Baustellenbegehung eines Teilabschnittes der A 71 und Besichtigung einer Ausgrabungsstelle in Thüringen

Anfang des Bauabschnitts in Heldrungen
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Als ich das Angebot bekam, im August an einer Baustellenbesichtigung eines Teilabschnittes der A 71 im Freistaat Thüringen teilzunehmen, habe ich sofort zugesagt.

Geplant und gebaut wird die A 71 zwischen Autobahndreieck Südharz (A 38) und der Anschlussstelle Sömmerda Ost von der DEGES.

Die Besichtigung fand auf dem Teilstück zwischen Artern und Heldrungen statt.

Die DEGES GmbH wurde 1991 vom Bund und den fünf neuen Bundesländern ursprünglich gegründet, um Teile der „Verkehrsprojekte Deutschen Einheit“- Straße zu realisieren.

Bis heute wurden auch folgende „alte“ Bundesländer Gesellschafter der DEGES: die Freie und Hansestadt Hamburg, die Freie Hansestadt Bremen, sowie die Länder Schleswig-Holstein und Hessen.

Die Länder übergeben zu realisierende Baumaßnahmen an die DEGES, wobei oft gilt „Einfach kann jeder, wird es schwierig, dann nehmen wir DEGES.“

Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, wieso sich diese Länder dazu entschieden haben, Gesellschafter der DEGES zu werden. Diese hat schon viele komplexe und anspruchsvolle Verkehrsverbindungen in Deutschland neu- oder ausgebaut. Von dieser reichhaltigen Erfahrung im Bereich von planerischen, technischen, naturschutzfachlichen, rechtlichen und kaufmännischen Fragen können die Länder nur profitieren.

Bei der Planung und der Realisierung von neuen Autobahnen werden heute im Gegensatz zu früher einige Gewichtungen anders gelegt.

Der Besuch der Baustelle gab einen Einblick in die vielfältige Tätigkeit der Planer und Bauleute.

U.a. zu den Themen Umweltschutz und Archäologie erhielten wir spezielle Informationen.

Wie schon gesagt, ein ganz großer Punkt in der Planung ist der „Umweltschutz“.

Autobahnneubau hat heute sehr viel mit Umweltschutz zu tun. Dies ist u.a. im EU-Recht geregelt.

Da gibt es z.B. Fledermausüberflughilfen (FÜH), die erst mal so aussehen wie Lärmschutzwände, aber beim näheren Hinsehen stellt man fest, da ist ja keine richtige Wand, sondern eher ein engmaschiger Zaun. Fledermäuse nehmen anhand ihrer sensorischen Fähigkeiten wahr, dass dort ein Hindernis steht. Sie überfliegen dieses Hindernis in entsprechender Höhe und stoßen nicht mit dem Verkehr zusammen.

Wilddurchlässe werden unterhalb der Autobahn gebaut, wo man anhand der Spuren sieht, wie diese durch das Wild angenommen werden. Mit entsprechender Begrünung und Wildschutzzäunen wird Hilfe geschafft, damit das Wild weiß, wo es entlang laufen kann und darf.

Ein anderes Beispiel ist die Umsiedlung des vom Aussterben bedrohten Feldhamsters. So werden z.B. Flächen in Abstimmung mit den Landwirten angelegt, die hamsterfreundlich bewirtschaftet werden.

Für die „Berle“ (Pflanze), die als Nahrung für die seltene Libelle „Helm-Azurjungfer“ dient, werden Brücken im Mittelstreifen aufgeweitet, so dass ein nicht zu großer Schattenbereich entsteht.

Neben den vielen anderen Aspekten, die bei Planung und Bau zu berücksichtigen sind, ist auch das Thema der Bodendenkmalpflege zu beachten. Gibt es entsprechende Hinweise von den Fachleuten, dann werden vor dem eigentlichen Bau Prospektionen durchgeführt und manchmal stößt man dann aufgrund der Form auf ungeahnte archäologische Funde.

So fand man zum Beispiel Hinweise auf das Haus des „Pharao aus Thüringen“ in unmittelbarer Nähe zum Leubinger Fürstenhügel (Grab)“.

Da in der Nähe eine Tank- und Rastanlage der A 71 geplant ist und auch umgesetzt werden soll, wurden umfangreiche archäologische Untersuchungen durchgeführt.

Im Rahmen der Planfeststellung wurde u.a. festgelegt, dass die Tank- und Rastanlage in Ihrer Höhenentwicklung den Fürstenhügel nicht verdecken darf.

Natürlich gibt es neben diesen Aspekten auch viele technische anspruchsvolle Sachverhalte zu beachten.

So erfordert die Querung der Helme-Aue einen umfangreichen Bodenaustausch, da der vorhandene Boden nicht tragfähig ist.

Die Querung des FFH-Gebiets „Gewässersystem der Helmeniederung“ mit besonderer Beachtung der vorhandenen Flora und Fauna (Helm-Azurjungfer, Kleinere Bachmuschel) führt zu baulichen Maßnahmen, u. a. Herstellung eines aufgeweiteten Regelquerschnittes mit einem verbreiterten Mittelstreifen bis zu 12 m Breite.

Bei der Querung einiger Braunkohlengruben müssen Hohlräume verfüllt und Auflockerungen mit Zement stabilisiert werden.

Bei der Querung von Hohlräumen, die durch Auslaugung entstanden sind, (sogenannte Erdfälle) sind spezielle Sicherungsmaßnahmen erforderlich in Form der Herstellung einer Stahlbetonplatte unterhalb der Fahrbahn.

Auf der A 71 ist der „Schmücketunnel“ seit 2008 fertig gestellt. In vielen Tunneln ist eine Statue der Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, aufgestellt. Im Schmücketunnel (ca. 1700 m) befindet sie sich in einer besonderen Nische. Übrigens war während des Baus Frau Althaus als Ehefrau des damaligen Ministerpräsidenten Thüringens die Tunnelpatin.

Nachdem wir auf einen Teilabschnitt der A 71 zwischen Heldrungen und Artern die Autobahnbaustelle besichtigt hatten, führte unser Weg weiter zu einer archäologischen Ausgrabungsstelle bei Dermsdorf, wo im nächsten Jahr im Vorfeld des Autobahnbaus eine Umgehungsstraße gebaut werden soll. Der Archäologe Herr Dr. Wechler erklärt uns dort alles.

Wir nahmen die Umrisse des Hauses des „Hügelfürsten“ in Augenschein, welche zur Zeit auf Millimeterpapier katalogisiert werden. Auf dieses Grundstück ist man aufmerksam geworden, da man einen außerordentlichen Hortfund gefunden hatte. Es war ein Gefäß, welches randvoll mit Beilen gefüllt war. Man hat herausgefunden, dass sie wohl 4000 Jahre alt sind.

Dahinter arbeitete ein Bagger, der ganz vorsichtig schichtweise die Erde abschiebt. Wo die Erde auf einmal dunklere Flecke ausweist, werden die Stellen mit Stöcken markiert, da sich vermutlich an diesen Stellen ein Häuserpfosten oder eine Abfallgrube o.ä. befunden hat.

Auf diesem Ausgrabungsgelände ist auch ein kleiner Friedhof entdeckt worden. Die Skelette sind aus der karolingischen Zeit, 900 n. Chr. Mit sehr viel Ehrfurcht vor diesen alten Funden, aber vor allem vor dem gerade gefundenen Grab einer jungen Frau, standen wir davor. Man wundert sich, wie gut erhalten es noch ist. Wir durften zusehen, wie dieses Skelett archäologisch und professionell für die Nachwelt fotografiert wurde. Auf meine Frage, ob ich es auch fotografieren dürfe, bekam ich grünes Licht.

Fazit : Nach dem Besuch der Baustelle, sehe ich Autobahnen mit ganz anderen Augen. Es ist schon faszinierend, welche Fragestellungen bei der Planung zu beantworten und welche Probleme beim Bau zu lösen sind, um ein solches komplexes Bauwerk mit Brücken und Tunneln vom Papier in die Landschaft zu projizieren.

Autor:

Adelheid Windszus aus Hünxe

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