Paket einpacken?
Problematisches Weihnachtspaket

Das Weihnachtspaket
Hören Sie es? Hören Sie es auch?
Es knittert und knistert und raschelt überall, in fast jedem Haus. Nachdem man sich in das städtische Vergnügungsviertel, sprich Einkaufszone und Weihnachtsmarkt, begeben hatte, ging es an den ernsthaften Teil der Weihnacht, nämlich dem Einpacken von Geschenken, was eine hohe Konzentration und künstlerisches Geschick erforderte.
Früher erledigte das unser Opa, denn er war ein korrekter Büroangestellter. Präzise und haargenau faltete und falzte er die Kanten eines Dreiecks treffsicher und geometrisch begabt.
Ja, so gewissenhaft genau, dass ein Dreieck exakt passgenau auf dem Paket landete, gegengleich zum anderen Dreieck der anderen Seite. Natürlich wurde er jederzeit gerufen, wenn solch ein schweres Unterfangen irgendwo in der Familie zur Debatte stand.
Mein Mann war Buchhändler. Im Rahmen seiner wenig gelungenen Lehre hatte er einen Kurs im Einpacken besucht. Das Einpacken ging ihm leicht von der Hand, denn er hatte, unter subversiven Kräften leidend, mehr einpacken als bedienen müssen.
Ich hingegen habe eine sehr kreative Art, Dinge in einen nicht mehr erkennbaren Zustand zu versetzen. Wirklich, ich gebe mir große Mühe. Alles was nach Deko aussieht oder aussehen könnte, wird dazu verwendet. Stoffblumen, Glasperlen, künstliches oder auch frisches Gras, Disteln, Brennnesseln oder was man in der Natur naturgemäß findet, aber auch breite Schleifen, abgerissene Bettlaken und vor allem Gummiband.
Manchmal nehme ich auch Steine oder verschrumpelte Kastanien.
Einmal versuchte ich eine große Spiralmuschel, die ja keine besondere Auflagefläche hat, auf ein Paket zu kleben, doch die Schwerkraft war stärker als die Adhäsion, sie fiel runter. Ich war nahe dran, Sekundenkleber zu benutzen, nur dachte an meine mit Sekundenkleber klebenden Finger, also keine geeignete Idee.
Das heutige Paket brachte mich an den Rande des Wahnsinns. ein unförmiges Etwas mit einer dicken Holzschachtel und dem Ein- oder Anderen oben darauf. Wie sollte ich einen nicht eindeutigen Quader, ein eher wölbendes wellendes Ungetüm mit einem dreieckig gefalteten Papier, womöglich mit Einschlag und Umschlag versehen?
Ich versuchte, es mit Plastik Dämmstoff meines Laminats zu nivellieren, doch jetzt kam die nicht zu unterschätzende Herausforderung, das alles zu kleben, abzukleben, zusammenzukleben.
Mein Bestand von fünf Kleberollen mit unterschiedlicher Breite und Stärke hatte einen Nachteil. Keine Rolle zeigte einen Anfang oder ein solches offenbarendes Erkennungszeichen.
Die erste ging schon mal gar nicht. Ich hielt sie gegen das Licht und versuchte, mit dem Fingernagel entlang zu fahren, zu ertasten, wo sich der Einstieg, die winzig kleine Unregelmäßigkeit befand. Ging es rechts herum oder links herum?
Ich hatte keine Ahnung. Auch die nächste Rolle war widerspenstig, wenn ich auch zur besseren Nahsicht dieser komplizierten Empfindlichkeit meine Lesebrille aufsetzte,. Die Kleberollen hatten sich samt und sonders gegen mich verschworen.
„Verdorricht“ sagte ich, wie meine Oma zu solchen Anlässen zu sagen pflegte.
Mir brach der Schweiß aus. Fünf Rollen hatte ich auf ihre Zugänglichkeit getestet, doch keine war freundlich gesinnt gewesen, mir ihre empfindliche Stelle zu zeigen. Brutal zerschnitt ich eine Rolle. Es musste doch möglich sein… Nein, es war nicht möglich! Mit einem zerschnittenen Klebestreifen kann man wenig anfangen.
Nachdem meine Geduld nicht mehr sonderlich vorhanden war und ich doch schon an Sekundenkleber dachte, fand ich die mir zugewandte Rolle.
Ich schnitt Streifen ab und befestigte sie an der Kante meines Schreibtisches, ließ sie dort herunterhängen, damit die Kleberolle es sich nicht noch einmal anders überlegte. Undf wickelte das Paket ein. Schön war es nicht, aber es hielt. Nur die Nase des kleinen Keramikbärchens guckte noch heraus.
Am nächsten Tag bei der Post wurde mein künstlerisches Päckchen ausführlich und etwas ungläubig begutachtet. „Wenn Sie das als Paket verschicken, wird es geschmissen. Das würde ich Ihnen nicht raten.“ sagte die Verkäuferin. „Zahlen Sie lieber mehr und geben es als Brief auf.“ – „Wieso, von der einen Seite ist es doch ganz glatt.“ – „Ja, aber von der anderen? Ach, wissen Sie was, kaufen Sie lieber einen Postkarton und tun es hinein.“ Irgendwie musste ich ihr recht geben und kaufte einen Paketkarton, legte die ganze Pracht hinein. „Hier haben Sie den Aufkleber für den Adressaten und Absender.“ Gerade wollte ich mir einen Kuli leihen, als mir etwas Entscheidendes einfiel: - Ich wusste die Adresse gar nicht, hatte sie zu Hause liegenlassen! -
Hier jetzt zu Hause packe ich das ganze kreative Paket noch einmal um, löse die Klebestreifen, entferne die Plastik Polsterung und lege alles schön ordentlich in das vorgefertigte Postpaket.
Tja, manche Kunstwerke haben leider nicht den realistischen Wert, wie sie kreativ erfunden worden sind, auch an Weihnachten.

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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