Einen Überraschungssieger gibt es diesmal nicht

Nach dem Sieg im Endspiel bei der Europameisterschaft 1996 reckt Jürgen Klinsmann den Pokal in die Höhe. Das war gleichzeitig der bislang letzte Titel für die deutschen Kicker bei einem großen Turnier.
  • Nach dem Sieg im Endspiel bei der Europameisterschaft 1996 reckt Jürgen Klinsmann den Pokal in die Höhe. Das war gleichzeitig der bislang letzte Titel für die deutschen Kicker bei einem großen Turnier.
  • hochgeladen von Walter Demtröder

Unabhängig davon, wer den Europameistertitel holen wird, steht eines bereits jetzt fest: Einen Sensationssieger wird es im Kiew auf keinen Fall geben.

Denn mit Deutschland, Italien, Portugal und Spanien stehen vier Fußball-Schwergewichte im Halbfinale. Und auch, wenn man mit Italien nicht unbedingt rechnen musste, hat sich der vierfache Weltmeister durch überzeugende Leistungen in den Kreis der Favoriten zurückgespielt. Warum haben es ausgerechnet diese vier Manschaften ins Halbfinale geschafft haben und die anderen nicht? Es folgt ein kleiner Rückblick auf die Leistungen aller Teilnehmer:

Dänemark: Der Sensations-Europameister von 1992 hatte das Pech, in der „Todesgruppe“ antreten zu müssen. Die Dänen haben sich dort nicht mal schlecht verkauft, am Ende fehlte aber das Potenzial und das Quentchen Glück, um die Gruppenphase zu überstehen.

Deutschland: Nur selten ließen die deutschen Elite-Kicker aufblitzen, was sie wirklich können. Vier Siege in vier Spielen geben Löws Elf allerdings recht, und nach oben bleiben noch Steigerungsmöglichkeiten. Alles ist möglich.

England: Nur Kampf und unbändiger Siegeswille alleine reicht nicht. Fußballerisch hat England das umgesetzt, was es kann, mehr ist im Moment nicht drin. Das Aus kam - wie sollte es anders sein - natürlich im Elfmeterschießen.

Frankreich: Die von vielen als Geheimfavorit gehandelten Franzosen haben wieder einmal mehr durch Querelen als durch überzeugenden Fußball von sich reden gemacht. Das Aus im Viertelfinale war mehr als verdient.

Griechenland: Die Griechen haben das gespielt, was sie können, und das sogar sehr effektiv. Allerdings ist das weit von der europäischen Spitze entfernt, und so war das aus im Viertelfinale die logische Konsequenz.

Italien: Dass ausgerechnet Italien gegen Spanien und England die beiden bislang attraktivsten und spannendsten Spiele der EM abgeliefert hat, ist angesichts der ansonsten meist minimalistischen Ausrichtung der Azzuri eine Überraschung. Italien spielte zeitweise tollen Offensivfußball. Auf Deutschland wartet im Halbfinale eine harte Nuss.

Irland: Das mit Abstand schwächste Team der Endrunde hat vor allem durch Fairplay überzeugt. Selbst als die Iren von Spanien vom Platz gefegt wurden, wurde nicht getreten oder gehadert. Mannschaft wie Fans haben viele Sympathien dazugewonnen.

Kroatien: Die Kroaten waren für mich das Team mit der besten taktischen Ausrichtung von allen Teilnehmern. Sie haben gezeigt, wie man gegen Italien und die spielfreudigen Spanier agieren muss. Dass es für sie am Ende nicht über die Gruppenphase hinaus ging, lag an Pech, einer Fehlentscheidung und auch an der fehlenden Klasse mancher Spieler.

Niederlande: Die größte Enttäuschung der EM. Der Titelfavorit verlor alle Spiele und kickte dabei phasenweise lust- und emotionslos. Der Spruch mit den vielen Häuptlingen und den fehlenden Indianern passte bei den Holländern wie die Faust aufs Auge.

Polen: Gespickt mit „Dortmunder“ Polen, hätte man vom Mitausrichter sicherlich mehr erwarten dürfen. 20 Minuten guter Fußball pro Spiel reichen halt nicht aus, um bei einem Endrundenturnier die Gruppenphase zu überstehen.

Portugal: Mit einem wiedererstarkten Cristiano Ronaldo haben die Portugiesen, die sich nicht weniger als den Titel zum Ziel gesetzt haben, das Halbfinale erreicht. Auch, wenn die Mannschaft als Ganzes nicht das Niveau der Spanier hat, wird das Halbfinale für Spanien kein Selbstläufer.

Russland: Nach einem furiosen Auftakt, nach dem die Russen, wie schon so oft, gleich zum Titelaspiranten erhoben wurden, folgte das Aus gegen Griechenland. Aber wer bei gefühlten 1000 zu 1 Chancen kein Tor macht, darf sich übers Ausscheiden nicht wundern.

Schweden: Das Dreikronen-Team hat sich selbst aus dem Turnier katapultiert. Zweimal wurde eine Führung verschenkt und die Spiele noch verloren. Der Sieg gegen Frankreich war nur noch ein Muster ohne Wert. Hier wäre durchaus mehr drin gewesen.

Spanien: Ihren Zauberfußball haben die Iberer nur gegen die schwachen Iren gezeigt. Ansonsten genügten einige wenige geniale Momente, um bis ins Halbfinale vorzustoßen. Oft hatte man das Gefühl, dass mit angezogener Handbremse gespielt wurde. Falls die gelöst wird, kann der Titelverteidiger alles erreichen.

Tschechien: Die Vorrunde haben die Tschechen zwar als Gruppensieger überstanden, aber nur, weil die anderen Mannschaften ihnen in die Karten gespielt haben. In den Spielen gegen Russland und Portugal wurde allerdings deutlich, wie weit die europäische Spitze momentan entfernt ist.

Ukraine: Nach der anfänglichen Euphorie und dem Sieg gegen Schweden folgte die Ernüchterung, und der Co-Gastgeber wurde fußballerisch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Mit biederer Hausmannskost war nichts zu machen, aber für mehr fehlt den Ukrainern die individuelle Klasse.

Autor:

Walter Demtröder aus Witten

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