Rede von Wolfgang Dominik ( VVN- BdA Bochum ) auf der Solidaritätskundgebung mit dem griechischen Volk

Wolfgang Dominik auf einer Veranstaltung der LINKEN Bochum
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Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde!

Am 13. Dezember 1943 umstellten faschistische Truppen die Kleinstadt Kalavrita in den Bergen des Peleponnes. Am nächsten Tag gab es Kalavrita praktisch nicht mehr.
Als ich vor ein paar Jahren Kalavrita besuchte, war der erste Weg rauf auf den Kapi-Hügel. Voller Entsetzen und schluchzend stand ich vor der Gedenkstätte, die in den sechziger Jahren zum Gedenken an eines von Hunderten von Massakern, das die Deutschen in Griechenland verübten, errichtet worden war. 600 Namen von vor allem Jungen und Männern ab 12 Jahre aufwärts sind dort zu lesen, aber auch viele weitere Kinder bis hin zu Babys, die sich in Todesangst an ihre Väter oder Großväter oder älteren Geschwister geklammert hatten, wurden von den Deutschen erschossen. Diese Namen erinnern dort an die deutschen Verbrechen. So weit vorhanden, waren die Fotos von den Massakrierten dort zu sehen. In dem ausliegenden Kondolenzbuch gab es nur sehr wenige deutsche Eintragungen – zu weit weg von den Feriengebieten liegt Kalavrita, aber ich bin sicher: Auch mitten in den Feriengebieten würde das die Mehrzahl der deutschen Touristen nicht auffallen. In der Schule von Kalavrita waren die Frauen und noch kleineren Kinder eingesperrt. Wahrscheinlich sollte die Schule angesteckt werden. Wie durch ein Wunder gelang es den Frauen und Kindern aber eine unbewachte Tür zu öffnen und in die Berge zu flüchten.
Das Kapital stampft, wie ein Ökonom des 19. Jahrhunderts es formulierte, alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß, wenn 100 % Profit zu erreichen sind. Wenn 300 % in Aussicht stehen, riskiert das Kapital jedes Verbrechen. Der deutsche Faschismus hat diesen Satz millionenfach bestätigt. Kalavrita ist nur ein Beispiel. Die Mütter und Väter der 1946 gegründeten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) hatten diese Verbrechen am eigenen Leib erlebt. Der faschistische Staatsterrorismus hat nicht nur Griechenland, aber vor allem auch Griechenland auf Jahrzehnte gekennzeichnet. Allein im Winter 1941/42 ließen die Faschisten 100.000 Menschen verhungern.10.000 Ortschaften wurden niedergebrannt, die Rohstoffe und Nahrungsquellen geplündert, die Banken ausgeraubt. Die sog. deutschen Reparationen in den 50ger Jahren waren lächerlich gering. Umgerechnet schuldet jeder Deutsche Griechenland noch 875 Euro.

Wir hören und hörten heute in kurzen Beiträgen, wie intensiv der alle Menschenrechte missachtende Sozialraub heute in Griechenland durch die sog. Troika, also den Vertretern des vor allem auch deutschen Kapitals, betrieben worden ist. Die Hetze gerade auch der deutschen Elitejournalisten in den „Qualitätsmedien“, die Lügen der meisten Beiträge im Fernsehen nehmen extreme Ausmaße an. Kein Wunder, dass fast 90% der Deutschen sich diese Feindbilder zueigen gemacht haben. Eine mustergültige Ausnahme war gestern Abend der Monitor-Beitrag – seht ihn euch in der Mediathek noch mal an. Eine solch intensive Feindbildproduktion wie gegen die griechische Regierung gibt es gegenwärtig nur noch gegen Russland. Wann fängt eigentlich Staats- und Medienterrorismus an? Der Krieg um die Köpfe wird in aller ideologischen Brutalität geführt. Wenn Yanis Varoufakis den Umgang der Troika mit der griechischen Bevölkerung, angeführt von der deutschen Regierung, als Folterpraxis, als finanzielles Waterboarding bezeichnet, jaulen fast alle Medien und Politiker schwer gekränkt auf. Die griechische Regierung wird als Regierung durchgebrannter Spinner, als Chaos-Truppe, als Versammlung von Halbstarken, als bösartiger Falschspieler, als üble Pokerrunde, als Haufen von Erpressern und ähnliches mehr bezeichnet. Ihr hört hier heute, dass oft das genaue Gegenteil zutrifft. Ihr könnt euch die Medienanalyse z.B. von Jürgen Link im Netz selbst ansehen.

Als VVN-Mitglied frage ich euch, ob Demokratie noch irgendwas mit Volksherrschaft zu tun hat. Die Kanzlerin hat dankenswerter Weise unsere Demokratie „marktkonforme Demokratie genannt. Heißt das nicht zu gut deutsch: Diktatur des Finanzkapitals und z.B. gerade auch in Griechenland des deutschen Rüstungskapitals?
Scheitert Syriza in Griechenland, wird das auch für andere Länder bedeuten, dass Wahlen völlig überflüssig sind. Wenn das Volk nicht „marktkonform“ wählt, wird es einfach ökonomisch erdrosselt. Es wird und wurde ja heute schon mehrmals darauf hingewiesen: Es geht gar nicht um Schuldenabbau. Es ging vor allem der deutschen Regierung zunächst im Winter 2014/15 darum, eine Wahl von Syriza von vornherein zu verhindern, da sie neoliberale Prinzipien aushebeln wollte.
Schon 1967 installierte die NATO nach dem Prometheus–Plan in Griechenland eine faschistische Militärdiktatur, bevor in den geplanten Wahlen vom griechischen Volk unvernünftigerweise eventuell eine linke Regierung gewählt würde. Zu diesem Plan griff die EU diesmal (noch) nicht. Die Faschisten griffen damals schon zum direkten Waterboarding!
Als diese Einmischung in die Wahlen im Januar misslang, ging es nur noch und ausschließlich darum, diese vom Volk demokratisch gewählte Regierung aus dem Amt zu jagen, weil diese Regierung die Wolfsgesetze des Kapitals an einigen Stellen zu durchbrechen versuchte und ungehörig gegenüber der Troika Wahlversprechungen erfüllen wollte, z.B. die die seit 2010 grassierende Armut und z.B. die u.a. von Deutschland verordnete medizinische Katastrophe einzudämmen. Und das darf nicht sein! Syriza darf kein Vorbild für andere Länder werden. Es geht also um Demokratieabbau in ganz Europa. Für die ukrainische von Faschisten durchsetzte Oligarchenregierung in Kiew stellen Europa und die USA andauernd zig Milliarden Euro und Dollar zur Verfügung. Die sind ja marktkonform und wollen auch Krieg gegen Russland.

Dass überall in Europa reaktionäre, faschistoide und faschistische Parteien sich entwickeln, ist unter den herrschenden ökonomischen Rahmenbedingungen nicht erstaunlich. Im Schwur von Buchenwald wurde von den gerade befreiten KZ-Häftlingen versprochen, die Ursachen des Faschismus zu beseitigen. Oder wie es das Ahlener Programm der CDU von 1947 sinngemäß formulierte: Kapitalismus führt unter bestimmten Bedingungen zum Faschismus. Diese kapitalistische Wirtschaftsordnung dürfe keine Zukunft haben. CDU 1947!

Wenn Syriza scheitert, fährt der europäische Zug mit der deutschen Lokomotive weiter nach rechts. Kalavrita kann viele Gesichter haben. Es gibt heute viele Kalavritas. Es gibt viele Formen des Waterboardings. Versuchen wir, noch mehr zu verhindern!

Ich danke Ihnen/Euch!

Autor:

Christoph Nitsch aus Bochum

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