Wilhelm Neurohr: „FÜHRUNGSPERSONAL DER SPD KOMPLETT AUSTAUSCHEN“

Zur Wahlberichterstattung über die Niederlage der SPD

„FÜHRUNGSPERSONAL DER SPD KOMPLETT AUSTAUSCHEN“

Wie ernst meint es die „Volkspartei“ SPD - nach der dritten herben Wahlniederlage in Folge mit Ergebnissen um die 20% - mit ihrer angekündigten „kritischen Neuaufstellung“? In zwei Punkten kann man den Aussagen des zerknirschten Martin Schulz sicherlich zustimmen: „Die Fehler von 2009 und 2013, die Niederlagen nicht aufzuarbeiten, dürfen sich nicht wiederholen“. Und: „Der Schwerpunkt der sozialen Gerechtigkeit sei richtig gewesen und eine Richtschnur für die Zukunft“.

Doch bereits im Jahr 2010 hatte die SPD unter Sigmar Gabriel eine bundesweite Befragung aller 10.000 SPD-Ortvereine durchgeführt, auf die man jetzt nur zurückgreifen brauchte. Ergebnis: Die SPD-Basis stellte der Parteispitze eine miserables Zeugnis aus: In der Hartz-IV-Reform und der Rente mit 67 sah die SPD-Basis die Hauptgründe für die katastrophale Niederlage bei der Wahl 2009. Bei einer Befragung aller Ortsvereine wurden neben dem "Verhältnis zur Linken" außerdem häufig "fehlende Glaubwürdigkeit der SPD", "Profil- und Farblosigkeit" sowie "Entfremdung der Partei von Mitgliedern und Bevölkerung" als Ursachen für den Absturz auf 23 Prozent genannt.

Welche Konsequenzen hatte die SPD-Führung aus dem deutlichen Mitgliedervotum gezogen? Sie ließ die Ergebnisse der Mitgliederbefragungen in der Schublade verschwinden und machte weiter wie bisher. Sigmar Gabriel liebte einsame Entscheidungen gegen das Murren der Basis und gegen die Mehrheitsinteressen der SPD-Wähler und bekam dafür bei der Vorsitzenden-Wahl einen Denkzettel.

Und bei einer weiteren Mitgliederbefragung in 2013 zur angestrebten Parteireform wurde unter anderem mehr Beteiligung der Basis auch an Personalentscheidungen eingefordert, nachdem zuletzt der damalige Kanzlerkandidat Steinbrück (ebenso wie jetzt wieder die neue Fraktionschefin Andrea Nahles) als einsame Hinterzimmer-Entscheidungen aus dem Hut gezaubert wurden. Mit der Personalie Andrea Nahles soll ein angeblicher Kurswechsel der SPD-Politik in der Opposition vorgetäuscht werden, nachdem der rechte SPD-Flügel bislang sämtliche wichtigen Regierungs- und Fraktionsämter unter sich aufgeteilt hatte. In der Opposition gibt man sich dann gerne wieder eine Zeitlang „links“.

Statt sich nun im Sinne der SPD-Basis von der sozial verheerenden Agenda 2010 zu verabschieden - die ja neben Hartz IV auch für Deregulierung der Finanzmärkte sorgte und für eklatante Steuer-Ungerechtigkeit bis hin zur Verarmung unserer Kommunen und großer Bevölkerungsteile – lud Martin Schulz demonstrativ Altkanzler Schröder als Gast und Festredner zu den Parteitagen. Das Signal für SPD-Mitglieder und -wähler: Keine Abkehr vom neoliberalen Kurs der Sozialdemokraten.

Zuletzt hatte sich Schröder auf dem Weltwirtschaftforum von Davos, dem Treffen der Reichen und Mächtigen dieser Welt, damit gebrüstet, dass Deutschland in Europa den größten Niedriglohnsektor geschaffen habe. Vorher hatte schon Ex-Superminister Clement die SPD verlassen mit einer Wahlkampfempfehlung für die neoliberale Westerwelle-FDP und begab sich an die Spitze des Kuratoriums des neoliberalen Lobby-Netzwerkes; „Neue Soziale Marktwirtschaft“. Danach die unsägliche Kandidatur des ebenfalls Neoliberalen Peer Steinbrück als selbst ernannter Kanzlerkandidat mit lukrativen Nebentätigkeiten. Auch diese Kapitel gehören zur Ursachen-Analyse in punkto Unglaubwürdigkeit!

Da erschien der Antritt des euphorisch umjubelten neuen Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten Martin Schulz für die deprimierte Parteibasis wie eine Erlösung. Und seine Verheißung von „mehr sozialer Gerechtigkeit“ fand auch laut Umfragen die Zustimmung breiter Wählerschichten. Nachdem jedoch auch Martin Schulz nicht nur die Agenda 2100 von Gerd Schröder bei jeder Gelegenheit ungefragt in höchsten Tönen lobte, sondern ihm ein Forum als Redner auf dem Nominierungsparteitag bot, wurde klar: Die soziale Gerechtigkeit ist nicht ernst gemeint und unglaubwürdig, denn die dem entgegenstehende Agenda 2010 soll nicht wirklich verändert werden. Nachdem Schulz sogar beim Kanzlerduell vor 20 Mio. Fernsehzuschauern nochmals ungefragt erklärte, Kanzler Schröder habe sich um Deutschland verdient gemacht, da war der Absturz der SPD in der Wählergunst besiegelt.

Wie kann sich jetzt noch die SPD-Basis aus ihrem Dilemma befreien? Sie müsste schon den Mut und das Rückgrat haben, ihr Spitzenpersonal komplett auszutauschen, um sich programmatisch mit sozialem Profil wirklich neu aufzustellen…Wer mag daran glauben?

Wilhelm Neurohr

Autor:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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