Zwei Konzerte in der Wattenscheider Kunstwerkstatt
Zauberer an zwei Flügeln - Musiker Chris Hopkins über Improvisation und Neubeginn

Chris Hopkins empfängt seinen Freund Martin Litton zur gemeinsamen Improvisation am Piano.  | Foto: Donner
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 Endlich wieder ins Konzert. Diese Gefühl dürfen nach 18 Monaten sowohl Zuhörer als auch Künstler wieder erleben. Pianist Chris Hopkins spielt bald gemeinsam mit Martin Litton an zwei Abenden (20. und 21. September) in der Kunstwerkstatt am Hellweg. Im Stadtspiegel-Interview hat er über die Bedeutung der Rückkehr in den Konzertsaal und der Freundschaft am Piano erzählt.

Von Sabine Beisken-Hengge

Chris Hopkins, wenn Sie nächste Woche in Wattenscheid konzertieren, kommen Sie nicht allein, der britische Pianist Martin Litton ist Ihr Partner am zweiten Flügel.
Martin Litton aus London ist Starpianist für Classic Jazz und Swing. In all den Jahren durfte ich schon viele Koryphäen begrüßen. Es ist schon eine Sensation, wenn solche herausragenden Musiker an diesen kleinen Ort kommen.

Die Reihe, in deren Rahmen auch die zwei Konzerte in der Kunstwerkstatt stattfinden, heißt "Chris Hopkins meets his Piano Friends". Sind die Kollegen auch immer Freunde?
Jedes Jahr lade ich echte Piano-Freunde ein, aus Frankreich, Amerika, England und vielen anderen Ländern. Wir sind seit vielen Jahren miteinander verbunden, es gibt eine weltweite Szene. Man weiß: Da sitzt jemand in Paris zum Beispiel, der kann dies oder jenes. Wir beschäftigen uns mit ähnlicher Musik, tauschen uns aus, über Stücke, die man entdeckt, über Schallplatten und Idole. Außerdem ergänzen wir uns, da jeder ja dennoch seinen persönlichen Stil pflegt und seine eigene Richtung einschlägt.

Zwei Pianisten an zwei Instrumenten in einem Saal - das allein ist ja schon ein großes Erlebnis. Was zeichnet Ihre Konzertreihe aus?
Die Idee dieser Klavierreihe ist, dass wir kein festgelegtes, einstudiertes Repertoire spielen, sondern die Konzerte sind komplett improvisiert. Jazz an sich besitzt ja bereits einen hohen Improvisationsanteil. Hier aber ist das Besondere, dass wir uns am selben Instrument begegnen. Das Schwierige daran ist, dass zwei Pianisten sich im selben Tonraum bewegen. Die Aufgabe ist dann, sich nicht "auf die Füße" zu treten und sich zu ergänzen. Wir werfen uns gegenseitig die Bälle zu. Das Publikum spürt die Spannung wie ein musikalisches Zwiegespräch und nimmt teil an unserer Begegnung, von der wir vorher selbst nicht wissen, wie sie sich gestaltet.

Wie können wir uns die Vorbereitung für die Konzerte vorstellen? Zu proben war ja nicht möglich.
Martin Litton und ich stehen seit langem per Mail in Kontakt und tauschen uns aus, über Titelvorschläge, ein Zusammentreffen am Klavier war schon lange anvisiert. Seit wir wissen, dass es klappt, mussten wir natürlich logistische Probleme lösen. Martin Litton freut sich genauso sehr wie ich auf die gemeinsamen Konzerte, auch er war ja, wie ich auch, quasi anderthalb Jahre lahmgelegt.
Das Schöne ist, dass man hier auch gar nicht so viel proben muss, wenn ich hier Leute habe, die auf einem so hohen pianistischen Niveau spielen und die Musik so gut kennen. Wir können trotzdem immer was Spektakuläres raushauen. Dass die Musik dann virtuos sprudelt, ist für das Publikum, wie ich es immer wieder erlebt habe, so was ähnliches wie Zauberei. Natürlich befolgen wir aber, von den Zuhörern unbemerkt, strenge Regeln, wie im Straßenverkehr, dass einer den anderen beispielsweise nicht überholt. Innerhalb dessen, was geht und was nicht, muss man sich freimachen. Dann fließt die Musik und es entsteht eine besondere Magie.

Zurück im Konzertsaal

Seit wann sind Sie zurück im Konzertsaal?
Das erste Konzert durfte ich im Juni in Wien geben, im Juli wurden Termine, die verschoben wurden, nachgeholt. Besonders dankbar bin ich für die beiden Konzerte in Haus Kemnade im August. Trotz der dramatischen Hochwassersituation konnten sie stattfinden, denn die Scheune war glücklicherweise nicht betroffen von der Überflutung. Und letzte Woche bin ich in ganz anderer Besetzung im Kulturbiergarten aufgetreten. So schön, dass diese Dinge wieder passieren, jeder Ort hat seine ganz eigenen Stimmung. Jetzt freue ich mich auf die Kunstwerkstatt. Die Konzerte dort sind jährlich wiederkehrende Ereignisse seit 15 Jahren. Nun gilt es, den Wechsel von Outdoor-Veranstaltungen nach drinnen zu vollziehen. Da achten wir ganz streng auf Hygienevorschriften, die 3-G-Regel kommt zum Zug. Zudem ist die Kunstwerkstatt durch große Tore gut zu belüften, vorher und während der Pause. Abstände werden eingehalten.

Welches besondere Erlebnis bietet gerade die kleine Kunstwerkstatt?
Die Kunstwerkstatt ist tatsächlich eine ehemalige Werkstatt, wo noch verschiedenste historische Gerätschaften vorhanden sind, die seitlich und in der Mitte fest verankert sind. Das schafft eine ganz andere Atmosphäre als beispielsweise in einem sterilen Kongresssaal, in dem 200 gleich aussehende Stühle stehen. Die Kunstwerkstatt ist wie kein anderer Ort. Zudem können wir hier ganz ohne Mikrofone spielen, es stehen nur die zwei Flügel da. Es klingt wahnsinnig gut und sogar so gut, dass man ohne Mikrofon moderieren kann.

Wie fühlt es sich an, die Zuschauer wieder zu sehen?
Wenn ich da an die ersten Konzerte nach dem Lockdown denke, sehe ich die glücklichen Gesichter vor mir. Es ist Wahnsinn und das Schönste, was man zurzeit erleben kann, nach alledem, was die Menschen mitgemacht haben. Ich denke, dass die Musik da jetzt eine ganz wichtige Funktion hat, vor allem Hoffnung zu spenden, Mut zu machen wieder rauszugehen und teilzunehmen. Bei all den problembelasteten Themen in der Gesellschaft, die die Pandemie mit sich bringt, können wir mit der Musik ein Stück Heilung bewirken: Dass Menschen positive Erlebnisse haben, gemeinsam mit anderen. "Das ist das erste Konzert seit März 2020", haben mir viele Menschen erzählt und die hatten dabei Tränen in den Augen. Das zeigt für mich, wie systemrelevant Kultur ist! Klar kann man nur leben, einkaufen gehen und im Homeoffice sitzen - das ist dann aber sehr traurig. Kulturelle und zwischenmenschliche Begegnungen machen das Leben doch erst lebenswert.

Termine und Karten:

Chris Hopkins und Martin Litton spielen am Montag, 20. September, und Dienstag, 21. September, jeweils um 19 Uhr in der Kunstwerkstatt am Hellweg, Wattenscheider Hellweg 9.
Karten im Vorverkauf sind online erhältlich unter:https://hopkinsjazz.reservix.de/events oder telefonisch unter: 01806-050400 (20cent/Festnetz-Anruf) sowie an den bekannten Vorverkaufsstellen: https://www.adticket.de/Vorverkaufsstellen.html. 

Autor:

Sabine Beisken-Hengge aus Essen-Ruhr

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