mœrs festival 2024: Jazz und Experimentierfreude
African Dance am Rodelberg und japanischer Klangrausch als Gesamtkonzept

Christian Lillinger mit Michiyo Yagi und Takashi Sugawa | Foto: Photo Klaus Dieker @mœrs festival
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  • Christian Lillinger mit Michiyo Yagi und Takashi Sugawa
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53 Jahre mœrs festival bedeuten 53 Jahre besondere Musik, die nicht im Radio zu hören ist. 52 Jahre lang wurde Jazz aufgeführt, „New Jazz“, improvisierte Musik, „Electronic“, Traditionelles aus vielen Ländern dieses Planeten, alles zusammengefasst unter dem eleganten Begriff „Avantgarde“ – und dieses Jahr war es genauso! Ist ein Konzert in der Festivalhalle vorbei und man geht zum Rodelberg, ist dort etwas Neues, etwas Unerwartetes zu hören. Ein Weiterzug zu den „Annex“- Sessions im Schulhof bringt das gleiche Ergebnis, dito in der Stadtkirche und an den weiteren, vielen Spielstätten. An den vier Tagen werden den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern mehr als 100 (!) Konzerte mit 220 Musikerinnen und Musikern, angereist aus 20 Ländern, dargeboten. Die 2024er Ausgabe stellte die musikalische Kunst Japans und Namibias in den Blickpunkt.

Das von Jeanne-Marie Varain, der Geschäftsführerin der mœrs Kultur GmbH und Tim Isfort, dem künstlerischen Leiter, erdachte Motto: „Jazzfestival für Musik, Besinnung, Politik, Superheldinnen und: Zusammensein“ fand sich in vielfältiger Weise wieder. Worte, Lieder und Gedanken von Hanns Dieter Hüsch begleiteten die vier Tage und brachten etliche zum Nachdenken (Besinnung), wie aktuell die Poesie dieses politischen Kabarettisten heute noch ist. Die „Superheldinnen“ wehren sich gegen Unfreiheit und Diktatur und geben Frauen eine starke Stimme. Die „Politik“ ist tagesaktuell bei vielen Auftritten und in Gesprächen der Zuschauer. Das „Zusammensein“ ermöglicht Diskurs und ein Gefühl „Hier bin ich richtig“, hier wird ein langes Wochenende friedlich gefeiert.

Die vorläufigen Besucherzahlen bei den Auftritten und auf dem Händlermarkt näherten sich Montagmittag denen des Vorjahres. Dreieinhalb Tage war das Wetter angenehm, ausgerechnet am Sonntagmittag, dem traditionellen Familienausflugstag, regnete es von 14 bis 18 Uhr. Das holten die Mütter, Väter und die Kinder am Montag nach, dass „Wo die wilden Kinder wohnen Land“ neben dem Alpaka-Gehege erwies sich wiederum als Magnet des Spaßes und der guten Laune.

Den Freitagabend eröffnete ein eigens für Moers zusammengestelltes Quartett mit den Briten Neil Charles und Alexander Hawkins sowie den Deutschen Julia Brüssel und Emily Wittbrodt. Diese Projekte des gemischten Doppels starteten im Vorjahr und resultieren aus einer Kooperation mit dem legendären Cafe OTO in London. Es ist eine typische Moers’sche Antwort auf das Kuriosum, das britische Musikerinnen und Musiker seit dem Brexit große Probleme (Visum et cetera) haben in „Festland-Europa“ aufzutreten und Künstler aus der EU in Großbritannien. Ergo wechseln die Combos ihre Besetzungen und buchen gegenseitige Auftritte in London und Moers – so lange bis britische und EU-Zollbeamte aufgeben. Das Quartett leitete mit seinen Improvisationen einen spannenden Abend ein, den die Formation „Skylla“ mit Ruth Goller, Lauren Kinsella, Alice Grant und Max Andrzejeski exakt fortsetzte. Nach dem Rodelberg wartete in der Festivalhalle Amitha Kindambi’s „Elder Ones“. Kindambi stellte ihre Mitmusiker (Matt Nelson, Alfredo Colon, Lester St. Louis, Jason Nazary) vor und erläuterte, warum sie so gerne nach Moers gekommen sind, so gerne hier und jetzt auftreten, sie sagte drei gelernte Worte auf Deutsch: „Moers isch politisch“. Es folgte ein beeindruckender Vortrag, warum die Band existiert, was sie verbindet und schließlich ihre Intention: Aufmerksam machen gegen Ungerechtigkeiten auf diesem Planeten. Ihr Repertoire besteht ausschließlich aus Protestsongs, Songs gegen Unmenschlichkeit, gegen Gewalt, gegen Gewalt gegen Frauen. Sie nannte auch in aller Deutlichkeit Regime, Diktaturen und zweifelhafte Demokratieführer und -innen, von Afghanistan über Modi in Indien, über Teheran hin zu den unhaltbaren Zuständen in Gaza. Das Quintett bot teils rockigen, fetzigen Jazzrock, teils traurige und depressiv klingende Songs vor – wie lassen sich sonst Unmenschlichkeit und Protest ausdrücken?

Für den Samstag hatte sich der viel beschäftigte Jan Klare (Musiker, Bandleader, Komponist und mœrs sessions – Kurator) eine neue Kapelle ausgedacht: „KIND“. Klare meinte zu Beginn: „Jetzt gibt es Jazz, wie es ihn früher mal in Moers zu hören gab“, es war schnell, es war laut, selten leise, es war frei und tatsächlich auch mit traditionellen Jazzelementen bestückt – der Rodelberg war entzückt. Zwei Duos in Folge begeisterten die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Festivalhalle. Zeena Parkins an der Harfe, zum siebten Mal in Moers, musizierte mit Michiyo Yagi, einer ausgewiesenen Könnerin an der japanischen Koto. Das Spielen der Harfe ist in der Klassik eine zarte Angelegenheit, jedoch nicht, wenn Parkins die Saiten mit einem Feile-artigen Gegenstand zum Schwingen bringt! Anschließend grüßte der Altmeister der Posaune, Conny Bauer, seine Fans und harmonierte mit Rieko Okuda am Piano in leisen, feinen Passagen 35 Minuten lang.

Ende Teil 1, bitte im Teil 2 weiterlesen.

Klaus Denzer

Autor:

Klaus Denzer aus Moers

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