Klimanotstand
Klimagerechtigkeit sieht anders aus

Am 20. August 2019 gaben die Weseler CDU und SPD in einer Pressemitteilung bekannt, dass sie die von den Weseler Klimaschützer*innen eingereichte Bürgeranregung, in der der Stadtrat aufgefordert wird, den Klimanotstand zu erklären, ablehnen. Gleichzeitig stellten sie einen gemeinsamen Antrag zur „klimagerechten Stadtentwicklung in Wesel“ vor.
Die Weseler Klimaschützer*innen haben sich den gemeinsamen Antrag der beiden Fraktionen genau angesehen. Klimagerechtes Handeln wünschen wir uns alle, stellt die Umweltaktivistin Bärbel van Doornick fest. Unter Klimagerechtigkeit versteht sie, eine CO2 Emission von maximal 2 Tonnen pro Mensch und Jahr, wobei Entwicklungsländer mehr Spielraum beim Klimaschutz brauchen und entwickelte Staaten aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten spätestens 2035 CO2-neutral sein müssen.
Doch der Antrag der beiden Fraktionen entspricht nicht einmal den Anforderungen, die sie selber formuliert haben. Geschweige denn denen, die sich für Wesel aus den Pariser Klimazielen ergeben, wenn die Belastungen global gerecht verteilt werden.
So heißt es in dem Antrag „Der Rat der Stadt Wesel setzt auf tatsächlich wirksame und zielführende Maßnahmen.“ Unter den 17 vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen, die in dem Antrag aufgeführt wurden, ist nicht eine, die zu einer signifikanten Emissionsminderung führen könnte, meint Harald Sauerland von den Weseler Klimaschützer*innen in seinem Leserbrief vom 26.08.2019 in der NRZ.
Wichtige Maßnahmen wie eine radikale Verkehrswende kommen in dem Antrag nicht mal vor. Dabei ist der Verkehrsbereich mit 36% der Sektor mit den höchsten Emissionen in Wesel. Stattdessen sollen Parkplätze am Bahnhof ausgebaut werden, die den Autoverkehr unter Umständen noch attraktiver machen könnten. Nach Auffassung der Weseler Klimaschützer*innen wären hier eher Maßnahmen gefragt, wie die massive Verbesserung des ÖPNV und die Bereitstellung zusätzlicher Fahrradstellplätze am Bahnhof.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der, dass keine der vorgeschlagenen Maßnahmen quantifiziert worden ist. Eine zu erwartende Emissionsminderung fehlt völlig. Die Weseler Klimaschützer*innen halten daher die vorgeschlagenen Maßnahmen für völlig unzureichend.
Die CDU und SPD sind sich der Ausmaße des Klimawandels nicht bewusst meint Klaus Kubernus-Perscheid vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac-Niederrhein. So fordern die beiden Fraktionsvorsitzenden eine „Bereitstellung von Flächen für einen Bürgerwald und Aufforstung von Flächen als langfristiger CO2-Speicher.“ Das hört sich erst einmal gut an, meint Kubernus-Perscheid und hat nachgerechnet. Wenn die Stadt Wesel es schafft, die CO2-Emissionen auf 3 Tonnen je Einwohner und Jahr im Jahre 2035 zu reduzieren, müssten für die Klimaneutralität mehr als 15 Millionen Bäume gepflanzt werden. Bei einer normalen Pflanzdichte von 1000 Bäumen je ha reicht die gesamte Fläche Wesels dafür nicht aus. Zum Kontext: Nach dem Pariser Klimaabkommen von 2016 und einem Sondergutachten des Weltklimarates (IPCC) müssen bis 2035 alle CO2-Emissionen kompensiert werden, wenn die globale Temperatur unter 2 °C bleiben soll.
Die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD wollen in ihrem Antrag „die Belange des Klimaschutzes in gleichem Maße beachten, wie die des Umwelt- und Naturschutzes, der sozialen Sicherung der Bürgerinnen und Bürger sowie das Funktionieren des Wirtschaftsstandortes“.
Das sehen die Weseler Klimaschützer*innen anders, sagt Leonie Ullmann von FFF Wesel. Die Kernbotschaften des 5. IPCC Sachstandberichtes lauten: „Bei dem Szenario mit fast ungebremsten Emissionen sind Temperaturanstiege von 5,4 °C gegen Ende dieses Jahrhunderts möglich.“ Sollte es zu einer solchen Temperaturerwärmung kommen, kann die soziale Sicherung der Bürgerinnen und Bürger, der Umwelt- und Naturschutz sowie das Funktionieren des Wirtschaftsstandortes ohnehin nicht mehr gelingen. Die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen muss daher, wie in der Bürgeranregung der Weseler Klimaschützer*innen gefordert, einen hohen Stellenwert erhalten.

Autor:

Klaus Kubernus-Perscheid aus Wesel

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