Nach Riss eines Shetland-Ponys in Hünxe entbrennt die Diskussion um Wölfin "Gloria" erneut
Buschmann: "Bin berührt und zutiefst erschüttert!" - Rexforth: "Der Abschuss wäre das letzte Mittel."

Den Kadaver der Shetlandpony-Stute Ella fand Helmut Wölker am Montag.  | Foto: privat
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  • Den Kadaver der Shetlandpony-Stute Ella fand Helmut Wölker am Montag.
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Erneut ist ein Tier bei Hünxe gerissen worden - und wieder kochen die Gemüter vor Ort und in der Region vor Aufregung. Helmut Wölker fand seine Shetlandpony-Stute "Ella" am Montagmorgen tot auf einer Wiese am Hardtbergweg.

Es war nicht der erste Vorfall dieser Art: Bereits Ende Oktober hatten die Niederrheinwölfe ein Shetlandpony bei Kirchhellen gerissen. Die Tatsache, dass der rund 150 Kilogramm schwere "Ella" zirka 20 Kilo Fleisch aus dem Leib gefressen wurden, lässt ihren Besitzer auf die Wölfe als Täter spekulieren. Helmut Wlker, der Halter des siebenjährigen Shetlandponys,  kann nicht verstehen, dass nicht gehandelt wird: „In den letzten drei Jahren hat der Wolf bereits zwei Schafe aus meiner Herde gerissen. Beide Male führte ein Kehlbiss zum Tod. Jetzt traf es unser Pony Ella. Tierhalter in der Nachbarschaft bangen auch um ihre Tiere. Auch Zäune bieten keinen sicheren Schutz.“

Zwar sei er entschädigt worden, aber Geld könne den emotionalen Schaden bei weitem nicht wettmachen. Wölker: „Besonders unsere Enkelkinder im Alter von ein, sechs und zehn Jahren hätten gern ein neues Pony, aber wegen der vorherrschenden Gefahr ist daran nicht zu denken. Wir produzieren hier viel Grün, aber aus Angst vor erneuten Übergriffen werden wir vorerst keine neuen Tiere halten.“

Die beteiligten Parteien sind sich beim Thema Niederrhein-Wölfe seit geraumer Zeit nicht grün. Unter anderem das „Gahlener Bürgerforum“, das im Wolfsgebiet Schermbeck Angriffe auf Weidetiere dokumentiert. Diesen Aktiven springen unter anderem die Kreisjägerschaft Wesel, der regionale Schafzüchterverband und der CDU-Landrat Ingo Brohl argumentativ bei. Letzterer stellt klar: "Bisher hat das LANUV im Fall des aktuell in Hünxe gerissenen Ponys noch keinen Wolfsriss bestätigt. Auch wenn es aufgrund der bisherigen Wolfsrisse in der Gegend wahrscheinlich ist, dass das Pony durch einen oder mehreren der dort ansässigen Wölfe getötet wurde, muss das Ergebnis der offiziellen Untersuchung durch das LANUV zunächst abgewartet werden.
Eine veränderte Einschätzung der übergeordneten Stellen (LANUV, Umweltministerium) in Bezug auf die neue Rudel-Situation (Anm.: Nachweis eines dritten Wolfes, bzw. Welpen) liegt dem Kreis Wesel aktuell nicht vor.
Der Kreis Wesel und damit auch der Landrat sind in ihrem Handeln und ihren Entscheidungen an rechtliche Vorgaben gebunden. Wölfe sind gemäß Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Dieser Schutz ergibt sich aus zwei europarechtlichen Vorgaben. Das ist zum einen die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der Europäischen Union (FFH) und zum anderen die Berner Konvention. Danach dürfen Wölfe in Europa nur im Ausnahmefall und nach besonderer Prüfung durch die Behörden entnommen werden.
Nach meinem persönlichen Empfinden handelt es sich bei den bekannten Wölfen GW954f und GW1587m, insbesondere der Wölfin, aufgrund der vielen Nutztiere, die nachweislich von ihr gerissen wurden, um Wölfe mit einem problematischen Verhalten. Sollte fachlich und rechtlich daher ein solcher Ausnahmefall festgestellt werden, wäre ich deshalb in diesem konkreten Fall zu einer Entnahme bereit."

Nicht weit vom Wohnhaus

Die siebenjährige Stute hatte nach Angaben des Besitzers zirka 20 Meter von einem Wohnhaus entfernt auf einer Weide gestanden, bevor sie durch einen Kehlbiss getötet wurde. Anschließend war der Kadaver mehrere Meter weit über die Koppel geschleift worden. Man darf getrost davon ausgehen, dass der Vorfall die angespannte Situation zwischen Weidetierhaltern und Wolfsliebhabern wieder auf Hochtouren bringt.
Kurz vor Weihnachten hatte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) bestätigt, dass Ende Novemner 2020 drei Wölfe in einem Waldgebiet in Hünxe gefilmt wurden und damit die Gründung eines ersten Rudels nachgewiesen werden konnte. Bei dem fotografierten Jungwolg handelte es sich um einen etwa sechs Monate alten Welpen. Daher sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich um einen Welpen der im Territorium vorkommenden Wölfe GW954f (Gloria) und GW1587m handelt".

Streit eskaliert immer weiter

Der Streit über die Frage "Entnahme - ja oder nein" läuft indes immer weiter. Zum Jahreswechsel kritisierte der BUND im Kreis Wesel öffentlich die Schermbecker Ratsentscheidung.  Zu den Gegnern der von Schafzüchtern, Pferdehaltern und vom Schermbecker Stadtrat  befürworteten "Entnahme" der Wölfe zählen neben BUND, NaBu-Vertretern und vielen Privatbürgern auch Dardan Dalloshi aus Voerde, der auf der Petitionsplattform Change.org eine Unterschriftensammlung gegen den Abschuss der Wölfe gestartet hat. Über 70.000 Menschen haben dort bereits unterschrieben.
 Der Initiator kommentiert das Geschehen in Hünxe so: “Wenn Wölfe für den Riss des Ponys verantwortlich sind, tut es mir leid. Dennoch sollte die Wölfin Gloria nicht getötet werden. Landwirte, die Schutzmaßnahmen wie Zäune umsetzen, haben einen Anspruch auf Entschädigung vom Land NRW für ein gerissenes Tier. Das Umweltministerium kritisiert den bisherigen Schutz als nicht ausreichend und stimmte deshalb bisher auch noch nicht der Entnahme der Wölfe zu. Im Alleingang wollen der Landrat und der Gemeinderat hier Fakten schaffen. Das wollen wir verhindern. Mehr als 65.000 Menschen fordern den Landrat Ingo Brohl und den Gemeinderat auf, die Entscheidung zu überdenken! (...)  Jedes Lebewesen soll das Recht auf Leben haben!”

Hintergrund: Seit 2018 lebt Wölfin Gloria, auch bekannt unter dem Namen GW954f, in dem Wolfsgebiet um Schermbeck und Hünxe. Seit einiger Zeit begleitet sie ein männlicher Wolf und inzwischen haben die beiden Wölfe auch Nachwuchs bekommen. Der Gemeinderat Schermbeck stimmte schon im Dezember 2020 für den Abschuss der Wölfin Gloria. Daraufhin startete der 28-jährige Dardan Dalloshi seine Petition. (Kurzlink zur Petition: change.org/Wolf-Gloria)

Weitere Stimmen ...

Dirk Buschmann (Hünxer Bürgermeister): " Wenn ich (...) die Bilder eines gerissenen Tieres sehe, wie heute beispielsweise das Bild des Shetland Ponys in Hünxe , bin ich berührt und zutiefst erschüttert. Wenn ich das Tier kannte, berührt mich dieses Bild sicher noch mehr. Für den oder die Tierhalter ist dies immer ein großer Verlust.
Aus Sicht des Bürgermeisters nehme ich die Sorgen der Tierhalter und Bürger natürlich sehr ernst, muss diese häufig emotionale Sicht jedoch abgleichen mit der nüchternen Verwaltungssicht. Ich muss also ein solch berührendes Bild mit objektiver Brille betrachten.
Demnach gilt: Wölfe sind im gesamten Bundesgebiet über den Artenschutz und § 44 BNatschG streng geschützt. Eine Regulierung des Bestands gibt es daher nicht. Nach der jüngsten Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ist es erlaubt Wölfe zu jagen, wenn sie im Verdacht stehen, Schafe oder andere Nutztiere gerissen zu haben. Die neue Regelung soll den Artenschutz der Wölfe und den Schutz von Schafen sowie anderen Herdentieren gleichermaßen sicherstellen und die Nutztierhalter unterstützen.
In Nordrhein-Westfalen können Anträge auf Entnahme oder Vergrämung einzelner auffälliger oder problematischer Wölfe im Rahmen eines Ausnahmeantrags bei der zuständigen unteren Naturschutzbehörde gestellt werden. Die für Hünxe zuständige untere Naturschutzbehörde ist der Kreis Wesel. Soweit mir bekannt ist, wurde ein solcher Ausnahmeantrag beim Kreis Wesel bereits gestellt.
Ich habe großes Vertrauen in die Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen des Kreises Wesel und bin sehr zuversichtlich, dass dort eine gut abgewogene Entscheidung im Hinblick auf den Umgang mit den in Hünxe gesichteten Wölfen getroffen wird.

Mike Rexforth (Bürgermeister in Schermbeck): "Der neuerliche Riss des Ponys lässt vermuten, dass ein Wolf hierfür verantwortlich sein könnte. Sollte sich das bei den weiteren Untersuchungen als richtig erweisen, ist dies ein weiteres Argument für die Richtigkeit dervom Rat der Gemeinde Schermbeck erlassenen Resolution zur Entnahme der, sollte sie dafür verantwortlich sein, Wölfin GW954f.
Ich möchte noch einmal betonen, dass der Rat der Gemeinde Schermbeck sich ausdrücklich für die Verwendung dieser Begrifflichkeit entschlossen hat. Eine Entnahme kann auch eine Umsiedlung des Tieres als milderes Mittel bedeuten. Der Abschuss wäre das letzte Mittel. Der Gemeinde Schermbeck steht hier keine Entscheidungskompetenz zu. Dies obliegt allein den zuständigen Oberbehörden." 

Ulrike Trick (Grüne Kreis Wesel): "Sollte sich erweisen, dass der Tod des Ponys auf einen Wolfsriss zurück zu führen ist, bedeutet das,dass hier dringender Handlungsbedarf für die zuständigen Stellen gegeben ist. Nicht nur Ponys,auch Jungtiere wie Kälber,Fohlen und Alpakafohlen bedürfen des Herdenschutzes. Die entsprechenden Empfehlungen für den Herdenschutz dieser Tiere sind umgehend zu erarbeiten und die finanziellen Mittel bereitzustellen."
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Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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