftsführerinnen des Vereins "Frauen helfen Frauen EN – GESINE Intervention". In diesem Monat hat der Verein, der bereits in Schwelm, Hattingen und Witten vertreten ist, eine weitere Frauenberatungsstelle in Herdecke eröffnet.

Von Vera Demuth

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden die Frauenberatungsstellen deutlich öfter von der Polizei kontaktiert, weil diese einen Täter der Wohnung verwiesen hat, als im ersten Halbjahr 2020. In solchen Fällen nimmt die Beratungsstelle Kontakt mit dem Opfer auf und bietet der Frau Hilfe an. "Corona ist das eine", sagt Andrea Stolte. Vor allem nach dem ersten Lockdown 2020 stieg die Nachfrage nach Beratung. Die Sozialwissenschaftlerin und Gestaltherapeutin nimmt aber auch wahr, dass die digitale Gewalt zunimmt. Frauen werden im Internet verfolgt, ausgespäht, es werden unerwünschte intime Bilder geteilt. "Es ist so einfach, im virtuellen Raum übergriffig zu sein", sagt Stolte. "Das macht mir Sorge."

Arbeit begann Ende der 1980er Jahre

Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie die Einsicht, dass es keine Zuflucht für Betroffene im Ennepe-Ruhr-Kreis gibt, waren Ende der 1980er Jahre der Auslöser dafür, dass sich der Verein "Frauen helfen Frauen EN" gründete. 1992 wurde das Frauenhaus eröffnet. "Vom ersten Tag an kamen Frauen. Das Frauenhaus war immer hochfrequentiert", weiß Stolte, die seit 1993 für den Verein tätig ist.
Schnell war jedoch klar, dass nicht alle Frauen ihr Zuhause sofort verlassen und ins Frauenhaus möchten. Es gab einen großen Bedarf an "ambulanter" Versorgung, so dass 1996 die erste Frauenberatungsstelle in Witten entstand. "Wir haben uns aber früh Gedanken gemacht, dass Frauen aus Breckerfeld oder Schwelm nicht nach Witten kommen", erläutert Andrea Stolte. Sie kann sich an Beratungsgespräche in Cafés erinnern, die aber nicht der richtige Ort waren, um mit Frauen über deren familiäre Situation zu sprechen. Deshalb folgten weitere Frauenberatungsstellen im EN-Kreis: 2008 in Schwelm, 2010 in Hattingen und im Juli dieses Jahres in Herdecke.
Etwa 13 Mitarbeiterinnen, die alle im weitesten Sinne eine pädagogische Ausbildung haben sowie ausgebildete Beraterinnen in verschiedenen Bereichen sind, kümmern sich im Frauenhaus und den Beratungsstellen um die Anliegen der Frauen. Dabei geht es bei der Beratung längst nicht nur um Schutz vor Gewalt. "Gewalterfahrung ist ein wichtiges Thema, aber nicht das einzige", betont Stolte. Frauen, die beispielsweise in einer Krise stecken, mit ihrer allgemeinen Lebenssituation unzufrieden sind, finanzielle oder berufliche Probleme haben oder eine Trennung vom Partner planen, können sich an die Beratungsstellen wenden.

Netzwerk mit Kliniken und Ärzten

Seit Anfang der 2000er Jahre besteht das GESINE Netzwerk Gesundheit, bei dem der Verein mit allen Kliniken im EN-Kreis sowie auch Ärzten kooperiert. "Ärzte sehen Verletzungen, Patientinnen können sie niederschwellig ansprechen, und die Ärzte können sie an die Frauenberatungsstellen vermitteln", erläutert Andrea Stolte die Vorteile dieser Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsbereich.
Seit 2013 gibt es zudem TONI, die täterorientierte nachhaltige Intervention. Bei diesem Angebot für Täter bekommen diese etwas an die Hand, um ihr aggressives, gewalttätiges Verhalten zu ändern.
Finanziert wird die Arbeit von GESINE Intervention durch Fördermittel des Landes für Frauenhaus und Beratungsstellen, Geld vom EN-Kreis für die Beratungsstellen sowie durch Spenden. "Es gibt keine auskömmliche Finanzierung durch Steuern", macht Stolte deutlich. Und auch das Angebot reicht nicht aus. Regelmäßig muss das Frauenhaus hilfesuchende Frauen abweisen, weil alle Plätze belegt sind. Der neue Standort in Herdecke wurde ermöglicht, weil die Firma Dörken ihn für drei Jahre finanziell unterstützt. Wie es danach weitergeht, steht nicht fest. "Wir haben keine Sicherheit."

Zentrum geplant

Nach der Eröffnung des Standorts in Herdecke plant der Verein als nächste große Veränderung ein GESINE-Zentrum, in dem das Frauenhaus mit einer Beratungsstelle, in der etwa auch Fortbildungen und Nachbarschaftstreffen stattfinden können, zusammengeht. Hierfür hat der Verein Fördermittel bei Bund und Land beantragt und "positive Signale erhalten", so Stolte. Ein geschützter Raum für die Frauen soll bei diesem Konzept genauso entstehen wie ein öffentlicher Ort. "Das Thema Frauenhaus soll nicht versteckt werden, sondern vom Rand in die Mitte der Gesellschaft rücken."
Überhaupt ist der Beratungsstellenleiterin das Hinschauen sehr wichtig. "Gewalt in Beziehungen geht uns alle an." Deswegen ruft sie Freunde und Nachbarn auf, nicht weg-, sondern hinzugucken und die betroffenen Frauen auf das Angebot der Frauenberatungsstellen aufmerksam zu machen.

Kontakt

- Die Frauenberatungsstellen sind telefonisch montags bis freitags zu erreichen.
- Schwelm, Markgrafenstraße 6; Tel. 02336/4759091
- Hattingen, Talstraße 6, Tel. 02324/38093050
- Witten, Augustastraße 47, Tel. 02302/52596
- Herdecke, Hauptstraße 43, Tel. 02330/611111
- Beratungen werden in Schwelm an fünf Tagen die Woche angeboten, in Hattingen und Herdecke an zwei Tagen.
- Das Frauenhaus ist unter Tel. 02339/6292 zu erreichen.

Fotos mit Mut-mach-Situationen, die im Frauenhaus des EN-Kreises entstanden sind, prägen den Flur der Frauenberatungsstelle in Schwelm. Die Mitarbeiterinnen – im Bild Leiterin Andrea Stolte – bieten Frauen dort, in Hattingen, Witten und ganz neu in Herdecke Unterstützung an.  | Foto: Vera Demuth
Andrea Stolte in einem der Beratungszimmer in der Frauenberatungsstelle in Schwelm.  | Foto: Vera Demuth
Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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