Mord an der Gilsingstraße - Bürger-Ansturm zum Prozess-Auftakt

Es ist einer dieser Fälle, die aufgrund der ganz speziellen Tragik ausgesprochen nahe gehen und es ist einer dieser Fälle, in denen es aufgrund der Tragik am Ende nur Verlierer geben kann.

Am heutigen Montag, 13.02.12 begann um 9.00 Uhr am Bochumer Landgericht die Verhandlung um den am 02.09.11 an der Gilsingstraße zunächst mit Morphium betäubten und anschließend erstochenen 36-jährigen Börsenmakler. Die Anklage gegen die 31-jährige Frau eines Bochumer Arztes, die den Liebhaber und Vater ihres zwei Wochen vor der Tat geborenen Sohnes getötet haben soll, lautet auf Mord.

Die Anteilnahme der Bochumer Bevölkerung am heutigen Prozess-Auftakt war derart groß, dass der mit 100 Zuschauer-Plätzen größte Sitzungssaal nicht ausreichte, all jene aufzunehmen, die die Verhandlung verfolgen wollten.

Auch die hier nur vom Randgeschehen berichtende Bürgerreporterin, die sich nach Bekanntwerden der Tat intensiv emotional mit den tragischen Hintergründen befasst und sich fest vorgenommen hatte, die Verhandlung zu verfolgen, um ein Täterprofil zu erhalten, wurde schwer enttäuscht, als nur drei Personen vor ihr die letzte der ab 8.30 Uhr vom Gericht verteilten Platzkarten ausgegeben wurde.

Sie, die alle unerwarteten häuslichen Unbilden des frühen Morgens (krankes Kind zu Hause versorgen, französischen Austauschschüler mit Proviant versorgen, Schnee fegen und streuen, mit dem Fahrrad auf schneebedeckten Straßen bis in die Stadt strampeln, hetz, hetz, hetz) noch zeitlich erfolgreich absolviert hatte, war um 8.25 Uhr bereits die Wartende Nummer 104. Zusammen mit weiteren mindestens 50 Bürgern, die sich an diesem ersten ungemütlichen Wintermorgen erfolglos auf den Weg gemacht hatten, hoffte sie noch auf ein von einer Justizbeamtin vage in Aussicht gestelltes Einlass-Wunder, das sich nicht erfüllte.

So blieb den geduldig Wartenden mit Blick auf die verschlossenen Türen und auf die zahlreich erschienene Presse nur die Phantasie und der rege Austausch über das Geschehene, das alle gleichermaßen sehr betroffen macht. Man kam miteinander ins Gespräch, erfuhr, dass Freunde und Bekannte des Arztes und der Familie aus persönlicher Betroffenheit und Anteilnahme den Prozess hatten verfolgen wollen. Man machte sich Gedanken um das Wohl des kleinen Jungen, um das durch die Tat zerrissene Leben aller Angehörigen und um den Fortbestand der Praxis des betroffenen Arztes, in der die Ehefrau gearbeitet hatte. Die Anteilnahme war ehrlich, menschlich und von besonnener Nachdenklichkeit geprägt.

Als gegen 9.30 Uhr durch die Presse nach draußen sickerte, dass die Verhandlung zunächst unterbrochen worden sei, da die Zusammensetzung des Gerichts gerügt wurde, und ganz offenbar auch keine Aussicht auf die Möglichkeit des Nachrückens von Plätzen mehr bestand, lösten sich die Wartenden in der Absicht auf, an den folgenden 10 Verhandlungstagen, die noch angesetzt sind, einfach früher vor der Tür zu stehen.
Wann das „früher“ jedoch sein müsste, bleibt ausgesprochen ungewiss, da zu erfahren war, dass die ersten dreißig Wartenden bereits um 7.40 Uhr vor der Saaltür standen. Auch einmal live dabei zu sein und einer Tat auch ein Gesicht zu geben, scheint schwer zu werden. Bleibt folglich wieder nur die Tageszeitung und das Fernsehen, denn es war leider nicht das erste Mal, dass die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung unmöglich war.

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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