Eva´s Begierden - Satire

Worte des lustigen Frauenromans stachen wie kleine Pfeile irgendwo zwischen Kopf und Bauch. Lustig, keine Frage, satirisch, und doch handelte er von Vierzigjähriginnen, die händeringend auf einen neuen Versuch in ihrem Leben hofften. Mit Männern. Und Liebe. An denen das Selbstbewusstsein knabberte, da sie nicht mehr so schön, so chic, so schlank wie die Luxusfrauen der Gesellschaft waren. Sie beteuerten den maßvollen Hang zur Einfachheit, ohne Pediküre, ohne Hummer essen zu müssen oder sonstigem „upper mainstream“ Gebaren. Natürlich endete das Ganze mit Happy End und jede ergatterte ihren Traumprinzen.
Die Pfeile stachen, verbreiteten ein brennendes Gift.
Nun war ich weder so jung noch hatte ich jemals bewusst Hummer gegessen und einen Traumprinzen hatte ich unter den wunderlichen Begebenheiten meines Lebens auch nie kennengelernt.
Während des Hörens des Romans bestrich ich mein Gesicht dick mit Quark, in der abstrusen Hoffnung, dann würden sich Lider und Wangen glätten. Fehlanzeige. Nachher sah ich genauso aus. Dann kam ich auf die Idee, mein Haar zu schneiden. „Je älter, desto kürzer!“ war einmal der Tipp einer Stilberaterin. Erfolgreich schnitt ich am Haar herum.
Kurz. Immer kürzer.
Bis ich die zerfranste Frisur eines Sechzehnjährigen hatte. Der Pony war megakurz und die spärlichen übrig gebliebenen Haare musste ich mit Wetgel zu angedeuteten Wellen formen. Was nicht hielt. Ein leichter Windstoß, und die Haare lagen katastrophal. Ich spreizte die Finger und wuselte das Haar durch. Wenn schon nicht schön, dann alternativ! Wie gerade aus dem Bett gekommen. Flott, immerhin flott!
Nun ja, hässlich war ich nie gewesen, aber auch keine zartgliedrige grazile Prinzessin. In guten Zeiten konnte ich zwei Kästen Wasser die Treppe hinauf schleppen, einen rechts und einen links. Ich hatte Kraft, und das sah man mir an.
Mit den jungen Frauen des Romans hatte ich nur so viel gemeinsam, dass ich auch ein Happy End suchte.
Vor drei Jahren quälte ich mich mit einer Fastendiät. Es klappte. Ich nahm 13 Kilo ab, war superstolz, passte wieder in Größe 38 und nette T-Shirts. Doch es stellte sich kein männlicher Erfolg meines so großen Bemühens ein. Notgedrungen nahm ich es zur Kenntnis, wurde die beste Kundin meines Bäckers und ernährte mich ausschließlich von Hefeteilchen. Das bescherte mir einen Riesenerfolg. Ich hatte gute Laune und nahm 10 Kilo zu. Schmale Hosen wurden aussortiert, nette T-Shirts ausgiebig begutachtet. Ich gelangte zu der Überzeugung, dass hauteng auch schön sei.
Stolz war ich auf mein Mädchengesicht, doch konnten die Lider nicht dort bleiben, wo sie sich immer befunden hatten? Wieso mussten sie sinken? Ein dicker Kajalstift kaschierte dieses Manko und Wimpern wurden ordentlich getuscht. Damit hatte ich wunderschöne Augen, Augen, die man bemerkte.
Etwas Makeup für den Teint, doch den knallroten Lippenstift lutschte ich leider innerhalb einer halben Stunde immer ab.
Welche noch nicht erfundenen Kosmetika gab es gegen das Alter? Nein, ich meinte keine Michael Jackson OPs, goldfischartige Lippen oder immense Brüste, mit denen frau nach vorne kippte. Ich dachte an so etwas wie die Quarkmaske. Da konnte man dann, wenn man das Gesicht damit bearbeitet hatte, den Rest unbedenklich verzehren, wobei ich nicht sicher war, was mehr wirkte –innen oder außen. Oder ich badete in Milch und Olivenöl, eine recht glitschige Angelegenheit, die unschöne Spuren in der Badewanne hinterließ, die Haut aber fischmäßig glänzend gestaltete. Ich trank Brennnesseltee zur Verdauung bei der Häufung nicht vorhergesehener Hefeteilchen und ging bewusst die Treppenstufen hinauf, wobei ich meine Schultern langsam nach hinten kreisen ließ. Zum Glück bemerkten die Nachbarn nicht, welches Gymnastikprogramm ich im Treppenhaus vollführte.
Trotz all dieser zwingend unvermeidlichen Versuche nahmen meine Marktchancen merklich ab. Ich meldete mich in einem Single Forum an. Da musste doch ein Rest Übriggebliebener sein, unter denen vielleicht das ein oder andere taugliche Objekt Interesse an einer so schönen Frau wie mir finden würde.
Schon war ich verliebt, quasi als letzte gottergebene starrsinnige Versuchung, aber der Herr hielt sich für toll. Je mehr ich ihn überzeugen wollte, dass ich aber toller sei, desto mehr erfand er Strategien, mich vom Leib zu halten.
Was wollte der, was ich nicht hatte? Ich fand mich reichlich perfekt! Ich war keine angepasste Frau, die Brigitte las, bei Musikantenstadl mit dem Hintern schuckelte und abends Günther Jauch anschaute. Auch war ich kein falsches Luder, das gerne mal im Mercedes saß und dafür jeden beliebigen Menschen akzeptierte. Aber vielleicht wollte er ja auch die Jauchegrube oder das falsche Luder?
Ein anderer Kandidat erzählte, er trüge nachts eine Schlafmaske. Wie sollte ich mir das denn bitte schön vorstellen? Welche unüblichen nervenaufreibenden Geräusche verursachte er dann nachts? Ein anderer erzählte, er habe sein Atmungsgerät auch beim Sex angeschlossen. Nun ja, die Jüngste war ich ja nun auch nicht gerade, aber solch eine große Sucht hatte ich dann doch nicht, diese merkwürdigen Begleiterscheinungen zu akzeptieren.
Ein Transgender war irgendwie noch der Sympathischste, eine angebliche Frau in einem großen robusten Männerkörper, den ich aber als durchgeknallten Mann und nicht als Frau ansah. Ich bestätigte ihn gerne darin und man kam so zumindest freundschaftlich überein.
Nach vielen unlustigen Versuchen war das Forum abgegrast und es erschien keine neue Herausforderung, mit der ich es hätte aufnehmen können. Was tun?
Es sah doch ganz so aus, als machten Männer mehr Probleme als Freude, denn neben einem netten Urlaub im Bett, wenn er denn nun nett wäre, müsste man sich sicherlich über das Schließen des Klodeckels unterhalten. Oder ein besonders Beflissener würde glauben, alles und jedes reparieren zu müssen und mich zum Werkzeughalter oder lobendem Gutachter zu küren. Oder mich mit Schalke Schal vor der Sportschau wohlwollend über die Funktion des Abseits aufzuklären. Alles Dinge, die mich nicht sonderlich interessierten.
Das Schlimmste am Alter war nicht, alt zu sein sondern alleine zu sein, wenn man es beizeiten verpasst hatte, sich ausgiebig dem Familienleben zu widmen und nicht öfter als nötig den Mann zu wechseln.
Da waren keine Enkelkinder, denen man Socken stricken oder Weihnachtsplätzchen backen konnte, wobei sich Enkelkinder wohl lieber Cola und Chips zwischen den seltenen Handy- und Computerpausen einverleibten und selbstgestrickte Socken mit einem sauren Grinsen mitleidig entgegennahmen und sie dann ganz plötzlich irgendwo vergessen hatten.
Hätte ich mich für die Familie aufgeopfert und niemals den Mann gewechselt, wäre mir sowas vielleicht zuteil geworden. Aber wollte ich das? Wollte ich meine Bestätigung aus Erbsensuppe und einem nett begrünten Balkon ziehen?
Diese liebesuchenden Vierzigjährigen von dem anfänglichen Roman würden nicht nachvollziehen, wohin so manche Liebe führen konnte.
Manchmal sagt man, alte Leute werden weise. In vielen Kulturen wird der Rat der Alten sehr geschätzt. Auch unsere Politiker gehören in der Regel nicht mehr zu den Vierzigern, obwohl ich in Abrede stellen möchte, dass sie weise sind.
Manche ältere Frauen finden in der Kirche ihre Bestimmung und wollen Jesus als Freund und Beschützer ehelichen. Da hätte ich doch lieber einen fleischlichen Freund gehabt, einen, mit dem ich etwas anfangen konnte.
Ich wusste immer schon, was ich nicht wollte, aber manchmal fiel mir gerade nicht ein, was ich denn wollte. Wenn die Liebe nicht mitspielte, war eigentlich sowieso alles überflüssig. Die Liebe…
Die Vierzigjährigen im Roman suchten sie, die Jungen suchten sie, und auch die Alten, trotz Lackschäden und Beulen, oder gerade auch deswegen. Der Körper alterte, doch die Sehnsucht blieb, wenn sie auch mittlerweile realistischere Formen annahm.

Wo hab ich eigentlich den Quark, das Ölbad und den Lippenstift? Und wie wär es mit ein bisschen Gymnastik im Treppenhaus? Nur pro forma, falls mal der Bäcker pleite macht und ich wieder abnähme… oder wenn ich, nur ganz durch Zufall, auf die Abteilung des anderen Geschlechts träfe und zu dem Zeitpunkt auch kompromissbereit wäre, was mir zwar ungeheure Mühe bereitete, aber ich habe gehört, in jedem Alter ist das Gehirn, und somit auch der ganze Mensch, zu neuen Erfahrungen bereit.
Die Begeisterung am Leben und Lernen Wollen werfe ich jetzt nicht gemeinsam mit der Mülltüte der Konvention in den Abfalleimer - ich trenne den Müll, und die Begeisterung bleibt.

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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