Ein Bild - Eine Geschichte

Einsamer Strand

Sahra ging die letzten Schritte den Weg entlang, der sie auf die Düne führte. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Vor ihr lag ein wunderschöner, einsamer Strand. Nur am Horizont konnte sie einige Menschen erkennen, aber dieser Abschnitt schien vollkommen verlassen zu sein. Pech für die anderen, dass sie nicht auf sie gewartet hatten und Glück für sie, dass allein sie den Weg zum Geheimtipp von dem süßen Kellner gefunden hatte. Freudig lief sie die Düne hinab und suchte sich ein Plätzchen in der Nähe zum Wasser. Was für eine herrliche Ruhe. Hier würde sie ohne das stetige Geschnatter von Clarissa in der Sonne liegen und in ihrem Buch lesen können. Sollten die anderen sich ruhig ein wenig sorgen. In einer Stunde würde sie zurückgehen und dem Hauptweg folgen. Aber bis dahin … Sahra ließ den Blick über das ruhige, blaue Meer schweifen. Vielleicht auch erst in zwei Stunden oder drei. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht breitete sie ihr Handtuch aus, holte ihr Buch heraus und wollte es sich gerade gemütlich machen, als ein plötzlicher, eiskalter Windstoß sie bis ins Mark erzittern ließ. Sie schaute sich um, nichts zu sehen, auch keine Wolke am Himmel. Sie zuckte mit den Schultern. Erneut kam der Wind auf, aber diesmal blieb er. Sahra schlang die Arme um sich. Noch saß sie auf ihrem Handtuch und wollte diesen schönen Strand nicht verlassen. Aber bei diesem Wind war ihr klar, warum sich hier niemand aufhielt. Sie fühlte sich zunehmend unwohler, doch es lag nicht an der Kälte. Irgendetwas war in dem Wind. Langsam packte sie ihr Buch in die Tasche zurück, als der Wind noch zunahm. Vor ihr wirbelte er Sand auf und langsam formte sich daraus eine Gestalt. Sahra saß vor Angst wie gelähmt auf ihrem Handtuch.
„Das ist mein Strand!“, tönte es dumpf von allen Seiten.
„Ich bin ja schon weg!“, wollte Sahra rufen, doch es kam kein Wort über ihre Lippen.
Plötzlich begann der Sand unter ihr nachzugeben. Sahra strampelte, versuchte sich aus dem Treibsand zu befreien, aber je mehr sie kämpfte, desto schneller versank sie. Ihre Schreie verhallten ungehört. Binnen weniger Minuten war der Strand wieder unberührt. Der Wind legte sich. Es war, als sei nichts geschehen.
Sahras Freunde standen vor dem Abzweig, den sie genommen hatte. Sie blickten den schmalen Pfad entlang und fragten sich, ob sie wohl dort hinunter gegangen war. Lars wollte schon kurz entschlossen losmarschieren, als Chris ihn aufhielt. Er richtete gerade ein Schild auf, das abgebrochen neben dem Weg gelegen hatte. Darauf war ein ‚Betreten Verboten‘ zu sehen, ein Totenkopf und ein Zeichen, das aussah, als ob es auf Treibsand hinwies. Die Freunde sahen sich betroffen an.
„Wir müssen jemanden Bescheid sagen“, sagte Clarissa mit dünner Stimme. „Wir können da nicht allein nachsehen!“
Lars nickte.
„Du holst Hilfe. Wir gehen bis zur Düne und riskieren einen Blick.“ Er sah zu Chris und der nickte.
„Wahrscheinlich liegt sie am Strand und liest in ihrem blöden Buch.“
Lars grinste. Ein frischer Windstoß zerzauste ihm die Haare.

www.sabine-kalkowski-schriftsteller.de

Autor:

Sabine Kalkowski aus Bergkamen

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