Ist richtig herum immer richtig herum?

Dies ist das gedrehte Foto. | Foto: Original von Myriam Weskamp
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  • Dies ist das gedrehte Foto.
  • Foto: Original von Myriam Weskamp
  • hochgeladen von Heini Bergmann

Ein Foto kann die Wirklichkeit immer nur beschreiben, sie aber niemals unbeeinflußt abbilden.
Eine Bildbearbeitung beeinflußt minimal eingesetzt vielleicht die Schärfe, die Farben, den Kontrast, Helligkeit usw. Oder sie geht soweit, dass Bildteile retuschiert werden oder ganz neue Bilder entstehen.
Aber selbst der Versuch, die Wirklichkeit einfach nur im Bild festzuhalten und anschließend das Bild als Realität anzuerkennen muss fehl schlagen. Schon durch die Auswahl des Objektivs, des Kamerastandorts, der Perspektive und der Ausnutzung der Lichtsituation beeinflußt der Fotograf die hinterher abgebildete Realität.

Dies will ich nur vorausschicken, denn der Einwurf kam bereits: "Ich habe das Foto so eingestellt, wie ich es aufgenommen habe." Man sollte sich nicht selbst in der eigenen Kreativität beschränken. Wenn man feststellt, dass einem ein Bild oder ein Auschnitt besser gefällt, wenn man es umdreht, oder zurechtschneidet, soll man das auch tun. Dann hat man nicht nur geknipst, sondern sich auch Gedanken dazu gemacht.

Die Gedanken, die ich bei diesem Bild von Myriam Weskamp hatte, waren ungefähr folgende:

Ein prima Bild. Die Schärfe liegt bei diesem Makro auf dem Auge der Schwebfliege. Die Schärfebene bei Makroaufnahmen ist sehr klein, deshalb ist es gar nicht so einfach, das genau auf den Punkt zu bringen.
Das ist Myriam hier super gelungen.

Auch die Belichtung passt. Technisch ist das Bild also mehr als gut.

Trotzdem störte mich etwas an dem Bild.

Deshalb habe ich es mir länger angesehen und bin dann so ganz langsam drauf gekommen, was das ist. Im Kommentar zum Bild habe ich das dann versucht aufzuzeigen. Leider ist das von einigen als "unberechtigte und vielleicht schmähende" Kritik angekommen. Das tut mir Leid und war absolut nicht beabsichtigt.

Ich hatte geschrieben:
Es gibt einen Leitspruch, der heisst "das Auge geht nach hell". Hier ist es die helle Stelle rechts neben der Fliege. Dadurch, dass der Focus auf dem Auge liegt (und das ziemlich gut!) geht das Auge direkt in den Focus. Es verweilt nicht im ersten Bilddrittel. Dann rutscht das Auge aber zum hellen Fleck rechts und ist gleich aus dem Bild.
Dazu kommt, dass die Fliege ja ungewöhnlicherweise "auf dem Kopf" steht. Ebenso wachsen die Stempel von oben nach unten.

Ich hätte wahrscheinlich entweder gleich weiter ausholen oder nur ein nettes "Tolles Bild" als Kommentar geben sollen. Aber ist es das, was wir wirklich wollen? Einfach nur etwas Anerkennung und ein Kommentar mehr?
Mir würde das nicht reichen, denn ich will mich auch fotografisch verbessern. Und das scheine ich mit einigen anderen Fotografen hier gemein zu haben.

Ein Bild folgt immer mehr oder weniger gleichen "Gesetzmäßigkeiten". Alle haben schon vom Goldenen Schnitt gehört. Von einer Drittellung des Bildes, von verschiedenen Bildaufbaumöglichkeiten usw.

Diese "Gesetzmäßigkeiten" hatte ich allgemein als bekannt vorausgesetzt. Das dem nicht so ist, habe ich an den Kommentaren gemerkt. Wenn ihr wollt, werde ich gerne einige Beiträge dazu schreiben.

Nun aber die Kurzform zum Foto von Myriam Weskamp:
Im umgedrehten Bild erkennt man wahrscheinlich viel besser, was ich meine:

Das Auge ist es gewohnt, von links nach rechts und von oben nach unten zu lesen. Dies passiert auch automatisch beim Betrachten eines Bildes. Helle Stellen werden vom Auge schneller erfasst als dunkle. Dazu kommt, dass Dinge, die sich im Goldenen Schnitt befinden, als wichtiger und schöner empfunden werden, als andere Bildteile. Um das Auge "im Bild" zu halten und für den Betrachter interessanter zu machen, baut man eine "Barriere" ein. Das kann ein dunkler rechter Rand sein, eine nach rechts auslaufende Unschärfe oder eine runde Maskierung um den Bildinhalt. Oder, oder, oder...

Im obigen, von mir umgedrehten Foto. finden wir nun in der linken Linie des Goldenen Schnitts (erstes Bilddrittel, gedachte Linie von oben nach unten) das Auge der Schwebfliege wieder.
Der helle Fleck führt nun das menschliche Auge ins Bild. Genau auf den Focus und die Schärfe am Fliegenauge. Das menschliche Auge verweilt hier. Es wird "blockiert" und im Bild gefangen. Dies passiert bei diesem Beispiel durch die Unschärfe, die sich nun bis zum rechten Bildrand zieht.
Die dunklen Blütenstempel (oder wie die Dinger nun heissen) bilden den unteren Rand und "fallen" nun nicht mehr. Dies gibt dem Bild mehr Ruhe. Die Spannung steigt trotzdem.

Ich hoffe, dass euch das nicht alles viel zu theoretisch und abgehoben vorkommt. Aber solche Gedanken niederzuschreiben, und dann auch noch strukturiert als Beitrag, ist auch für mich nicht immer leicht.
Ich danke Myriam Weskamp für die Erlaubnis, das anhand ihres Bildes darstellen zu dürfen.

Euer Heinrich

Hier ist der Ursprung dieses Beitrags.

Dies ist das gedrehte Foto. | Foto: Original von Myriam Weskamp
Die ist die Originalversion. | Foto: Original Myriam Weskamp
Autor:

Heini Bergmann aus Bochum

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