Nachhilfeunterricht für das Jobcenter Märkischer Kreis
„Niemand“ erwägt Konsequenzen aus Sanktionsurteil des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil 1 BvL 7/16 vom 05.11.2019 festgestellt, dass Sanktionen von 60% und 100% gegen Leistungsberechtigte verfassungswidrig sind und immer schon waren.

Die fortgesetzte Sanktionspraxis traf in der Hauptsache wohl Personen die ich immer wieder als „Beutegruppe“ umschrieben habe. Darunter sind Menschen die psychisch und körperlich massiv angegriffen waren, dem Jobcenter gegenüber naiv und zu vertrauensselig waren, als „Sozial-Schmarotzer“ denunziert wurden und sozialrechtlich hilflos und unerfahren sind.

Um solche Menschen gefügig zu machen, wurde sanktioniert. Dabei zeigten sich etliche Jobcentermitarbeiter einfühlsamer, andere mutierten zu kleinen „Sadisten“. Wie hatte es uns Günther Wallraff in seiner Reportage über Jobcenter 2015 eindrucksvoll gezeigt: „Hier kann ich Gott sein.“

Und 70 Jahre Grundgesetz lehren uns, dass die Verantwortlichen offensichtlich noch nicht einmal den ersten Artikel der Menschenwürde verstanden haben, denn 14 Jahre lang haben Sozialrichter und Jobcenter verfassungswidrig, unter Missachtung der Menschenwürde und des Sozialstaatsgebot gehandelt. 14 Jahre lang wurden Mahner und Kritiker belächelt und ignoriert. Erst jetzt haben sie wenigstens zum Teil Recht bekommen. Und bisher nur für 60% & 100% Sanktionen! - Den Rest wird die Geschichte richten.

Jetzt wäre die Möglichkeit zur Aufarbeitung dieses sozial-rechtlichen Desasters gegeben.

1. die Zahl der Opfer im Märkischen Kreis müssten für den gesamten Zeitraum detailliert ermittelt werden
2. die finanziellen Schäden der Opfer durch verfassungswidrige Rechtsbeugung errechnet werden und
3. alle Opfer müssten von Amts unbürokratisch entschädigt werden.

Informationsfreiheit

Neben anderen wurde auch das Jobcenter Märkischer Kreis angefragt, welche
Konsequenzen aus Sanktionsurteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 7/16 
im hiesigen Jobcenter gezogen. – Keine!

Und wieder einmal ist der Nachweis erbracht, dass die Verantwortlichen (anonymisiert heißen alle „Niemand“) des Jobcenter Märkischer Kreis das Recht beugen, denn gem. § 17 SGB I (1) sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass
1.
jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,
2.
die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen,

Sämtliche verfassungswidrig Sanktionierte haben eben nicht alle ihnen zustehenden Sozialleistungen erhalten.

Aber selbst das viel zu kurz greifende Urteil das Bundesverfassungsgerichts sollte hinreichend eine Rechtspflicht zur Entschädigung auslösen.
Der Umgang in der Führungsebene des Jobcenters in Verbindung mit dem Landrat des Märkischen Kreises als Mitglied der Trägerversammlung lässt bisher jede Verantwortungsethik vermissen.

Überprüfungsantrag für 2019 möglich

Das Jobcenter hatte 2019 Hunderte von Sanktionen verhängt. Der überwiegende Teil entfiel auf Meldeversäumnisse. Die Zahl der 60% & 100% Sanktionen kann ermittelt werden, weil die Erfassung der Prozente in der Jobcentersoftware ausdrücklich vorgesehen ist.

Jeder von Sanktionen Betroffene hat die Möglichkeit seine Sanktionsbescheide rückwirkend zum 01.01.2019 überprüfen zu lassen. (Das gilt übrigens auch für andere Bescheide).

Weil die Jobcenter zwar von Gesetzeswegen zu Sachaufklärung, Beratung und Unterstützung verpflichtet sind, dieser Pflicht ab nur unzureichend nachkommen, versuche ich mich hier mal wieder als „freier Jobcenter-Mitarbeiter“.
Ich würde mich freuen, wenn ich ein paar verfassungswidrig Sanktionierte ermutigen könnte, die ihnen zustehenden Leistungen doch noch zu erhalten.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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