Psychologische Beratungsstelle Hilden/Haan hilft Familien
Immer die Ruhe bewahren

Psychologin Britta Stubbe, Psychologische Beratungsstelle, und ihre Kollegen helfen in Krisensituationen weiter. | Foto: Michael de Clerque
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In Zeiten der Kontaktbeschränkungen wird das Leben in den Familien nicht leichter. Kommt Stress auf oder werden andere Hilfen benötigt, steht die Psychologische Beratungsstellen mit Rat und Tat zur Seite. 

Der Wochen Anzeiger (WA) Hilden sprach mit Psychologin Britta Stubbe, die in der Psychologischen Beratungsstelle Hilden-Haan arbeitet, über Familienleben in der Coronazeit. 

WA: Was raten Sie Eltern, die gerade Home-Office, Homeschooling, Kinderbetreuung und Haushalt unter einen Hut bringen müssen?

Britta Stubbe: Während dieser Zeit ist wichtig, dass die Familie gemeinsam eine feste Tagesstruktur erarbeitet. Sind die Kinder klein, sollte der Plan visualisiert sein. Die Kinder malen dann auf, wann sie im "Kindergarten" oder der "Schule" und wann sich selbst beschäftigen. Dann legen alle gemeinsam fest, wann Mama und Papa nicht gestört werden dürfen, weil sie im Home Office arbeiten. Zusätzlich gibt es Phasen, in denen gespielt und entspannt wird. Dazu kommen dann noch Zeiten, in denen die Haushaltsarbeiten auf dem Plan stehen.

WA: Wie starr sind diese Regeln?

Britta Stubbe: Der Plan ist ein Gerüst, um den Tag gut und möglichst stressfrei zu gestalten. Aber er ist nicht in "Stein gemeißelt". Die aktiven Lernphasen für die Kinder sollten allerdings vormittags liegen, weil sie während dieser Zeit konzentrierter und aufnahmefähiger sind.

WA: Halten sich Kinder an die Pläne?

Britta Stubbe: Es ist erstaunlich, wie gut Kinder, ob ruhig oder eher aktiv, mit einer festen Struktur zurechtkommen. Und man kann die Kinder auch gut in die Phase der Hausarbeit integrieren. Vor wenigen Tage erzählt mir eine Mutter, wie toll ihr Sohn das Auspacken des Geschirrspülers findet. Kinder sind an weit mehr Dingen interessiert, als man glaubt. Man kann sie auch spielerisch ans Kochen heranführen oder ihnen eine Rolle bei anderen Hausarbeiten geben - je nach Alter ist einiges möglich.

WA: Kann ich die Kids auch mal vor dem Fernseher/Computer "parken"?

Britta Stubbe: Ich finde es während dieser Zeit in Ordnung, wenn die Kinder mal etwas länger fernsehen oder sich mit dem Computer beschäftigen. Allerdings sollte das Programm altersgerecht sein und natürlich sollten die Eltern die Kleinen im Blick haben. Man muss den Kleinen und Größeren auch erklären, dass dies eine Ausnahme ist. Alternativ kann man dem Nachwuchs mal ein Hörspiel anbieten oder etwas vorlesen.

WA: Was mache ich, wenn der Partner oder man selbst die Geduld verliert?

Britta Stubbe: Wer das bemerkt, sollte sich aus der Situation befreien. Das heißt, man verlässt den Raum - geht in ein anderes Zimmer oder auf den Balkon. Es hilft, von 20 auf Null herunterzuzählen oder sich kurz über das Smartphone seinen Lieblingssong anzuhören. Sind beide Eltern zuhause, kann der Betroffene einen Spaziergang machen.

WA:
Was sollte man in dieser Situation vermeiden?

Britta Stubbe: Wichtig ist, dass sich die Erwachsenen im Beisein der Kindern nicht gegenseitig in den Rücken fallen. Vielmehr sollten sich die Eltern gegenseitig entlasten. Und auch Streit trägt man nicht vor den Kindern aus - das mögen die Kleinen überhaupt nicht und führt zu Verunsicherung. Es ist wichtig, dass sich auch die Eltern mal eine Ruhepause gönnen, um den Stress zu mindern. Aber die kann man in den Tagesplan mit aufnehmen: Nach dem Essen waschen Kinder und ein Partner ab, während sich der andere ausruht.

WA: Man will trotz des Stresses seine Arbeit gut machen -geht das?

Britta Stubbe: Man kann nicht alle Aufgaben gleich gut meistern - jedweder Perfektionismus ist gerade jetzt fehl am Platz. Ich rate da zu mehr Gelassenheit. Wenn der Haushalt nicht makellos aussieht, macht das nichts. Es kommt doch ohnehin niemand zu Besuch.

WA: Darf ich mir Freiräume schaffen?

Britta Stubbe: Unbedingt. Die persönlichen Freiräume auch ohne Partner und Kinder müssen sein. Diese Ruhephasen schaffen Kraft und sorgen für Entspannung.

WA: Und wenn die Spannung trotzdem steigt?

Britta Stubbe: Dann kann man uns anrufen. Wir sind da und helfen gern individuell weiter. Ich habe großen Respekt vor den Alleinerziehenden und gerade jetzt, wenn sie im Home Office arbeiten. Wenn es gar nicht mehr geht, finden wir sicher eine Lösung.

WA: Wie bindet man Jugendliche ein?

Britta Stubbe: Für die Jugendlichen ist es jetzt besonders schwer: Sie sind in einer Phase der Abnabelung von der Familie und müssen nun plötzlich mit allen in der Wohnung bleiben. Ihnen bleibt jetzt nur noch über die sozialen Medien der Kontakt zu ihren Freunden. Im Zweifel würde ich jetzt mögliche Handyverbote auflockern. Und die, die permanent hinter dem Computer sitzen, kann man auch mal auffordern, den Platz zu verlassen. Auch gemeinsame Spielabende bieten sich jetzt an. Viele Jugendliche haben daran sogar Spaß. Das enge Aufeinanderhocken kann also auch durchaus gute Seiten haben, weil man sich wieder etwas näherkommt. Das gilt für die Älteren genauso wie für die Jüngeren. Und wenn es tatsächlich kracht, ist Deeskalation der beste Weg. Im Zweifel, wie gesagt, einfach mal rausgehen und auch über die Argumente der Jugendlichen nachdenken.

WA: Wie wichtig sind Regeln und Konsequenz?

Britta Stubbe: Regeln und konsequentes Handeln sind grundlegend für die Erziehung - sie sind die eine Seite der Erziehungsmedaille. Die andere Seite ist das Geben von Freiraum oder auch "Mal fünfe gerade sein lassen". Diese Positionen dürfen Eltern auch gern mal ausdiskutieren und sie sollten auch mal probieren, die Rollen zu tauschen.

WA: Soll man mit den Kindern über Corona reden?

Britta Stubbe:
Das kommt auf die Kinder an. Einige interessiert das Thema nicht. Sensiblen Kids kann man die Pandemie erklären, aber ohne Angst zu machen. Man den Kindern ruhig sagen, dass sie nicht erkranken können oder kaum etwas davon merken. Wer Zuversicht ausstrahlt, kommt besser durch die Krise. Ängste nimmt man, indem man die Kinder die Ängste - auch andere - malen lässt. Anschließend verpackt man sie oder schließt sie zusammen mit den Kindern weg. Phantasiereisen und Entspannungsübungen helfen zusätzlich.

WA: Was ist sonst noch wichtig?

Britta Stubbe: Familien sollten mit den Kindern im Wald spazieren gehen. Das lenkt ab und die Kinder kommen auf neue Ideen. Man kann auch Stöcke oder kleine Steine sammeln und sie zum Basteln verwenden.

WA: Und wenn die Babys den ganzen Tag schreien?

Britta Stubbe: Dann helfen wir - derzeit am Telefon - weiter. Auch bei anderen Fragen rund um die Krise - ob finanziell oder pädagogisch- über das Stellwerk Familienbüro finden wir Ansprechpartner für alle Probleme - auch unabhängig von Corona und auch nach der Krise.

WA: Frau Stubbe, vielen Dank für das informative Gespräch

Die Beratungsstelle ist montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr und freitags von 9 bis 12 Uhr unter Telefon (02103) 72 271 zu erreichen. Außerhalb dieser Zeiten ist es möglich, eine Nachricht auf die Mailbox zu sprechen oder eine E-Mail an beratung@hilden.de zu senden. Ein Rückruf erfolgt so schnell wie möglich. Ausführliche Informationen stehen auf der städtischen Internetseite www.hilden.de/beratung zur Verfügung. Unter www.hilden.de/familienportal finden Familien darüber hinaus weitere Hinweise und Hilfen.

Das Telefoninterview führte Dirk-R. Heuer

Psychologin Britta Stubbe, Psychologische Beratungsstelle, und ihre Kollegen helfen in Krisensituationen weiter. | Foto: Michael de Clerque
Autor:

Lokalkompass Langenfeld - Monheim - Hilden aus Monheim am Rhein

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