Im Krisengebiet

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Als Christian Jünner im September zu seinem Volontariat nach Tunesien aufbrach, ahnte er nicht, dass er schon bald mitten in einem Krisengebiet sein würde.
„Es geht mir gut“, sagt der 20-jährige Langenberger und schildert im Stadtanzeiger-Interview seine hautnahen Eindrücke von den Protesten in der tunesischen Hauptstadt.
„Ich fühle und fühlte mich die ganze Zeit über sicher“, sagt Christian Jünner. Während andere Deutsche fluchtartig das Land verließen, hält der Langenberger an seinem Auslandsaufenthalt in Tunesien fest.
Nach dem Abitur am Gymnasium Langenberg beschloss Jünner, ein Jahr im Ausland zu arbeiten. „Ich habe nicht zwingend eine Stelle in Tunesien gesucht“, so der 20-Jährige, aber als das Angebot kam, an einer tunesischen Schule zu arbeiten, hat er „Ja“ gesagt.
Anfang September startete er nach Nordafrika. Zu diesem Zeitpunkt galt Tunesien als beliebtes Reiseziel, von einer unruhigen politischen Lage war in Deutschland wenig bekannt. „Ich habe nicht gewusst, dass es überhaupt Ärgernisse wegen oder gegen den Präsidenten gab“, schildert der Langenberger. Zwar war ihm bewusst, dass die Staatsordnung nicht demokratisch war - „aber darüber sprach fast niemand“. Eine hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Armut sind aus seiner Sicht der Grund für die Unzufriedenheit des Volkes mit dem Regime.
„Als dann im Dezember ein Mann südlich von Tunis sich selbst anzündete, um seiner Hoffnungslosigkeit Ausdruck zu verleihen, war das der Beginn der Protestwelle“, sagt Jünner. Erst vereinzelt und leise, dann immer größer wurden die Demonstrationen, bis Präsident Zine el Abidine Ben Ali am 14. Januar das Land verlassen musste. „Mehr als 20 Jahre Unterdrückung entluden sich auf einmal - leider nicht ganz ohne Gewalt.“
Die Schule, in der der Deutsche arbeitet, liegt im Stadtzentrum von Tunis. Dennoch hatte Jünner zu keinem Zeitpunkt Angst: „Die Proteste richteten sich nicht gegen Ausländer, zudem befinde ich mich in einem ruhigen Viertel von Tunis.“ Erst wenn die deutsche Botschaft dazu auffordert, das Land zu verlassen, befasse er sich mit dem Gedanken an einen Abbruch des Volontariats.
Natürlich kamen viele besorgte Anfragen von der Familie und Freunden, als das nordafrikanische Land plötzlich die Nachrichten beherrschte. „Ich bin sehr dankbar, dass ich mein Umfeld beruhigen konnte. Mir geht es gut“, betont der 20-Jährige, der die Situation aber nicht beschönigen möchte. Ausgangssperre, ständige Militärpräsenz und Helikopter, die über der Stadt kreisen - auch das gehört zu den täglichen Erlebnissen und Einschränkungen. „Wir konnten eine geplante Reise in die Berge nicht antreten“, erzählt Jünner. Trotz bereits gekaufter Fahrkarten wurde der Trip kurzfristig abgesagt - „um nicht in unangenehme Situationen zu geraten“, wie der Langenberger weiß. Das war Ende Dezember, als noch keiner wusste, wie sich die Lage zuspitzen würde.
Heute freut sich Jünner, wenn er sieht, „wie glücklich und zufrieden die Tunesier mit dem Wandel sind“. Ein Bild ist besonders in seinem Kopf geblieben: ein Militärpanzer, der von den Bürgern symbolisch mit Blumen geschmückt wurde. Denn im Gegensatz zur Polizei wird das Militär gefeiert, weil es zur Beruhigung der Situation beitrug.
„Sehr cool war auch, das Lied der Scorpions ,Wind of Change‘ im tunesischen Radio zu hören“, so Jünner. „Ein tunesischer Freund sagte zu mir, dass er die Freiheit in der Stadt riechen könne.“

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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