Vom Altenkrankenheim zur „Lebenswelt“

Gebäude und Denken haben sich in St. Hedwig gewandelt - Schöpfkellen statt Tablettsystem: Bewohner und Mitarbeiter profitieren.

Kamp-Lintfort (cpm). Eine Lücke mit einigen Löchern in der Wand ist zwischen den Schriftzügen „Caritas“ und „St. Hedwig“ geblieben. Dort prangte früher das „Altenkrankenheim“. Stattdessen stehen ein schwarzes und ein pinkes Schaf vor der versetzten Eingangstür des Caritas-Altenheims in Kamp-Lintfort. Beide stehen als Symbole für einen radikalen Wandel. In 25 Jahren seit der Eröffnung 1988 hat sich die Betreuung und Pflege von alten Menschen stark entwickelt. Dafür ist nicht nur das Gebäude grundlegend umgebaut worden, sondern haben sich auch das Denken und Handeln geändert. Fred Krusch, seit drei Jahren Leiter in St. Hedwig, kann es alternativ zum Sichtbaren auch mit Zahlen belegen: 126 Bewohner waren bis zum kompletten Umbau vor fünf Jahren auf drei "Stationen" untergebracht, heute sind es 89 in sechs Wohngruppen. Eine ganze Woche lang wird in St. Hedwig, das zum Caritasverband Moers-Xanten gehört, vom 8. bis 14 Juli Jubiläum und Wandel gefeiert.

Kruschs Ziel ist einfach: „Das Wichtigste ist, die Menschen zum Lachen zu bringen“, ihnen Lebensfreude zu vermitteln. Das gelte sowohl für Bewohner wie auch Mitarbeiter. Klar sei, die einen könnten sich nicht wohlfühlen, wenn es den anderen nicht gut gehe. Dazu muss an vielen Stellen angepackt werden und sind auch vermeintliche Kleinigkeiten wichtige Schritte. Beim Essen zum Beispiel ist das Tablettsystem abgeschafft worden. Der Tisch wird wie zuhause eingedeckt, auf Wunsch gibt es das Frühstücksei und mit der Schöpfkelle kann jeder selbst entscheiden, wieviel er mag.

Viel ruhiger geht es heute in den Gruppen zu, denn maximal 13 Bewohner teilen sich den großen Gemeinschaftsraum mit Balkon und Küchenzeile. Fast alle Doppelzimmer sind umgewandelt und nur wenige alte Menschen teilen sich noch zu zweit ein Bad. Früher war "eine gute Absprache notwendig", damit es in den zwei Bädern, die für die 42 Bewohner einer Station zur Verfügung standen, nicht zum Stau kam," erinnert sich Elke Rennings, die von Anfang an in St. Hedwig arbeitet. Viel Raum habe es dagegen für Büros und Empfang gegeben, die das Erdgeschoss einnahmen.

Belastend für Bewohner und Mitarbeiter war auch, dass sie mitten im Trubel saßen, um ihre Büroarbeiten und die Dokumentation zu erledigen. Ihre abgetrennten Büros heute sind zwar sehr klein, bieten aber Ruhe. Sich um die Mitarbeiter zu kümmern, zahlt sich unmittelbar aus. Fred Krusch kann das belegen. Krankenstand und Überstunden haben sich drastisch reduziert. Alle technischen Hilfsmittel zur Entlastung werden eingesetzt und jeder Mitarbeiter ist verpflichtet, sie so weitgehend wie möglich zu nutzen. Stolz präsentiert Krusch eine Gleitmatte, auf der die Bewohner ganz leicht verlagert werden können.

Die vielen Verbesserungen schlagen sich auch in der Beurteilung nieder. Nicht nur die Bewohner äußern sich zufrieden, der Medizinische Dienst der Krankenkassen bescheinigt St. Hedwig, eines der besten Altenheime im Kreis Wesel zu sein. Und eine Belegungsquote von 99,24 Prozent im letzten Jahr spricht für sich.
Was Fred Krusch und seinem Team nicht reicht. St. Hedwig macht mit beim Modellprojekt "EQMS - Ergebnisqualität Münster", in dem die Altenheime sich untereinander vergleichen, was eher als der derzeitige "Pflege-TÜV" Mängel auch in einzelnen Wohngruppen eines Heimes aufdeckt. In ständigen Gesprächen, an denen jetzt nicht nur die Pflegedienstleitungen teilnehmen, wird nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Pflegedienstleiterin Elke Dobrzynski sieht St. Hedwig als "lernende Organisation".

Die Bewohner müssen diese organisatorischen Interna erst einmal nicht interessieren. Sie können es genießen und sich wie zuhause fühlen. Dazu gehört in der Bergbaustadt Kamp-Lintfort, in der die letzte Zeche erst vor einem Jahr geschlossen wurde, auch das entsprechende Ambiente: Die Lore vor dem Eingang, im "Schacht 2" fährt man hoch in die oberen Geschosse und die Wohngruppen sind nach den ehemaligen Flözen benannt. Immerhin 60 Prozent der Bewohner stammen aus Bergbaufamilien.

059-2013 4. Juli 2013

Autor:

Sarah van Treek aus Moers

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