"Der Hund darf kein Sklave sein"

Ein unschlagbares Team:  die belgische Schäferhündin Dana und Silvia Czapkowski. Foto: Stadtspiegel
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  • Ein unschlagbares Team: die belgische Schäferhündin Dana und Silvia Czapkowski. Foto: Stadtspiegel
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Seit 1910 sind Hund und Mensch ein eingespieltes Team im Verein für Gebrauchshunde (VFG) in Marl. Am Samstag, 4. Dezember, wird der Verein ein ganzes Jahrhundert alt.
Siegfried Urginus sagt selbst, dass diese Vereine „als Schmuddelkinder der Nation angesehen und stiefmütterlich behandelt werden“.
Ich habe den Verein vor dem Fest besucht und stelle ihn vor.

Nena ist ein Jahr und vier Monate alt. Trotz ihres jungen Alters muss sie richtig ackern für ein Leckerli. Ihre ältere Freundin Dana, sieben Jahre, wagt den mutigen Sprung über ein rund zwei Meter hohes Hindernis. Nena und Dana sind Hundefreundinnen und verbringen viel Zeit auf dem 8000 Quadratmeter großen Gelände des VFG Marl 1910.
Als Polizeikommissar Richter, der Drogist Johann Degeling und Bauunternehmer H. Franke in der Gaststätte Lechtenböhmer in Marl 1910 ihren Hundeverein gründeten, ahnten sie noch nicht, dass sich ihr Verein zu einem Traditionsverein entwickeln würde und 100 Jahre später eine Titelgeschichte im Stadt Spiegel wird.
Die Schutzhundsportvereine zeichneten sich aus der um die Jahrhundertwende aufkommenden Diensthundebewegung ab und trugen deshalb zum Teil den Zusatz Polizeihundeverein. Die Intention bestand in der Erholung und Regeneration von Bergleuten und anders körperlich schwer arbeitenden Menschen, die den Gebrauchshundesport schließlich als Ausgleich benutzten. Der geneigte Leser wird sich jetzt fragen: Was sind eigentlich Gebrauchshunde? Gebrauchshunde sind Hunde, die im Fährtenlesen und im Gehorsam zu gebrauchen sind und sogar im Notfall bereit sind, ihr Alphatier, den Menschen, zu beschützen.
Beim VFG Marl steht das Team aus Hund und Mensch im Mittelpunkt. Obwohl sich der Hund ganz klar unterordnen muss, besteht eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Hund und Mensch, da den Hunden Freiraum, Beschäftigung, Triebbefriedigung - alles Inhalte, die ein Hund braucht - in diesem Zusammenhang auch Bestätigung und eine tierschutzgerechte Ausbildung zu Teil wird.
Das Ziel, welches viel Arbeit, Konsequenz und Arbeitseifer erfordert, um dahin zu kommen, ist es „die Arbeitsfreude beim Hund zu fördern und aus dem ‚sollen‘ ein ‚wollen‘ zu machen“, erklärt Siegfried Urginus, erster Vorsitzender und schon seit 50 Jahren Mitglied. Eine deutliche Gefahr sieht er in der „Vermenschlichung der Hunde“. Man solle den Hunden ihren Charakter lassen und ihre Anlagen nutzen. „Der Hund soll Hund bleiben und darf kein Sklave des Menschen sein.“
Der Verein, bestehend aus 45 Mitgliedern, beansprucht keine öffentlichen Gelder, sondern finanziert sich selbst über die jährlichen Mitgliederbeiträge von 60 Euro (damals 50 Pfennig im Monat) und Spenden: Und das schon seit 100 Jahren.
In diesem Verein werden Generationen miteinander verbunden: das älteste Mitglied, Anton Hermanig, ist 83 Jahe alt und das jüngste Mitglied, Patrizia Jaksch, ganze 65 Jahre jünger. Patrizia Jaksch bildet zusammen mit Michaela Kend und Mandy Gillhaus die Jugendabteilung im Verein.
Die Jubiläumsfeier wird im Frühjahr 2011 gefeiert.
Wo und wie ist noch nicht klar. Angedacht ist eine Feier zusammen mit einer Hundprüfung. Das Fest soll auch dazu genutzt werden, das Interesse an Gebrauchshundesport zu stärken und neue Mitglieder zu werben. Der VFG Marl bietet viele Ausbildungsmöglichkeiten für Hunde, wie zum Beispiel die Prüfung zum verkehrs­sicheren Begleithund sowie die Prüfungen in den Gebrauchshundklassen eins bis drei.
In jeder Prüfung werden die Anforderungen an Hund und Mensch höher. Hat man alle drei Prüfungen erfolgreich abgelegt, kann man bei den deutschen Meisterschaften, bei der die höchste Ausbildungsstufe gefragt ist, teilnehmen. So wurde1986 Christa Urginus deutsche Meisterin.
Silvia Czapkowski ist die Ausbildundswartin des Vereins und begleitet Hund und Besitzer auf ihrem Weg durch die Prüfungen und steht mit Rat und Tat zur Seite. Zum VFG Marl können alle Hundebesitzer, deren Hunde die Bedingungen der Prüfungsordnung erfüllen, kommen. Auch Welpen sind gern gesehen.
Die Hundewelpen werden in der Gemeinschaft mit größeren Hunden, in der sie ihre Erfahrungen sammeln, sozialisiert. Besonderes Highlight ist der Flutlichtpokal bei Nacht. Für Hunde eine große Herausforderung, müssen sie doch im Dunkeln ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Bei diesem
Nachtpokalkampf wird die Wesensfestigkeit der Hunde geprüft. Auf die Frage, was den VfG Marl von anderen Hundevereinen unterscheidet, antwortet Siegfried Urginus überzeugt: „Bei uns steht nicht allein der Sport im Mittelpunk, sondern auch Zwischenmenschliches. Jeder wird hier fachmännisch beraten. Wir fördern die Geselligkeit ebenso wie den Zusammenhalt“. Und eben dieses spürt man auch vor Ort: Siegfried Urginus, mit seinem siebeneinhalb Jahre alten deutschen Schäferhund Cim, Peter Fork, mit seinem zwei Jahre jungen Boxer Jack, Silvia Czapkowski und ihre belgische Schäferhündin Dana (7) sowie Christian Haase zusammen mit seinen beiden Lieblingen Bosco (9) und Nena (16 Monate) betreiben mit Herzblut Gebrauchshundesport und leben mit Leidenschaft für ihren Verein.

Daten und Fakten:
4. Dezember 1910: Gründung des VFG Marl
Siegfried Urginus, 1. Vorsitzender und seit 50 Jahren Mitglied, Telefon: 6 18 84
Silvia Czapkowski, Ausbildungswartin Christian Haase, Schriftführer und Öffentlichkeitsarbeit, Telefon: 02365/ 31 71
Adresse: Knappenstraße 81, 45772 Marl
Internet: www.dvg-marl.de
Übungsstunden: dienstags und donnerstags ab 16 Uhr, Sonntags ab 10.30 Uhr auf dem Vereinsgelände

Autor:

Svea Helle aus Herne

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