IHK Arnsberg stellt Ergebnisse der Konjunkturumfrage vor
Wirtschaft zwischen Aufschwung und Stillstand: Perspektiven von Politik gefordert

IHK-Hauptgeschäftsführerin Dr. Ilona Lange, IHK-Präsident Andreas Rother und Geschäftsbereichsleiter Stefan Severin.  | Foto: IHK Arnsberg/Ampezzan
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 „Die Wirtschaft am Hellweg und im Sauerland erholt sich trotz Lockdown. Das Gesamtergebnis unserer Konjunkturumfrage verstellt aber etwas den Blick auf die sehr großen Unterschiede zwischen und innerhalb der Branchen“, fasst IHK-Präsident Andreas Rother die Ergebnisse der IHK-Umfrage zu Jahresbeginn zusammen.

„Wir sehen einerseits Unternehmen aus der Industrie, der Bauwirtschaft, dem Großhandel und den Dienstleistungen, die sehr zufrieden sind. Andererseits kämpfen das Gastgewerbe und große Teile des stationären Einzelhandels um ihre Existenz", erklärte Rother. "Das Konjunktur-Pendel schlägt aus zwischen Aufschwung und Stillstand.“ Rund 520 Unternehmen aus dem Hochsauerlandkreis und dem Kreis Soest nahmen an der Befragung teil.

Lage seit Anfang 2020 verbessert

Insgesamt hat sich die wirtschaftliche Lage seit dem Tief im vergangenen Frühjahr deutlich verbessert. Das Konjunkturbild ist aber gespalten wie selten zuvor: 38 Prozent der Befragten geben ihrer Lage ein „Gut“, aber auch 23 Prozent ein „Schlecht“. Konjunkturtreiber ist das produzierende Gewerbe, das den im Sommer 2020 gestarteten Wachstumsprozess fortsetzen kann. Die Industrie sorgt für Rückenwind bei unternehmensnahen Dienstleistungen und im Großhandel. „Die Industrie mit ihren vielen mittelständischen Betrieben ist das starke Standbein unserer Wirtschaft. Sie trägt uns durch diese Krise“, hob IHK-Hauptgeschäftsführerin Dr. Ilona Lange hervor. Die Baubranche ist noch immer gut ausgelastet, rechnet aber für die kommenden Monate mit einer deutlichen Abkühlung. So berichtete Wolfgang Hilgenroth (Hilgenroth Tief- und Straßenbau in Sundern), gut durch das vergangene Jahr gekommen zu sein. Aber: "Die Auswirkungen der Pandemie kommen bei uns zeitversetzt an." So habe man Ende 2020/Anfang 2021 weniger Aufträge akquiriert als sonst zu der Zeit üblich.

Konjunkturklima zeigt Spaltung

Der IHK-Konjunkturklimaindikator steigt auf 104,9 Punkte und zeigt damit positives Wachstum an. Der Indikator berücksichtigt die Bewertungen der Lage und der Erwartungen. Damit setzt sich die Erholung nach dem Allzeittief mit 69,1 Punkten im vergangenen Frühjahr fort. Allerdings zeigt das Konjunkturklima auch deutlich die Spaltung. Den höchsten Klimawert melden Industrie und Dienstleistungen mit jeweils 120 Punkten, das Gastgewerbe steht bei nur 42 Punkten. Doch nicht nur das Gastgewerbe, auch große Teile des stationären Einzelhandels sowie personenbezogene Dienstleistungen durchleiden eine schwierige bis dramatische Phase. „Negative Lageeinschätzungen sind fast ausschließlich Lockdown-induziert“, erläuterte IHK-Volkswirt Stefan Severin.

Öffnungsperspektive fehlt

„Das Schlimme für das Gastgewerbe und viele Einzelhändler sind die fehlenden Öffnungsperspektiven und die finanzielle Unsicherheit“, berichtete Andreas Rother. Eine Insolvenzwelle sieht die IHK noch nicht, so Rother, aber gerade im Gastgewerbe gehe jedem zweiten Betrieb langsam die Liquidität aus. Bei zwei Dritteln verringert sich das Eigenkapital. „Jede weitere Woche Lockdown verschlimmert die Situation. Es geht um die Existenz. Darum muss die Politik jetzt dafür sorgen, dass Abschlagszahlungen in ausreichender Höhe ausgezahlt werden und die zugesagten finanziellen Hilfen rechtzeitig im Unternehmen ankommen“, fordert der IHK-Präsident. Hauptgeschäftsführerin Dr. Ilona Lange appellierte an die Unternehmen: "Wir suchen konkrete Einzelfälle von Unternehmen, die vom Lockdown betroffen sind. Wir versuchen, ihre Sorgen weiter zu transportieren und zu helfen. Bitte melden Sie sich bei uns."

Erwartungen von Unsicherheit geprägt

Die Erwartungen der Unternehmen an die nächsten 12 Monate sind von Unsicherheiten über das weitere Pandemiegeschehen geprägt und unter dem Strich wieder leicht negativ. Mehrheitlich optimistisch bleiben der Dienstleistungsbereich und die Industrie. Die schlechteste Prognose geben Bauwirtschaft und Einzelhandel ab. Andreas Rother fordert für die geschlossenen Betriebe Planungssicherheit: „Die Unternehmen erwarten eindeutige Kriterien, bei welchen Inzidenzwerten eine Öffnung möglich ist und welche Hygieneauflagen dann einzuhalten sind. Sie machen gerne alles Erforderliche, um ihre Mitarbeiter und Kunden zu schützen. Was die Unternehmen aber nicht brauchen sind Unsicherheit, zusätzliche Bürokratie und Diskussionen über neue Steuern zur Schuldenfinanzierung.“

Exportrisiken halbiert

„Für die Industrie ist das Auslandsgeschäft besonders wichtig“, erklärt Stefan Severin. Zwar sind die Exporterwartungen gegenüber Herbst 2020 leicht gesunken, der Export bleibt aber für Industrie und Großhandel ein stabilisierender Faktor. Der Anteil an Unternehmen, die Risiken im Auslandsgeschäft sehen, hat sich halbiert. Die Gründe dafür findet Stefan Severin in einem Rückgang von Unsicherheiten durch den Brexit-Vertrag, die neue US-Regierung sowie die weltweite Impfkampagnen gegen Covid-19. Zudem funktionieren trotz erhöhtem Pandemiegeschehen weiterhin die internationalen Lieferketten. „Im ersten Lockdown führten Grenzschließungen und die chinesischen Maßnahmen zu weitreichenden Unterbrechungen der globalen Handelsströme“, erläutert Andreas Rother und betont: „Wenn in Europa die Lieferketten erneut abbrechen sollten, bringt das unseren Konjunktur-Motor Industrie zum Stillstand.“

Investitionen und Beschäftigung rückläufig

Die IHK hat die Unternehmen auch nach ihren Investitions- und Beschäftigungsabsichten im neuen Jahr gefragt sowie Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung. Angesichts der noch immer unsicheren Gesamtprognosen halten sich die Unternehmen bei den Investitionen zurück. Hauptmotive bleiben der Ersatzbedarf und Rationalisierungen. Ein Minus steht weiterhin vor den Beschäftigungsabsichten. 21 Prozent der Betriebe planen einen Personalabbau, 14 Prozent legen zu bei der Beschäftigung. Sorgen bereiten Pandemie- und Lockdown-bedingt jedem zweiten Unternehmen die Nachfrage aus dem Inland sowie die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.

Fachkräfte fehlen

Sichtbar in den Fokus rückt wieder das Thema Fachkräftemangel mit 42 Prozent Nennungen. Gerade in der Verkehrswirtschaft, in den Dienstleistungsbranchen und im Gastgewerbe sorgt man sich, beim Herauffahren nach dem Lockdown nicht an die erforderlichen Fach- und Arbeitskräfte zu kommen. Viele Unternehmen gerade auch im Gastgewerbe befürchten, dass sie Kräfte nicht wieder zurück gewinnen können, weil diese sich während des Lockdowns anderweitig orientiert haben. "Wenn man eine Fachkraft gehen lässt, kriegt man die nie wieder", ist auch Wolfgang Hilgenroth überzeugt.

Auszubildende gesucht

Einen dringenden Appell richtete Dr. Ilona Lange noch an Schülerinnen und Schüler der Region, denn aufgrund der Pandemie finden Informationsveranstaltungen in Schulen sowie Messen nicht statt: "Wir suchen nach wie vor junge Leute, die eine Ausbildung suchen - bewerbt Euch! Es gibt reichlich Plätze!" Weitere Infos auf www.karriere-hier.de.

Autor:

Diana Ranke aus Arnsberg-Neheim

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