Jobcenter Märkischer Kreis: Mietsenkungsverfahren wegen 6,50 Euro

Hartz IV treibt seltene Blüten. Eine davon sind die angestrengten Zwangsumzüge.

Am 03.11.2015 erhielt eine Leistungsberechtigte vom Jobcenter Märkischer Kreis eine Aufforderung Ihre Unterkunftskosten zu verringern:

„Ihre Unterkunftskosten (Kaltmiete inkl. kalter Nebenkosten) übersteigen daher die angemessenen Kosten der Unterkunft um 6,50 €.“

„Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II fordere ich Sie daher auf, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten Ihre Aufwendungen für die Unterkunft bis zum 31.05.2016 auf das angemessene Maß zu senken. Dies kann durch einen Umzug in eine kostengünstigere Wohnung, durch Untervermietung oder auf andere Weise geschehen.

Sollten Sie bis zum oben genannten Termin Ihre Unterkunftskosten nicht auf das angemessene Maß gesenkt haben, weise ich schon jetzt darauf hin, dass ab dem 01.06.2016 bei der Berechnung der Leistung nach dem SGB II nur noch die angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 308,50 € berücksichtigt werden. Dies bedeutet auch, dass eine ab diesem Zeitpunkt entstehende Nebenkostennachzahlung ebenfalls nicht mehr übernommen werden kann.

Es steht Ihnen selbstverständlich frei, den Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen und der angemessenen Miete, im Rahmen Ihrer Dispositionsfreiheit, aus dem Regelsatz zu finanzieren und in Ihrer Wohnung zu verbleiben.“

Die Umzugs- und Folgekosten trägt der Steuerzahler

6,50 € im Monat sind 78,00 € im Jahr. Mit der behördlichen Aufforderung zum Umzug, übernimmt das Jobcenter die umfangreichen Folgekosten für einen Umzugsunternehmer, die Kaution einer neuen Wohnung, die ergänzende Erstausstattung für die neue Wohnung, ggfs. Renovierungskosten, Nachsendeaufträge und Ummeldekosten für Telefon und Internet. Und selbst wenn die Heizkosten in der neuen Wohnung doppelt so hoch sein sollten, dass Jobcenter zahlt alles. Im Ernstfall auch noch die Anwaltskosten wenn eine freiwillige Kostenübernahme nicht erfolgt und rechtliche Schritte nötig werden.

Und wenn diese 6,50 € im Monat Hunderte und Tausende von Euro Folgekosten bewirken!

Die Vorgaben des Jobcenter Märkischer Kreis sind keineswegs gerichtsfest

Seit mehreren Jahren sind etliche Klagen, gegen die Mietvorgaben des Märkischen Kreises gerichtsanhängig und erst kürzlich hatte das Sozialgericht Dortmund das angeblich „schlüssige Konzept“ der Firma „Analyse & Konzepte, Hamburg“ für den Hochsauerlandkreises als unzureichend verworfen. (S 62 SO 444/14)

Es besteht in jedem Fall eine realistische Chance, dass auch die Vorgaben des Märkischen Kreises an den Auflagen des Bundessozialgerichts scheitern werden.
In dem Fall werden allerdings nur diejenigen Kläger mit Nachzahlungen rechnen können, die sich gewehrt haben. Die Leistungsberechtigten, die die Kürzungen widerspruchslos hingenommen haben, haben sich damit einverstanden erklärt, betrogen zu werden.

In den vergangenen Jahren (2005-2014) wurden im Märkischen Kreis 9.065 Mietsenkungsverfahren eingeleitet. Immer war angeblich die Miete zu teuer.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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