Einsam verstorben
Die letzte Tat - Einsamkeit im MIetshaus

Seine letzte Tat -
„Was stinkt denn hier so?“ Die Nachbarinnen standen im Treppenhaus und schnupperten, Frau Ganz aus der dritten Etage und Frau Spitz aus der fünften Etage. Ihre Augen verschmälerten sich. Tiefe Furchen in den Mundwinkeln schienen sich in Frau Ganz Gesicht wie eine dunkle Botschaft einzugraben.
Frau Spitz, die Jüngere, machte eine neugierig blickende Miene, sowohl wegen ihrer Nachbarin als auch wegen dieses merkwürdigen Geruches, der aus der zweiten Etage zu kommen schien. Ihre hoher gepresste Stimme ließ vernehmen: „Ach, wird schon nichts sein. Kann ja mal passieren.“
Mit einem Schulterzucken begaben sich die beiden in ihre Wohnungen zurück und gingen den Dingen nach, denen sie eben so nachgingen.
In diesem Haus traf man sich nicht häufig, nur, wenn man zufällig zur gleichen Zeit den Briefkasten leerte oder Müll hinaus brachte. Von den vielen Bewohnern kannte kaum den Namen und es interessierte auch nicht, wer sich auf dem Klingelschild befand.
Türen wurden geschlossen, Türen blieben geschlossen. Dies ist ein ruhiges Haus, sagte man, keiner störte den anderen.
Die Bildschirme in den Zimmern flackerten wie ein geöffneter Adventskalender aus allen Fenstern. Wenn man sich traf, grüßte man sich, ohne dass man sich sah, mit kurzem Kopfnicken und ging seiner Wege.
Mit den Vermietern des Hauses war ich befreundet und aus einem mir nicht erfindlichem Grund nahmen sie mich in die Wohnung vom zweiten Stock mit, als alles vorbei war.
Man hatte den alten Mann eine ganze Weile nicht gesehen, hatte aber auch keine Notiz genommen, wenn nicht dieser Gestank aufgetaucht wäre.
Er wurde stärker. Frau Ganz öffnete das Fenster und lüftete, aber der Geruch ließ nicht nach, er schien unter der Tür von Herrn Klein zu kommen. „Wir sollten doch...“murmelte sie. Man beschwerte sich beim Vermieter. Da sich Herrn Klein nicht meldete, wurde endlich die Tür aufgebrochen.
Der süßlich verwesende Geruch hatte sich in der gesamten Wohnung ausgebreitet. Herr Klein lag mit dunklen Augenhöhlen auf dem Sofa des Wohnzimmers. Tot. Der Mediziner stellte fest, dass die Leiche schon etwa vier Wochen dort lag.
„Hat er Angehörige?“ Man wusste von einer Tochter, zu der er aber keinen Kontakt hatte und die Vermieter mussten die Dinge in die Hand nehmen.
Die Leiche wurde abtransportiert, die Wohnung gesäubert.
Betreten schaute man weg. Dei Vermieter, meine Freunde, boten mir die Wohnung an, natürlich nach einer komplette Säuberung. „Willst du hier die Lederjacke mitnehmen?“ Ich konnte und wollte sie nicht gebrauchen.
Auf dem Wohnzimmertisch neben der Couch, auf der der Mann entschlafen war, gelegen hatte, lagen viele alte Fotoalben von den Verwndte,. seiner Tochter und ihrer Familie. Er musste sie ausgiebig angeschaut haben.
Seine letzte Tat, die Gedanken der letzten Augenblicke, galten seiner Familie, bevor er verstarb.

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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